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VEREINE/137: Neue Solidarität fußt auf Sockelbeitrag (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 43 / 21. Oktober 2008
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Neue Solidarität fußt auf Sockelbeitrag
FK-Vereine und DOSB suchen nach Kompromisslinien bei der Bestandserhebung

Von Hans-Peter Seubert


Passworte waren unstreitig: Einheitlicher Sockel- und Solidarbeitrag für alle. Transparenz. Servicecharakter. Differenzierung. Auf der Suche nach einer tragfähigen Solidargemeinschaft für die Mitgliedsbeiträge und die Mitglieder-Bestandserhebung im deutschen Sport übten Großvereine und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) beim Herbstseminar des Freiburger Kreises in Erlangen am 25. September gedeihliches Zusammenspiel. Gabriele Freytag, Leiterin der Führungsakademie des DOSB, Dieter Pfannemüller, stellvertretender Direktor Finanzen im DOSB, und die Vertreter der 168 Großvereine erkannten die Fliehkräfte, die seit Jahrzehnten am Melde- und Beitragssystem, das aus den fünfziger Jahren stammt, zerren. Was Unzufriedenheit über Ungerechtigkeiten der Mitgliedererhebung und Finanzströme nährt.

Problem erkannt, eine Arbeitsgruppe unter der Regie der Führungsakademie im DOSB entwickelt nun Lösungen, Modelle und Kompromisslinien. "Im Moment scheint der Druck sehr groß zu werden", spürte Diskussionsleiter Alexander Pfeiffer bei Dach- und Fachverbänden, Landesportbünden und Vereinen ernsthafte Bereitschaft zu Reformen. Viele Vereinsvertreter argumentierten, der Leidensdruck vor allem auf die Fachverbände müsse hochgehalten werden. Auf dem langen Marsch durch das fördereale Interessengestrüpp, in dem Auswüchse und Tricks wuchern, setzt Dieter Pfannemüller auf Dialog Konsens sowie neue Solidarität, die auf einem Sockelbeitrag für Verwaltung und vor allem Aus- und Weiterbildung fußt. Dieser solle für den DOSB, alle 16 Landesportbünde und die Fachverbände gelten, wie er zum Beispiel in Württemberg bereits praktiziert wird. Die Großvereine würden die Grundversorgung solidarisch mittragen. "Einheitlicher Beitrag für alle, das ist die Schlüsselfrage" spürt Klaus-Dieter Remberg, Vorsitzender des TV Jahn Rheine.

Die Auswüchse sind immens. Beispiel: Nordrhein-Westfalen: Dort prozessiert der Freizeitsportverband, der seine Mitglieder nicht den Fachverbänden meldet, um die Aufnahme in den Landessportbund. Mit Dumping-Beiträgen erkaufte sich der Verband für Modernen Fünfkampf 50.000 Mitglieder des Freizeitsportverbandes, der sich über diese Krücke im LSB-Plenum sitzt. Beispiel Hessen und Bremen: In diesen LSB ist die Gruppe der Sonstigen (Freizeit-, Gesundheitssportler) hinter den großen Fachverbänden Fußball und Turnen längst dritte Kraft. Deren Mitgliedsabgaben (drei Euro pro Nase) fließen zunächst in einen Fonds, der jedoch am Ende wieder die Fachverbände speist. Beispiel Fußball, der Beiträge nicht nach Köpfen sondern nach Mannschaften erhebt und es sich leisten kann die Gelder wieder voll auszuschütten an die Vereine. Beispiel Großvereine: Beim ASC Göttingen sind 3.000 der 8.000 Mitglieder "heimatlos", weil sie zu keinem Verband passen. SSF Bonn meldet aus diesem Grund 6.000 von 8.000 Mitgliedern nicht. Beispiel Deutscher Turner-Bund: Dort zahlen von fünf Millionen Mitgliedern lediglich drei Million Beiträge an den DTB. Und es finden sich noch unzählige Mogelpackungen, um Beitragsforderungen zu umgehen oder sich Abgaben ganz zu sparen. Jürgen Hering, Geschäftsführer von Sportspaß Hamburg (50.000 Mitglieder): "Wir könnten als Sportspaß ohne den LSB und ohne Verbände auskommen, wenn wir denn wollten, aber wir entziehen uns solidarischen Prinzipien nicht."

