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POLITIK/307: Vorbild Austria? - Die Dopinggesetzgebung in Deutschland und Österreich (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 19 / 5. Mai 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Vorbild Austria?

Die Dopinggesetzgebung in Deutschland und Österreich


(DOSB PRESSE) Die aktuellen Doping-Enthüllungen und die Festnahme von Hintermännern in Österreich legen Vergleiche im Hinblick auf die Ahndung von Dopingvergehen in Deutschland nahe. In einem aktuellen Beitrag für die DOSB-Presse überprüft der Münchner Jurist Dr. Dirk-Reiner Martens, Richter am Internationalen Sportgerichtshof (CAS) und Mitglied der ad-hoc-Kammer des CAS bei den Olympischen Spielen in Sydney (2000), Salt Lake City (2002), Athen (2004) und Turin (2006), die Leistungsfähigkeit der Dopinggesetzgebung und deren Bezug zur Dopingverfolgung der Sportselbstverwaltungen beider Länder.

Die Aufdeckung des Dopingskandals in Österreich hat die Debatte um das Fehlen eines deutschen Anti-Doping-Gesetzes neu entfacht. Dabei wird argumentiert, die in unserem Nachbarland erzielten Erfolge bei der Aufdeckung von Doping-Verstößen seien mit Mitteln der deutschen Gesetze nicht zu erzielen gewesen. Das ist - um im sportlichen Jargon zu bleiben erheblich zu kurz gesprungen:

Das Fehlen eines deutschen Gesetzes mit dem Titel "Anti-Doping-Gesetz" zu beklagen ist wenig hilfreich: nach deutschem wie nach österreichischem Recht (§§ 6a, 95 (1) 2a Arzneimittelgesetz bzw. § 22a Anti-Doping Bundesgesetz) stehen die Verbreitung und Verabreichung von Dopingmitteln unter staatlicher Strafandrohung, wobei selbstverständlich auch ein Athlet der Täter sein kann. Die in Österreich aufgedeckten Aktivitäten von Herrn Matschiner et al. wären also auch in Deutschland strafrechtlich relevant. Fraglich ist nur, ob die deutschen Strafverfolgungsbehörden über die sachlichen und personellen Mittel verfügen, um diese Straftaten mit dem selben Enthusiasmus zu verfolgen.

In Wahrheit geht es um die seit Jahren lebhaft geführte Diskussion um die Strafbarkeit des gedopten Athleten selbst. Nach langem Streit hat sich der deutsche Gesetzgeber im Jahre 2007 in Bezug auf den dopenden Sportler gegen eine allgemeine Besitzstrafbarkeit entschieden. Nur der Besitz von "nicht geringen Mengen" unterliegt der Strafdrohung nach § 6a Abs. 2a Arzneimittelgesetz. Damit geht der deutsche Gesetzgeber sogar weiter als der österreichische, der nur die Hintermänner, nicht aber den ("nur") dopenden Athleten selbst strafrechtlich verfolgt (verfolgen kann).

Es gibt gute Gründe für und wider eine staatliche Strafdrohung gegen dopende Sportler. Hierzu ist fast alles gesagt. Bei der Diskussion in der Vergangenheit sind aber die praktischen, eher nicht-juristischen Aspekte etwas zu kurz gekommen:

- Die Prävention/Abschreckung ist ein wesentliches Motiv für die Verankerung der Strafbarkeit eines als sozialwidrig empfundenen Verhaltens. Aber glauben wir wirklich, dass sich ein zum Doping entschlossener Athlet durch eine staatliche Strafdrohung eher von seinem Tun abhalten lässt als von einem zweijährigen sportrechtlichen Berufsverbot? Wer im heutigen Umfeld und nach der "Aufrüstung" im Dopingkampf zu (echten) Dopingmitteln oder -methoden greift, tut dies mit einer nicht unerheblichen "kriminellen Energie". Die Drohung mit einer eher theoretischen Gefängnisstrafe klingt zwar dramatisch. Es wird sich aber sehr schnell herumsprechen, dass Verfahren gegen "nur" dopende Athleten - soweit solche überhaupt in Gang kommen (siehe Ullrich) - nach vielen Monaten oder gar Jahren (bis dahin gilt die Unschuldsvermutung) entweder nach §§ 153, 153a StPO eingestellt oder - gegebenenfalls im Strafbefehlsverfahren - mit einer Geldstrafe enden.

Einer etwaigen staatlichen Strafdrohung steht gegenüber ein nach positiver A-Probe sofort einsetzender, weltweit gültiger Ausschluss von jeglichem sportlichen Wettkampf durch die sportrechtlichen Instanzen und damit von den Verdienstmöglichkeiten als Berufssportler. Im Gegensatz zum staatlichen Strafrecht muss der Athlet im sportrechtlichen Verfahren aufgrund des Prinzips der "strict liability" letztlich seine Unschuld beweisen. Vor diesem Hintergrund sei die Frage gestattet: Haben die staatlichen Strafverfolgungsbehörden wirklich nichts Wichtigeres zu tun, als in zeit- und kostenaufwändigen Verfahren den sportrechtlichen Sanktionen hinterher zu hinken?

- Auch das häufig verwendete Argument, die staatliche Strafdrohung würde die Athleten veranlassen, sich zu offenbaren, vermag nicht recht zu überzeugen. Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, dass viel eher die sportrechtliche "Kronzeugenregelung" mit der Möglichkeit einer erheblichen Reduzierung der Sperre den entscheidenden Anreiz bietet für das Auspacken.

Fazit: Im Ergebnis muss der Sport den Kampf gegen das Doping selbst führen, egal ob es ein deutsches Antidopinggesetz gibt oder nicht.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 19 / 5. Mai 2009, S. 4
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2009