Schattenblick →INFOPOOL →THEATER UND TANZ → REPORT

INTERVIEW/014: Versuch über die Frau im Tanz - Melanie Holt im Gespräch (SB)


Was ist die Frau?

Die derzeitige Leiterin des "Tanzorchesters Suse Tietjen", Melanie Holt, im Interview mit dem Schattenblick
am 17. Mai 2013 im Hamburger Sprechwerk



Das "Tanzorchester Suse Tietjen" ist eine seit 2011 bestehende Tanzkompanie aus Hamburg, die seit ihrer Gründung jedes Jahr eine neue Produktion mit ihren derzeit 18 Tänzerinnen im Hamburger Sprechwerk zeigt. Die Gründerin Suse Tietjen, die derzeit in London Choreographie studiert, hat während ihrer Abwesenheit die Leitung der Kompanie an das bereits im letzten Stück choreographierende Gründungsmitglied Melanie Holt übergeben, die nun mit zwei weiteren Mitgliedern der Gruppe das neue abendfüllende Stück "Frauenzimmer" erarbeitete, das am 24. Mai 2013 im Hamburger Sprechwerk Premiere hatte.

In einem anschließenden Gespräch befragte der Schattenblick sie zur Entstehung der Idee, den Intentionen und dem Zwischenmenschlichen des Tanzorchesters, das hinter dem Stück "Frauenzimmer" steht.

Foto: © 2013 by Schattenblick

Melanie Holt
Foto: © 2013 by Schattenblick

SB: Wann wurde das Tanzorchester gegründet?

MH: Die Idee entstand schon sehr viel früher, aber das erste Stück war "Désir" im Jahr 2011. Momentan sind es 18 Tänzer inklusive der drei Choreographinnen, doch bei diesem Stück haben nur 16 mitgetanzt.

SB: "Frauenzimmer" ist die vierte Produktion des Tanzorchesters. An wie vielen hast du als Tänzerin und an wie vielen als Choreographin mitgewirkt?

MH: Als Tänzerin ist das meine dritte Produktion und als Choreographin meine zweite.

SB: Die Gründerin des Tanzorchesters, Suse Tietjen, ist ja gerade in London und studiert dort Choreographie. Hat sie trotzdem noch viel mit euch zu tun gehabt, auch choreographisch gesehen?

MH: Choreographisch nicht, ich möchte aber sagen, dass ihr Geist immer da ist. Obwohl sie jetzt weit weg ist, bleibt die Kompanie trotzdem noch ihr Baby und sie ist immer anwesend. Sie weiß eigentlich immer Bescheid, was alles choreographisch, aber auch zwischenmenschlich passiert ... sie hat da so ihre Fühler, die sie immer nach uns ausstreckt.

SB: Wer hat das Thema ausgewählt?

MH: Das ist durch die drei Choreographinnen entstanden. Das Thema hat sich einfach so ergeben, weil wir nun mal alle Frauen sind und uns gerade in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen befinden.

SB: Was war speziell bei deinem Stück die Intention? Was stand dahinter als Ausgangspunkt?

MH: Letztendlich ging es einfach um die Sinne und die Frage, was Weiblichkeit oder die Frau an sich, was Sinnlichkeit ausmacht. Teilweise gingen wir auch einfach von einem Sinn aus, wie beispielsweise dem "Tasten" und untersuchten und interpretierten, wie sich das in einer Frau zusammenfügt.

SB: War das gewollt, dass du die Tänzerinnen zwischendurch hast lächeln lassen und manchmal nicht?

MH: Ja, wobei ich es letztendlich ganz meinen Tänzerinnen überlasse. Ich kann ihnen schlecht etwas auferlegen, was sie gerade nicht fühlen. Es ist schon so, dass ich mir manchmal wünsche, dass sie an einer bestimmten Stelle lächeln, aber wenn es nicht kommt, dann kommt es nicht. Dann möchte ich auch nicht, dass sie es aufsetzen. Doch wenn es kommt, ist es schön und dann gehört es auch rein.

SB: Wie verläuft die Arbeit des Tanzorchesters? Probt ihr immer für ein Stück und arbeitet dabei dann nur improvisatorisch oder macht ihr auch Technikunterricht?

