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INTERVIEW/031: Vegane Fronten - Tische ohne Fische ...    Valeska Diemel im Gespräch (SB)


The Black Fish - Kampf gegen illegale Fischfangpraktiken

Veganes Straßenfest in Hamburg-St. Georg am 5. September 2015


Die Ausbeutung der maritimen Ressourcen hat derart alarmierende Ausmaße angenommen, daß die industrielle Fischerei inzwischen zu den drängendsten ökologischen wie auch sozialen Problemen zählt. Mehr als 90 Prozent der weltweiten Bestände werden voll ausgebeutet oder sogar überfischt. Geschätzte 50 Prozent des in Europa verkauften Fisches stammen aus illegalen Fangpraktiken. Jede Sekunde werden über 800 Kilo Fisch auf illegale Weise gefangen. [1]

The Black Fish ist eine internationale Meeresschutz-Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die öffentliche Wahrnehmung für die maritimen Ökosysteme zu sensibilisieren und ihre einzigartigen Lebensformen zu schützen. Durch Forschung, Aufklärung und gewaltfreie, direkte Aktionen will sie illegalen und destruktiven Fischfangpraktiken ein Ende setzen und das Überleben der Artenvielfalt in den Ozeanen sichern. [2]

Die Organisation bezieht Freiwillige in alle Bereiche der Arbeit ein, bietet Training an und unterstützt all diejenigen, die sich aktiv in den Schutz maritimer Lebensräume einbringen wollen, mit dem Ziel, eine breite, öffentliche Bewegung aufzubauen. Beobachterteams dokumentieren auch unter Einsatz modernster Technologie illegale Praktiken und sammeln Beweise, die den zuständigen Behörden übergeben werden. Neben dieser Arbeit an der Küste und in Häfen werden auch Patrouillen zur See durchgeführt, um den Nachweis verbotener Fangmethoden zu erbringen und Gerät zu konfiszieren. Diese Kampagnen werden um Vortragsreisen ergänzt, auf denen die Problematik einer breiteren Öffentlichkeit vermittelt werden soll.

Auf dem Veganen Straßenfest war The Black Fish mit einem Stand vertreten und bot einen einführenden Vortrag zu den Zielen und Vorgehensweisen der Organisation an. Im Anschluß daran beantwortete die Referentin Valeska Diemel dem Schattenblick einige Fragen.


Tisch mit Logo (weißer Fisch vor größerem schwarzen Fisch) - Foto: © 2015 by Schattenblick

Valeska und Markus am Stand von The Black Fish
Foto: © 2015 by Schattenblick


Schattenblick (SB): Valeska, wie ist es dazu gekommen, daß du bei The Black Fish aktiv geworden bist?

Valeska Diemel (VD): Ich habe vor vier Jahren angefangen, für Sea Shepherd Deutschland zu arbeiten, und mich da sehr gerne und auch auf Kampagnen engagiert - das war wirklich eine gute Arbeit. Ich studiere jedoch Meeresbiologie und bin innerhalb des Studiums darauf gestoßen, daß Walfang zwar furchtbar ist und definitiv aufhören muß, aber jedes Jahr so viel mehr Wale einfach dadurch sterben, daß sie in Netzen hängenbleiben oder als Beifang zugrunde gehen. Daher habe ich mich vom Themenschwerpunkt her mehr auf illegale Fischerei eingeschossen. Auf einem gemeinsamen Event bin ich dann als Sea-Shepherd-Volontärin mit jemandem von Black Fish ins Gespräch gekommen und habe dabei erfahren, daß sie Interesse haben, ihre Arbeit auf Deutschland auszuweiten. Daraufhin habe ich gesagt, daß ich Lust hätte, dabei zu helfen. Und so habe ich gewissermaßen die Lager gewechselt.

SB: Ihr kämpft vor allen Dingen gegen illegale Fischerei. Wie würdest du illegale Fischerei definieren, welche Bereiche fallen darunter?

