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POLITIK/270: Vesper - Meinungsfreiheit wird in Peking nicht ausgehebelt (DOSB)


DOSB Presse - Der Artikel- und Informationsdienst
des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Dr. Vesper: Meinungsfreiheit wird in Peking nicht ausgehebelt
Sportausschuss debattierte über den aktuellen Stand vor Olympia

Von Holger Schück


(DOSB PRESSE) Das Internationale Olympische Komitee (IOC) wird Ende April/Anfang Mai die sogenannten Guidelines zur Klarstellung der Regel 51.3 der Olympischen Charta und zur Abgrenzung von Meinungsäußerung und Propaganda bei den Olympischen Spielen in Peking veröffentlichen. Das kündigte DOSB-Generaldirektor Dr. Michael Vesper im Sportausschuss des Deutschen Bundestages an. Das Gremium unter Leitung des SPD-Politikers Dr. Peter Danckert hatte in seiner 51. Sitzung erneut über die "Aktuelle Situation vor den Olympischen Spielen" beraten.

"Jeder Athlet wird sich in Peking zu Menschenrechtsfragen frei äußern können; daran gibt es überhaupt keinen Zweifel", erklärte Dr. Vesper mit Blick auf die erwarteten konkretisierenden Richtlinien. "Die freie Meinungsäußerung ist selbstverständlich beispielsweise bei den täglichen Pressekonferenzen im Deutschen Haus gewährleistet." Er erläuterte, dass die Olympiateilnehmer bei den Wettkämpfen und in den Veranstaltungsstätten keine politische Propaganda oder Demonstration ausführen dürften, wie das übrigens bei allen internationalen Sportveranstaltungen - auch z.B. der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 und der Leichtathletik-WM 2009 gang und gäbe sei. Es gebe einen "Zaun der Zurückhaltung", ähnlich wie in Parlamenten, in Konzertsälen oder etwa in Gottesdiensten. "Dennoch wird die Meinungsfreiheit nicht ausgehebelt", betonte der Generaldirektor.

Die Guidelines, die das IOC mit den Vertretern der Athletenkommission abstimmen wird, werden Durchführungsregelungen zu dem allgemeinen Passus in Regel 51 Abs. 3 der IOC-Charta enthalten. Sie sollen eine Abgrenzung zwischen politischer und religiöser Meinungsäußerung in Wort und Symbolik und den in der Charta untersagten Darstellungsformen Propaganda und Demonstration enthalten. "Diese Regelungen werden nicht alle möglichen konkreten Ideen kommentieren , also nicht 3.756 mögliche Fälle klären, jedoch eine klare Orientierung geben", ergänzte Dr. Vesper. Es gelte, wie IOC-Präsident Jacques Rogge es formulierte, "die magische Atmosphäre der olympischen Wettkämpfe zu schützen": "Das IOC will, dass olympische Wettkämpfe, bei denen es um Sport geht, nicht mit widerstrebenden politischen Äußerungen und Aktionen belastet werden."

DOSB-Aktivensprecher Christian Breuer machte deutlich, dass Olympiakandidaten auf die IOC-Guidelines warten. "Athleten und Sportler sind keine Juristen", meinte der ehemalige Eisschnellläufer. "Es ist nicht Aufgabe der Athletenvertretung, unbestimmte Rechtsbegriffe in der IOC-Charta auszulegen. Deshalb fordere ich ein, die Richtlinien sollten klar enthalten, was erlaubt und was nicht erlaubt ist."

Breuer erläuterte, dass sich Olympiateilnehmer bei Betreten der Sportstätte in einen "unpolitischen Bereich" begeben, was von allen zu akzeptieren sei.

"Jetzt durchzuklären, was in Einzelfällen an politischen Meinungsäußerungen möglich ist, wäre eine Belastung für die Sportler", sagte er. Sicherlich könnten sich die Aktiven in den Mixed-Zonen in Gesprächen mit Journalisten zu allen Fragen frei äußeren - allerdings: "Mit der Freude über den gewonnenen Erfolg oder mit der Trauer über den zerronnenen Erfolg werden doch in der Mixed Zone keine weltpolitischen Probleme gelöst." Der Beamte der Bundespolizei kündigte an, dass die Olympia-Starter "qualifizierte Informationen" in einem eigenen Internetforum bekommen sollen. Es werde allerdings ein geschützter Bereich sein, der öffentlich nicht zugänglich ist. Passwörter für den Zugang seien im Postversand.

Der Vorsitzende der Deutschen Sportjugend, Ingo Weiss, berichtete, eine dsj-Delegation mit 18- bis 25-Jährigen habe vom 23. bis 30. März die Volksrepublik China besucht. Die ehrenamtlich Tätigen aus deutschen Vereinen hätten dieses Fazit gezogen: "Wir sind mit dem Gefühl der Unsicherheit hingefahren und mit dem Gefühl der Sicherheit zurückgekehrt. Ein Dialog mit der chinesischen Jugend ist möglich." Dabei seien die Probleme mit der Region Tibet sowie Menschenrechtsfragen in China generell angesprochen und diskutiert worden.

In zwei Fragerunden machten Abgeordnete von SPD und Grünen deutlich, sie erwarteten von IOC und DOSB keine Restriktionen, wenn sich Athleten für Menschenrechte engagierten. So sagte Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen), die Formulierung "Sports for Human Rights" (Sport für Menschenrechte) sei keine Propaganda, sondern "eine grundlegende Einsicht der zivilisierten Welt"; das gleiche gelte für Christen, die vor dem Wettkampf das Kreuz schlagen oder eine Halskette mit dem Kreuz tragen. Swen Schulz (SPD) stellte fest, der Vertrag zwischen IOC und dem Organisationskomitee und das gebilligte Bewerbungsbuch enthielten keine klaren Vorgaben über eine Verbesserung der Menschenrechtssituation in China. Eberhard Gienger (CDU) fragte, ob Olympiastarter außerhalb der olympischen Stätten und Anlagen eine "olympische Immunität" hätten. Detlef Parr (FDP) verlangte von der Deutschen Olympischen Akademie ein programmatisches Engagement, um die aktuell diskutierten Olympiafragen "auf hohem Niveau" wissenschaftlich zu erörtern und aufzubreiten.

Vor Beginn der Ausschusssitzung überreichte der Olympia-Dritte im Kanu, Stefan Pfannmoeller, Politikern des Bundestages Silikonbändchen mit der Aufschrift "Sports for Human Rights". Das Sportlernetzwerk "netzathleten.de" habe bereits 50.000 grün-blaue Armbändchen herstellen lassen, erklärte er. Bei der symbolischen Übergabe eines überdimensionierten Exemplars waren Peter Danckert und die Menschenrechtspolitikerin und Grünen-Vorsitzende Claudia Roth zugegen.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 18/29. April 2008, S. 6-7
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2008