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TIERHALTUNG/463: Käfighaltung wird abgeschafft und bleibt doch erhalten (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 316 - November 2008,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Drei ist Drei - Käfig bleibt Käfig

Die Käfighaltung wird abgeschafft und bleibt doch erhalten.
Jetzt soll sie auch noch umbenannt werden

Von Marcus Nürnberger


Es ist ein altbekanntes Spiel, welches momentan zwischen Eierproduzenten und deren Lobbyvertretern, dem Handel und den Verbrauchern gespielt wird. Kurz zusammenfassen ließe es sich so: Die Kunden wollen keine Eier aus Käfighaltung, der Handel will den Kundenwünschen Rechnung tragen, sich profilieren und kündigt, zumindest in Teilen, an, ab Januar keine Käfigeier mehr anzubieten. Die Geflügelwirtschaft droht mit steigenden Preisen und hofft wiederum, beim Kunden Gehör zu finden.


Aber im Einzelnen

In keinem landwirtschaftlichen Bereich hat die Industrialisierung so massiv die Produktionsbedingungen bestimmt wie im Geflügelbereich. In Deutschland wurden 2007 insgesamt 41,4 Millionen Legehennen in Einheiten von durchschnittlich 25.000 Tieren gehalten.

Dass derartige Größenordnungen erreicht werden konnten hat maßgeblich die Käfighaltung, eine betriebswirtschaftlich rationalisierte Form der Tierhaltung, ermöglicht. Aber auch dem Hochleistungshuhn kommt eine entscheidende Rolle zu. Nur dank seiner Produktionswilligkeit, auch unter schlechten Bedingungen, auf engem Platz, ohne Federn, mit kupiertem Schnabel unter Dauerstress war diese Entwicklung denkbar.

Nachdem die Produktionsbedingungen öffentlich und das Tierleid sichtbar wurden, kam die industrielle Geflügelhaltung in Erklärungsnot. Den Kunden, so zeigt das Kaufverhalten, hat sie inzwischen verloren. Jedenfalls, wenn es um den direkten Eierkauf geht. Aber nur etwa die Hälfte der in Deutschland verbrauchten Eier werden direkt gekauft. Die andere Hälfte wird von der Nahrungsmittelindustrie verarbeitet und kommt versteckt in Nudeln bzw. Backwaren zum Endverbraucher. 90 Prozent dieser Eier stammen aus Käfighaltung. Eine Möglichkeit, die Herkunft dieser Eier nachzuvollziehen, besteht nicht.


Das Aus für den Käfig?

Auf Grundlage der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung ist die Käfighaltung in Deutschland noch bis Ende 2008 erlaubt. Auf Antrag ist eine Verlängerung um ein Jahr möglich. Ende 2009 wird die Käfighaltung in Deutschland aber nicht beendet sein. Der herkömmliche Käfig wird von einem Käfig für Kleingruppen, der Kleinvoliere, abgelöst. Die Befürworter innerhalb der Geflügelwirtschaft argumentieren mit den überzeugenden Verbesserungen. So sei das Platzangebot von 550 cm² auf 800 cm² Fläche pro Tier gestiegen, außerdem gebe es Sitzstangen und Nester. Auch der Deutsche Bauernverband (DBV) sieht in dem neuen Käfig einen neuen "Maßstab beim Tierschutz" erreicht. Man sei Vorreiter, "da EU-weit die Abschaffung der Käfighaltung erst ab 2012 geplant ist." An der Ladentheke bleibt aber, sehr zum Missfallen der Geflügelwirtschaft, alles beim Alten. Die individuelle Eierkennzeichnung sieht auch für Eier aus dem als Kleinvoliere bezeichneten neuen Käfig die "3" für Eier aus Käfighaltung vor. In die Offensive gegangen ist jetzt die deutsche Vereinigung der Geflügelwissenschaftler, eine Lobbyvereinigung der Geflügelwirtschaft. Mit einem neuen Logo sollen in Zukunft Eier "aus tiergerechten Haltungsformen" gekennzeichnet werden. Wie sich die Kriterien einer tiergerechten Haltungsform definieren, konnte der Verantwortliche, Dr. Behr, nicht formulieren, bringt aber das eigentliche Ansinnen auf den Punkt: " Drei ist aus Sicht der Wissenschaft nicht gleich Drei, weil das nicht fair ist." Frau Dassé vom deutschen Tierschutzbund hat für das geplante Siegel kein Verständnis: "Aus unserer Sicht ist das Verbrauchertäuschung! Ein Siegel auf der Grundlage gesetzlicher Vorgaben bringt keinerlei Mehrwert", kommentiert sie.


Entwicklungen vorgezeichnet

Für welche Produktionssysteme sich die Geflügelwirtschaft in Zukunft entscheidet ist schon jetzt bekannt. Alle Halter mussten, soweit sie von dem Verbot der Käfighaltung betroffen waren, bis Ende 2006 ein Betriebsentwicklungskonzept vorlegen. In einem ersten Überblick zeigt sich, dass die Halter in Rheinland-Pfalz und Thüringen in der Mehrzahl hin zur Bodenhaltung wechseln werden. Während in Niedersachsen, einer Hochburg der Hennenhaltung, der ausgestaltete Käfig Einzug halten wird. Dies schlägt sich auch in der aktuellen Politik wieder. Niedersachsens Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen genehmigte gerade ein Haltungssystem Kleinvoliere mit reduziertem Platzangebot. Entgegen den bundesweiten Vorgaben will Niedersachsen als einziges Bundesland das vorgeschriebene Legenest in die "uneingeschränkt nutzbare" Fläche pro Henne einrechnen. Pro Henne bedeutet das 90 cm² weniger Fläche. Auch Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk sieht für sein Bundesland einen besonderen, jedoch gänzlich anderen Weg. Mit der Werbekampagne "Drauf 08ten!" soll die Herkunft aus Baden-Württemberg betont werden. Alle so vermarkteten Eier werden in Boden-, Freiland- oder ökologischer Haltung erzeugt.


3 ist ein Käfigei

Für die Geflügelwirtschaft ist der neue Käfig kein wirklicher Neuanfang. Vor allem hilft er ihr nicht aus ihrer Defensive gegenüber den Verbrauchern, weshalb versucht wird, über das Bundeslandwirtschaftsministerium die Eiervermarktungsrichtlinie der EU zu ändern und neben der 3 für Käfigeier noch eine weitere Zahl, vielleicht die 4, für Eier aus dem ausgestalteten Käfig einzuführen. Spätestens jedoch, wenn 2012 die herkömmlichen Käfige europaweit verboten sein werden, wäre allerdings auch die 3 wieder frei. In historischer Folge könnte spätestens dann das Ei aus dem ausgestalteten Käfig eindeutig gekennzeichnet werden.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 316 - November 2008, S. 6
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2008