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POLITIK/274: Erstmals wird der Sport in einem EU-Vertrag verankert (DOSB)


DOSB Presse - Der Artikel- und Informationsdienst
des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Erstmals wird der Sport in einem EU-Vertrag verankert und gestärkt Deutscher Bundestag billigte den Reformvertrag von Lissabon

Von Holger Schück


Der Deutsche Bundestag hat am 24. April den Reformvertrag der Europäischen Union gebilligt. 515 Abgeordnete votierten dafür, 58 Parlamentarier dagegen. Damit wurde die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit deutlich übertroffen. Ratifiziert ist der Vertrag allerdings erst, wenn der Bundesrat am 23. Mai zustimmt und der Bundespräsident das Gesetz unterschreibt. Der Reformvertrag von Lissabon bringt entscheidende Verbesserungen für den organisierten Sport: Erstmals ist es gelungen, die Bedeutung des Sports in einem europäischen Vertragswerk zu verankern.

Im neuen Artikel 149 Abs. 1, der an den Wortlaut von Artikel III-282 des verworfenen Verfassungsvertrages angepasst wurde, heißt es: "Die Union trägt zur Förderung der europäischen Dimension des Sports bei und berücksichtigt dabei dessen besondere Merkmale, dessen auf freiwilligem Engagement basierende Strukturen sowie dessen soziale und pädagogische Funktion." Es handelt sich um eine Zuständigkeit für unterstützende Maßnahmen der EU. Immerhin wird mit der Formulierung klargestellt, dass für den Sport wegen seiner spezifischen kulturellen und sozialen Merkmale auch Ausnahmen von wettbewerbsrechtlichen Direktiven möglich sind. Somit wird der Sport als besonderer gesellschaftlicher Bereich akzeptiert und nicht mehr länger vornehmlich als Marktmedium bewertet.

Im selben Artikel (Abs. 2) setzt sich die EU ein neues Ziel: "Entwicklung der europäischen Dimension des Sports durch Förderung der Fairness und der Offenheit von Sportwettkämpfen und der Zusammenarbeit zwischen den für Sport verantwortlichen Organisationen sowie durch den Schutz der körperlichen und seelischen Unversehrtheit der Sportler, insbesondere der jüngeren Sportler". Damit wird die Verantwortung ausgedrückt, die Europa neben dem organisierten Sport und neben den Mitgliedsstaaten ausüben will. Formuliert wird also das gemeinsame Ziel, die sozialen, kulturellen und integrativen Potentiale des Sports zu fördern, aber auch den bedrohlichen Gefahren durch Doping, Gewalt und Rassismus entgegenzutreten. Diese "Fördermaßnahmen" sind, wie Abs.1 postuliert, "unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale des Sports" zu treffen und dürfen auf keinen Fall eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten bewirken. Dennoch: Die angedeuteten Herausforderungen sollten auf europäischer Ebene nachhaltig gelöst werden, weil de facto nationalstaatliche Einzelgänge, so wichtig und richtig sie auch sein mögen, im zusammenwachsenden Europa wenig Chancen auf durchgreifenden gesamteuropäischen Erfolg versprechen.

Die dritte Nennung des Sports: Artikel 2 e bezieht ausdrücklich den Sport in den Maßnahmenkatalog ein, der unter dieser Formulierung abschließend benannt wird: "Die Union ist für die Durchführung von Maßnahmen zur Unterstützung, Koordinierung oder Ergänzung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten zuständig. Diese Maßnahmen mit europäischer Zielsetzung können in folgenden Bereichen getroffen werden..." Bisher war die Aufgabe der EU auf dem Sektor des Sports weitgehend auf wirtschaftliche Aspekte eingegrenzt. Nunmehr soll eine unterstützende Rolle für die Mitgliedsstaaten bei sozialen, pädagogischen und kulturellen Aufgaben des Sports in den Zuständigkeitskatalog aufgenommen werden, ohne allerdings dabei die Mitgliedsstaaten einzuschränken. Die unterstützende Kompetenz, wie es sie auch für Gesundheitsfragen, Kultur und etwa Katastrophenschutz gibt, ist keine ausschließlich, geteilte oder koordinierende, sondern eine weitere Kompetenz.

Der Vertrag von Lissabon ändert den Vertrag über die Europäische Union und den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Damit der Reformvertrag, der keine neue Verfassung schreibt, wie geplant zum 1. Januar 2009 in Kraft treten kann, muss er in den 27 Mitgliedsstaaten der EU ratifiziert werden. Nur Irland beabsichtigt, mit einer Volksabstimmung direkt den Souverän zu befragen. Der Vertrag von Lissabon wurde am 18./19. Oktober 2007 in Brüssel verhandelt und schließlich am 13. Dezember 2007 von den Staats- und Regierungschefs unterzeichnet. Ausgearbeitet wurde er als Kompromiss-Variante, weil zuvor der geplante europäische Verfassungsvertrag gescheitert war. Nachdem 2005 die Mehrheit der Franzosen und Niederländer in Volksentscheidungen gegen eine Europäische Verfassung gestimmt hatten und daher eine Ratifizierung nicht möglich war, wurde eine neue Form der Grundlage gewählt: Bestehende Vertragswerke werden geändert. Dabei ist - nicht nur für den Sport - ein erhebliches Verbesserungspotential gelungen.

Die Europäischen Verträge sind bereits mehrfach geändert und fortentwickelt worden. In den achtziger Jahres des letzten Jahrhunderts war es die Einheitliche Europäische Akte. Es folgten sodann in den Neunzigern die Verträge von Maastricht und Amsterdam. Der Vertrag von Nizza, der im Dezember 2000 ausgehandelt wurde, brachte die letzte vollzogene Änderung.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 18/29. April 2008, DOKUMENTATION IV-V
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Mai 2008