MH: Ich gestalte immer ein Warm-up, wobei das nicht wirklich technisch ist. Ich möchte keine Pliés und auch keine Tendus erklären, das können alle. Von daher geht es einfach nur um das Aufwärmen als solches. Reiner Technikunterricht findet bei uns nicht statt. Dann stellen wir einen groben Plan auf, wann wir eine Aufführung machen wollen und erarbeiten dementsprechend einen Probenplan, der relativ schnell fertig ist, sodass die Tänzerinnen sich darauf einstellen können. Zum Ende der Probenzeiten wird es natürlich sehr intensiv und es würde auch alles nicht funktionieren, wenn die Tänzerinnen nicht mit solcher Inbrunst dabei wären und ganz viel privat einfach sein lassen, um dabei sein zu können.

SB: Ihr seid ja auch sehr persönlich miteinander.

MH: Ja, es ist wie eine Familie und wir passen einfach alle zusammen, obwohl wir so unterschiedlich sind. Trotzdem ist es herzlich und es gibt keine Zickereien. Es ist einfach eine ganz tolle Atmosphäre, und ich glaube auch, dass ganz viele von den eher Schüchternen sich dadurch aufgehoben fühlen; das hoffe ich zumindest.

SB: Erarbeitet ihr das ganze Stück durch Improvisationen mit von den Tänzern integrierten Abfolgen?

MH: Wir arbeiten da recht unterschiedlich. Jamie hat in ihrem, dem ersten Stück, viel Bewegungsmaterial selbst vorgegeben. Bei meinem Stück ist es so, dass ich eine Idee hatte, wie ich eine Bewegung gerne hätte oder wie sie aussehen könnte und dann überlegte ich mir dazu eine Aufgabe, durch die dann die Bewegungen hervor gerufen wurden. Und dann kam der Prozess: improvisieren, ein bisschen festlegen, gucken, was zusammen passt - und dann beginnt das Gestalten.

SB-Redakteurin mit Melanie Holt im entspannten Gespräch auf der Bühne - Foto: © 2013 by Schattenblick

Melanie Holt im Gespräch mit dem Schattenblick nach der Premiere von "Frauenzimmer"
Foto: © 2013 by Schattenblick

SB: Mit was für Bildern hast du gearbeitet?

MH: Das ist ganz unterschiedlich, in der ersten Szene zum Beispiel, bei der wirklich alle auf der Bühne sind, sollten sie sich vorstellen, wie sie sich morgens im Badezimmer fertig machen, also der erste Blick in den Spiegel und was man dann macht. Das war ein Bewegungsbild. Oder ganz am Anfang des Stückes, da hatte jede einen ganz bestimmten Sinn, den sie verkörperte und danach ging dann der Fokus beispielsweise auf die Augen oder eben die Gefühle.

SB: Gibt es einen Tanzstil, dem ihr euch zuordnen würdet?

MH: Zeitgenössisch.

SB: Wisst ihr schon, wann die nächste Produktion stattfindet, meistens gibt es ja mindestens einmal im Jahr eine Aufführung von euch?

MH: Die letzten Male haben wir immer zwei Aufführungen im Jahr gehabt. Diesmal gibt es einige Zwischenprojekte. Die grobe Planung ist, dass wir im nächsten Jahr wieder ein abendfüllendes Programm machen und daneben die kleineren Projekte realisieren.

SB: Und wie lange probt ihr dann für ein Stück?

MH: Für diese Produktion haben wir seit Januar geprobt. Man kann also tatsächlich so drei bis vier Monate rechnen. Gefühlt könnte man natürlich immer länger proben, aber ich glaube, es gehört einfach zu diesem Prozess dazu, dass man ein bisschen Zeitdruck hat.

SB: Und sucht ihr für jedes Stück immer neue Tänzer?

MH: Natürlich gehen Leute und es kommen Leute dazu, doch die, die gehen, sind meist eine Minderheit.

SB: Und habt ihr eine maximale Anzahl von Tänzern, die ihr nicht überschreiten wollt?

MH: 18 ist schon so, dass man sagt "das kriegt man noch gut gehändelt". Ich glaube alles, was drüber ist, ist nochmal mal eine andere Herausforderung.

SB: Vielen Dank für das Gespräch.

4. Juli 2013