VD: Illegale Fischerei kann zum Beispiel bedeuten, daß in Regionen gefischt wird, wo das verboten ist, also in Schutzgebieten, oder daß Schiffe, die unter einer bestimmten Flagge fahren, in Gebieten fischen, zu denen sie eigentlich keinen Zugang haben. Es kann sich auch um illegale Methoden, also modifizierte Netze, unzulässige Maschenweiten, zu lange Netze oder auch Methoden, die grundsätzlich verboten sind, handeln. Hinzu kommt das Fangen geschützter Arten, wie einige Arten von Haien, die bedroht sind und deswegen durch Gesetze unter Schutz gestellt wurden. Und nicht zuletzt dürfen zu kleine Fische, die nicht die Mindestgröße erreicht haben, nicht gefangen werden. All das sind Umstände, die Fischerei illegal machen.

SB: Der illegale Fischfang untergräbt die Grundlage der Fischerei als solche. Erweisen sich dabei diejenigen, die eigentlich ein besonderes Interesse am Erhalt der Erwerbsgrundlage haben müßten, als die größten Räuber?

VD: Ja, das ist absolut richtig und das ist auch das Absurde daran. Wie in vielen anderen Bereichen stößt man auch hier auf die Unfähigkeit des Menschen, über einige wenige Jahre hinauszudenken. Diese kurzfristige Profitgier wirkt stärker als langfristiges und nachhaltiges Denken. Tatsächlich graben sich all diese Fischer, egal welcher Größe und egal von wo und wie sie fischen, ihre Lebensgrundlage selber ab. Man kann längst sehen, daß in zahlreichen Ländern viele Fischer aufhören, in diesem Beruf zu arbeiten, weil sie nichts mehr fangen, und in Regionen wie Afrika und Asien die Menschen große Probleme haben, weil sie sich nicht mehr ernähren können. Sie können nichts mehr fangen, und selbst die großen fischverarbeitenden Industrien stehen vor enormen Schwierigkeiten, an Fische zu kommen, die noch groß oder wertvoll genug sind. Entsprechend dehnen sie ihre Fanggebiete unablässig aus und verändern ihre Methoden dahingehend, immer weiter entfernt, immer länger und immer tiefer zu fischen. Gerade das funktioniert jedoch auf lange Sicht nicht, da auf diese Weise alles leergefischt wird und kein Nachwuchs mehr folgt. Dann ist es vorbei mit der Fischerei.

SB: Welche Folgen hat diese Art des Fischfangs für die kleine Küstenfischerei innerhalb Europas? Findet da ein Verdrängungsprozeß statt, bei dem die großen Konzerne die kleinen Betriebe ruinieren?

VD: Wir sehen die Veränderung, daß es immer weniger Fischereischiffe gibt, aber diese Schiffe immer größer werden. Die Anzahl sinkt, aber die Größe der Schiffe steigt, was bedeutet, daß eine Verschiebung von der kleinen, regional versorgenden Fischerei zu dieser globalen Massenversorgung, die wir auch bei anderen Tierprodukten sehen, stattfindet. Viele kleine Fischer müssen aufgeben, weil es sich nicht mehr rentiert. Mittlere Betriebe gibt es noch, da sie sich oft zusammenschließen, von größeren Firmen bezahlt oder subventioniert werden. Vor allem in Regionen, in denen das unmittelbare Überleben vom persönlichen Fischfang abhängt, wird das schlichtweg unmöglich gemacht durch riesige Supertrawler, die vor der Küstenregion vorbeiziehen, worauf die kleinen Fischer vor Ort die nächsten vier Wochen keinen Fisch mehr finden.

SB: Wie weit fahren die europäischen Fangflotten und konkurrieren sie dabei mit Flotten aus anderen Kontinenten?

VD: Sie operieren weltweit. Es ist eines der Kernprobleme, daß der größte Teil des Meeres niemandem gehört, aber von den stärksten Akteuren ausgeplündert wird. Es handelt sich um internationales Seegebiet außerhalb der Küstenzonen, weshalb die Verwaltung so schwierig ist und die gesetzlichen Grundlagen so schwer umgesetzt werden können. Im Prinzip gilt zwar internationales Recht, aber de facto ist es ein gesetzloser Raum. Wollen europäische Schiffe in anderen Weltregionen vor der Küste fischen, brauchen sie Genehmigungen. Es passiert jedoch immer wieder, daß Schiffe ohne Genehmigung fischen. Und so findet man in den internationalen Gewässern weltweit alle möglichen Nationen und Flaggen.