Die Reform soll, so Gabriele Freytag, die Vereine bürokratisch entlasten (keine Mehrfacherhebungen), verlässliche und ehrliche Grunddaten liefern, sowie Leistungen, Finanzstrukturen und Fördergelder offen legen. "Der Grundbeitrag, der den organisierten Sport trägt, soll erhalten bleiben." Sportpolitisch gelte es in einem verzwickten föderalen System Überzeugungsarbeit zu leisten für Verschiebungen der Besitzstände Entbürokratisierung und Handlungssicherheit. Für die Großvereine heißt die Leitlinie: Leistung gegen Leistung. FK-Vize Frank Kunert (Oldenburg): "Ganz wichtig sind die Finanzflüsse. Gerade die soziale Struktur macht ja die Qualität der Vereine aus."

Sönke Hansen, Geschäftsführer des VfL Pinneberg: "Es muss eine freiwillige Entscheidung bleiben, an welchen Verband wir melden. Die Fachverbände müssen auf uns zukommen. Die Fachverbände müssen versuchen, Bindungskraft zu erzielen. Zeigt uns Leistung, dann kommen wir." Meike Schramm, Geschäftsführerin der SSF Bonn: "Wenn das System zu teuer ist, dann zahl ich nicht mehr. Die Verbände müssen sich wieder mehr um die Vereine kümmern und nicht um sich selbst." Sönke Hansen: "Wenn ich als Verein nicht ordentlich arbeite, dann habe ich keine Mitglieder."

Alexander Pfeiffer nahm auch die Vereine in die Pflicht: "Wo sind wir eigentlich gefragt? Demokratie von unten, geeignete Vertreter in die Fachverbände, konstruktive Einflussnahme dort", lautete die Empfehlung des FK-Beiratsmitgliedes. Jörg Schnitzerling, Vorsitzender des ASC Göttingen, mag nicht warten, bis sich die Verbände bewegen: "Wir gehen auf die Fachverbände zu und versuchen die Sportarten anzubieten." Wer sich dann für neuen Angebote des Vereins interessiert, Dienstleistungsqualität und Service anbietet, erhält die Mitglieder. FK-Vorsitzende Silvia Glander (Ratingen) warnte vor einem Scheitern der Reform: "Wenn wir es jetzt nicht schaffen, dann werden das nicht mehr hinkriegen." Ihr wäre der Einheitsbeitrag an die LSB wichtig, die dann die Gelder je nach Leistung an die Verbände verteilen.

Der Freiburger Kreis hat einen Katalog erarbeitet, der die Grundversorgung der Vereine durch die Fachverbände beschreibt. Zum zweiten listet eine dreiseitige Stellungnahme, die er nun Landessportbünden und Verbänden zuschickt, nochmals Eckpunkte solidarischer Trägerschaft auf: Trennung zwischen Grundversorgung und Leistungsaustausch. Leistung und Gegenleistung. Meldeautonomie der Vereine. Meldung nicht wettkampfgebundener Mitglieder an einen ausgewählten Verband oder einen LSB. Klare Aufgabenzuweisung und Arbeitsteilung zwischen LSB und Fachverbänden (Ausbildung, Wettkampfsport). Kostendeckung nach dem Verursacherprinzip. Wettkampfsport finanziert sich selbst (Melde-, Startgelder, Sponsoren). Hochleistungssport finanziert sich aus Bundes-, Sponsoren und Fernsehgeldern. Lehrgangssystem finanziert sich aus Lehrgangsgebühren. Einfaches unbürokratisches Meldewesen: Ein Formular an eine Organisation. Vieles davon deckt sich mit den Intensionen der DOSB-Arbeitsgruppe.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 43 / 21. Oktober 2008, S. 26
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. November 2008