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TIERHALTUNG/649: Artgemäße Auslaufhaltung von Kaninchen (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 4/2014
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

PROVIEH fordert artgemäße Auslaufhaltung von Kaninchen

Von Amira Zaghdoudi


Kaninchen zählen zu den wenigen Tierarten, die sowohl als Haus- wie auch als Nutztier eingesetzt werden. In Europa werden jährlich über 800 Millionen Kaninchen verzehrt. Deutschland ist mit 30 Millionen Kaninchen pro Jahr beteiligt, welche in Käfigen unter unwürdigen Bedingungen gemästet werden. Bis auf wenige Ausnahmen werden Kaninchen zur Fleischproduktion in Deutschland ausschließlich in einem intensiven Mastsystem aufgezogen. Ihre arttypischen Verhaltensweisen können sie dort nicht ausleben. Kaninchen sind Weidetiere und ständig auf Futtersuche - dafür legen sie auch weite Strecken zurück. Sie suchen dabei nach verschiedenen Blättern, Gräsern, Kräutern, Disteln und Rinde. Ihr Sozialverhalten basiert auf dem Leben in Kolonien, wo sie nie dauerhaft alleine sind. Gegenseitige Körperpflege und Anschmiegen unterstützen den Gruppenzusammenhalt und wenn sie sich rundum wohlfühlen, spielen sie miteinander.


Kaninchen in der Intensivhaltung

Kaninchenbetriebe sind meist spezialisiert. Seit kurzem sind Zucht und Mast in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) gesetzlich geregelt, aber die neuen Mindestanforderungen sind aus Tierschutzsicht immer noch mangelhaft und für Altanlagen besteht überdies eine Übergangsfrist von bis zu zehn Jahren.

Geschlossene Systeme, in denen Rammler, Zuchthäsinnen und Masttiere gehalten werden, sind selten. Die Jungtiere werden nach der Trennung von der Mutter in andere Mastanlagen transportiert.

Zuchtrammlern und Zuchthäsinnen, welche grundsätzlich ein Leben lang isoliert gehalten werden, steht laut Haltungsverordnung je nach Gewicht lediglich eine Fläche von 6000-6800 Quadratzentimetern zur Verfügung; das entspricht einer Fläche von rund zehn DIN A4 Blättern. Zuchthäsinnen sollen durch zahlreiche künstliche Besamungen im Jahr möglichst viele Junge bekommen. Laut Gesetz darf die Häsin bereits 11 Tage nach der Geburt der Jungen erneut besamt werden. Zu verantworten wären aber höchstens sechs bis acht Belegungen pro Jahr. Zuchthäsinnen werden auf maximale Wurfgrößen gezüchtet. Bei nur 8-12 Zitzen und gleichzeitigen Wurfgrößen von bis zu 24 Jungtieren ist eine hohe Sterblichkeit durch zu geringe Milchaufnahme vorprogrammiert und mit einkalkuliert. Die Jungtiere werden 30 Tage nach der Geburt von der Mutter getrennt und damit auch zwei bis drei Wochen früher als es naturgemäß der Fall ist. Da die Häsinnen ständig entweder trächtig sind oder ein Maximum an Jungen säugen, sind sie nach ein bis eineinhalb Jahren ausgelaugt und werden geschlachtet. Der "Austausch" durch neue jüngere Häsinnen ist lukrativer, als die Pflege der "alten" Häsinnen.

Die TierSchNutztV sieht für die geschlechtergetrennt gehaltenen Mastkaninchen je nach Gruppengröße pro Tier nur 700 bis 1500 Quadratzentimeter Bodenfläche vor. Dies entspricht bei Gruppen mit über 25 Tieren gerade einmal der Größe eines DIN A4 Blattes pro Tier. Hinzu kommt noch eine kleine erhöhte Bodenfläche. Besonders unter den Männchen, die mit zwei Monaten mehr und mehr in die Geschlechtsreife kommen, kommt es zu natürlichen Rangordnungskämpfen, bei denen sie sich in den beengten Käfigen erhebliche Verletzungen zuziehen.

Bei allen Tieren führen fehlende Rückzugsmöglichkeiten zu permanentem Stress. Grundsätzlich kommen Käfiganlagen zum Einsatz. Durch die perforierten Käfigböden (derzeit häufig noch aus Draht) fällt Kot und Harn auf darunterliegende Förderbänder, was für beißenden Fäkalgeruch in der Atemluft sorgt. Die Käfigausstattung und Haltungsenge führt zu Geschwüren an den Pfoten und zu Verkrümmungen der Wirbelsäule. Durch eine körner- und sojalastige Fütterung gewinnen die Tiere schnell an Gewicht. Dieses Futter ist unnatürlich und macht die Tiere krank. Durch das minimale Platzangebot und das zusammengepresste Futter wird ihr Drang nach Nahrungssuche nicht befriedigt. In der für ein Kaninchen sehr reizarmen Umgebung kommt es zu einer Vielzahl von Verhaltensstörungen wie Kannibalismus, Gitternagen, Unruhe und einem gestörten Nestbau- und Säugeverhalten. Zu hoffen ist, dass die Betriebe schnellstmöglich die TierSchNutztV umsetzen und den Tieren zumindest ausreichend Raufutter und Beschäftigungsmaterial anbieten. Nach gerade einmal 90 Lebenstagen oder weniger werden die Tiere stundenlang in Käfigen zum Schlachthof transportiert und aufgrund von Fehlbetäubungen teils unbetäubt geschlachtet.

Kaninchen können unter keinen Umständen in der Massenproduktion artgemäß gehalten werden. Die Intensivhaltung in Käfigen ist grundsätzlich abzulehnen. PROVIEH fordert eine gesetzlich festgelegte artgemäße Auslaufhaltung von Kaninchen im In- und Ausland. Wenn Sie auf Kaninchenfleisch nicht verzichten möchten, ist es wichtig beim Kauf nach der Haltungsart zu fragen und beispielsweise auf Bio-Fleisch zurück zu greifen.

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 4/2014, Seite 36-37
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
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Schutzgebühr: 2 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juli 2015

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