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POLITIK/271: IOC-Mitglied Tröger kritisiert Olympiaflamme auf dem Mount Everest (DOSB)


DOSB Presse - Der Artikel- und Informationsdienst
des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Kontroverse Diskussion im Frankfurter Presse-Club
IOC-Mitglied Tröger kritisiert Olympiaflamme auf dem Mount Everest

Von Andreas Müller


Walther Tröger, Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), hat bei einer Podiumsdiskussion in seiner Heimatstadt Frankfurt am Main die Route des olympischen Fackellaufes über den Mount Everest kritisiert. Die Flamme auf den höchsten Berg der Welt zu tragen, sei "reines Rekordstreben". Er wolle sich bei einem persönlichen Zusammentreffen mit IOC-Präsident Jacques Rogge dafür einsetzen, die Etappe im Himalaya-Gebirge noch abzusagen. "Ich fürchte allerdings, dass es aus rein organisatorischen Gründen schon zu spät ist", sagte Tröger mit Blick auf den Zeitplan. Bis spätestens zum 10. Mai soll die Flamme den 8.848 Meter hohen Gipfel passiert haben. Was den Fackellauf generell betrifft, müsse man ihn Tröger zufolge "nicht unbedingt haben". Spätestens seitdem einzelne Etappen an Sponsoren verkauft wurden, habe sich für ihn die Sinnfrage des Fackellaufes gestellt, erklärte das deutsche IOC-Mitglied am Rande der Veranstaltung im Frankfurter Presse-Club (FPC) genau 99 Tage vor der Eröffnung der Olympischen Sommerspiele in Peking vom 8. bis 24. August.

Die mit der Vergabe der Spiele an Peking verknüpften Erwartungen, das "Reich der Mitte" werde bei der Gewährung von Menschrechten und bei der Pressefreiheit Fortschritte machen, hätten sich nicht erfüllt, bilanzierte ARD-Korrespondent und China-Experte Christoph Lütgert. Im Gegenteil gebe es in Bezug auf beide Seiten derzeit "massive Verschlechterungen - und vom IOC kommt nichts". Lütgert warf dem IOC bei der Diskussionsveranstaltung in Fankfurt am Main eine "liebedienerische, anpassungsfähige Tonart" gegenüber den Machthabern in Peking vor. Er sprach von einer "Hasenfüsigkeit" der Olympier, während Tröger den Kurs von Rogge verteidigte. "Wir haben eine politische Verantwortung und müssen ihr gerecht werden. Wir müssen aber auch unsere Grenzen kennen." Tröger wehrte sich dagegen, dass der Sport pausenlos mit Boykottforderungen konfrontiert werde. Im Unterschied dazu sei ihm keine einzige Stimme bekannt, die wegen der Menschenrechtsverletzungen in China verlange, diesem Land deswegen seinen Status als Ständiges Mitglied im UNO-Sicherheitsrat wegzunehmen

Tröger sicherte den deutschen Olympiateilnehmern im Rahmen der olympischen Charta größtmögliche Bewegungs- und Meinungsfreiheit zu. "Wir als DOSB sind selbständig für die deutsche Olympiamannschaft verantwortlich und werden die Athleten entsprechend beraten", sagte er. "Es kann nicht sein, dass einem Sportler nach abgeschlossenem Wettkampf nachträglich aus politischen Gründen die Medaille aberkannt wird. Das ist meine persönliche Meinung. Anders verhält es sich, wenn nachträglich zum Beispiel Verstöße gegen die Dopingbestimmungen festgestellt werden."

Die Teilnahme an der Eröffnungsfeier zum Beispiel sei jedem Athleten frei gestellt. Sollten sich nur sieben deutsche Team-Mitglieder dazu entschließen, ins Stadion einzumarschieren, dann müsse das die Teamleitung akzeptieren. "Ich glaube aber nicht, dass viele Sportler freiwillig verzichten, denn nach dem eigenen Wettkampf ist die Teilnahme an der Eröffnungsveranstaltung für die Sportler erfahrungsgemäß das Highlight der Spiele." Viele Sportler seien derzeit noch nicht einmal für die Spiele qualifiziert. "Die wollen in dieser Phase nicht gestört werden. Die meisten sagen: Wir freuen uns, dass der DOSB einen Boykott schon frühzeitig abgelehnt hat und sie damit Planungssicherheit bekamen."

Während Lütgert "Spiele, die eine kalte Perfektion haben", voraussagte, rückte das deutsche IOC-Mitglied vor allem die Athleten in den Mittelpunkt. Die Sportler seien schließlich die Hauptdarsteller. "Für sie sind die Spiele in erster Linie da. Die Athleten werden sich beim Wettkampf und im olympischen Dorf ihr eigenes Klima schaffen - und das wird schön."


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 19/05. Mai 2008, DOKUMENTATION IV-V
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2008