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BERICHT/024: Wegen Der Frage Die Nie Gestellt Werden Muss (SB)


Wegen Der Frage Die Nie Gestellt Werden Muss

Besprechung von 'Dunas', einer Choreographie von María Pagés und Sidi Larbi Cherkaou
5. - 7. Mai 2011 im Sadler's Wells Theatre London


von Britta Barthel


Die Bühne liegt in goldgelben Farben. Ein Sonnenuntergang könnte man meinen. Oder einzig eine warme Reflexion hellen Lichtes? In goldgelben Farben liegt sie und die Tücher, welche senkrecht von der Decke hängen und fast die ganze Breite der Bühne ausfüllen, fügen sich mit ihrer Sandfarbe und Tranzparenz weich in die Szenerie. Jedoch ist es nicht die reine Ästhetik, die diese Tücher so spannend macht. Ist diese Performance doch ein einziges Spiel aus Licht und Schatten, Nähe und Distanz, alles - wie soll es auch anders sein - erzählt in einer Symphonie atemberaubender Bewegungskunst mit der Impression der Wüste. So deutet es auch schon der Titel ihrer Arbeit an: 'Dunas', was aus dem spanischen übersetzt soviel wie Dünen oder Sandhügel heißt.

Zwei Künstler von Weltklasse treffen hier aufeinander. Die spanische Flamenco-Tänzerin und Choreographin María Pagés und der belgisch-marokkanische Tänzer und Choreograph Sidi Larbi Cherkaoui begegneten sich vor Jahren durch Zufall zum ersten Mal und setzten dies über einige Jahre in einer Art Tradition zufälliger Treffen überall auf der Welt von Berlin bis China fort, bis sie entschieden, ein gemeinsames Projekt zu starten. Genau dies war auch das Stichwort und der Startpunkt ihrer Arbeit: Gemeinsam. Es stand von Anfang an im Vordergrund, bestimmte den Weg und ließ alle anderen Aspekte erst folgen: Den zeitgenössischen Tanz, den Flamenco, die Medien und die Fusion.

Nun kann diese spezielle Kombination Vorahnungen wecken. Vorahnungen von einer erzwungenen Fusion zweier Tanzstile, zu viel Perfektion in der Größe der Künstler oder der Dominanz einer Welt über die andere.

Und tatsächlich nimmt der Flamenco doch eine sehr starke Rolle ein. Jedoch hat diese Dominanz wenig mit diesen Ahnungen zu tun. Die Performance beginnt und man ist drin. In einer Drittwelt. Diese Welt erzählt von Vielem. Sie erzählt von der Nähe und der Distanz, jedoch nicht unbedingt derer von Sidi Larbi und María. Viel mehr sind es die in der Bewegung, im Tanz und überhaupt. Sie erzählt von Ursprung und Tod. In einem Moment der kindlichen Schönheit wird eine Scheibe mit Sand an die Wand projiziert. Vor dieser tanzt María Pagés, die Frau mit den unendlichen Armen, ihren Flamenco. Und Sidi Larbi? Er malt, malt Bilder in den Sand. Es sind Kindergeschichten für Erwachsene, über den Kreislauf des Lebens, das 'Fressen und gefressen Werden' und die Frage an sich. Er malt im Duett mit ihrem Tanz und allein, als Geschichtenerzähler.

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Sidi Larbi Cherkaoui und María Pages
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Dann wieder sind sie vereint, als Tänzer, Künstler, sowie als Menschen. In atemberaubender Bewegung und umgeben von einem unglaublichen Schattenspiel, welches durch Tuch und Licht auflebt. Eine Symphonie ist es wahrlich, denn erleben wir hier formal gesehen durchaus ein Duett, geht der Tanz noch viel weiter. Er spricht mit den Musikern, die an den Seiten der Bühne ihren Platz haben und sie sprechen mit ihm, durch zauberhafte Musik, bei der in der Vielfalt der Assoziationen die Worte arabisch und spanisch nur zwei sind. Es ist keine Geschichte, nach der wir hier suchen. Denn man kommt gar nicht drauf. Es ist auch kein Stichpunkt oder reine Kommunikation oder Fusion. Es ist ein Gespräch und jeder Aspekt auf dieser Bühne ist an diesem Gespräch beteiligt. María Pages und Sidi Larbi Cherkaoui bestätigen dies, als sie erklären, daß es hier nicht um den Flamenco geht und auch nicht um den zeitgenössischen Tanz. Es geht auch nicht um die Fusion beider. Es geht um sie Beide. Es ist ihre Welt, in der sie sich als Künstler begegnen, ohne Plakette des einen oder des anderen, aber mit Historie und Künstlern, die sie aus ihren Welten mitbringen.

So kommt es dann, daß das Beeindruckendste an diesem Werk die eine Frage ist, die nie gestellt werden muss: "Worum geht es hier?" Denn bevor sie überhaupt gestellt wird, geschieht dies:

Man fühlt, man sieht und hört. Abstrahieren tut man schon lange nicht mehr.

Sadler´s Wells Theatre London - © 2011 by Schattenblick

Sadler´s Wells Theatre London
© 2011 by Schattenblick

6. Mai 2011