SB: Du hast in deinem Vortrag die Trägheit der Politik kritisiert, die Verbesserungen so schwer mache. Gibt es darüber hinaus möglicherweise eine klammheimliche Zusammenarbeit in der Weise, daß auf politischer Ebene gebremst wird, um die nationalen Interessen zu schützen?

VD: In vielen Ländern ist Korruption ein Riesenproblem, das geht auf der untersten Ebene bei der Küstenwache und den Fischereiinspektoren los und erstreckt sich bis hinauf zu Politikern, die über Fischereigesetze bestimmen. Das ist in einigen Ländern schlimmer als in anderen, aber Korruption und Lobbyismus sind in der Fischereiindustrie auf jeden Fall ein großes Problem.

SB: Du hast dargelegt, daß bestimmte Fangmethoden, würden sie beispielsweise bei der Jagd an Land praktiziert, niemals Akzeptanz fänden. Werden Fische deiner Erfahrung nach von der Mehrheit der Bevölkerung überhaupt als fühlende Wesen wahrgenommen?

VD: Es ist auf jeden Fall ein Problem, daß Fische weit weniger Empathie und Gefühle auslösen als andere Tiere, weil sie glitschig und kalt sind, diese großen Augen haben, auch keine Geräusche von sich geben, so daß man nie Videos wie von schreienden Kühen zu sehen bekommt, bei denen einem fast das Herz bricht. So etwas gibt es von Fischen nicht, weshalb sie auf Herzebene niemals dasselbe wie Wale erreichen können. Es ist daher eine Ebene, auf der zu argumentieren wesentlich schwieriger ist, obgleich Fische unbestreitbar genauso Streß und Schmerz empfinden wie andere Tiere auch. Inzwischen zeichnet sich diesbezüglich eine Veränderung in eine gute Richtung ab, aber man stößt auf jeden Fall auf einen Unterschied, wenn man mit Menschen, die schon einigermaßen sensibilisiert sind, über einen Fisch oder über eine Kuh spricht.

SB: Ihr seid in diesem Jahr auf dem Hamburger Veganen Straßenfest präsent. Nun könnte man die Frage aufwerfen, warum ihr gegen illegale Fischerei und nicht den Fischfang an sich oder den Fischverzehr kämpft. Siehst du darin einen Widerspruch?

VD: Nein, es ist der gleiche Kampf, den wir führen, weil man schlichtweg von einem Fisch, den man kauft, nie mit Sicherheit sagen kann, ob er legal oder illegal gefangen worden ist. Es ist unmöglich, das zurückzuverfolgen. Als Organisation sind wir komplett vegan, treten für Tierrechte ein und sagen: Nachhaltige Fischerei, auch wenn sie legal ist, gibt es in der Form, wie wir heute fischen, nicht. Dementsprechend lehnen wir Fischerei generell ab. Wir haben eben den Ansatz zu verlangen, daß die bestehenden Gesetze auch durchgesetzt werden sollten.

SB: Valeska, vielen Dank für das Gespräch.


Fußnoten:

[1] http://www.theblackfish.org/

[2] http://www.theblackfish.org/de/


Zum Veganen Straßenfest 2015 im Schattenblick:

BERICHT/011: Vegane Fronten - Nicht nur der Verzehr ... (SB)
https://www.schattenblick.de/infopool/tiere/report/trbe0011.html

BERICHT/012: Vegane Fronten - Der Pelzraub-Renaissance die Stirn bieten ... (SB)
https://www.schattenblick.de/infopool/tiere/report/trbe0012.html

INTERVIEW/029: Vegane Fronten - Heimstatt für verbrauchte Leben ...    Verena Delto im Gespräch (SB)
https://www.schattenblick.de/infopool/tiere/report/trin0029.html

INTERVIEW/030: Vegane Fronten - Gabelhumor ...    Der Graslutscher im Gespräch (SB)
https://www.schattenblick.de/infopool/tiere/report/trin0030.html

6. Oktober 2015


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