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TIERHALTUNG/679: Aquakultur - eine neue Form der Massentierhaltung (tierrechte)


tierrechte 2.16 - Nr. 75, Mai 2016
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V

Aquakultur - eine neue Form der Massentierhaltung


Fischzucht in Flüssen und künstlich angelegten Gewässern gibt es schon seit Jahrhunderten. Seit den 1970er Jahren hat sich jedoch eine Erzeugung von Fischprodukten im industriellen Maßstab etabliert. Keine andere Lebensmittelbranche hatte in den vergangenen Jahrzehnten höhere Zuwachsraten - mit massiven Auswirkungen für Mensch, Tier und Umwelt.


Sie werden in Zuchttanks an Land, in küstennahen Netzgehegen und auch "offshore" im offenen Meer gehalten: Fische, Garnelen, Muscheln und andere sogenannte "Meeresfrüchte". Ob Pangasius, Atlantischer Lachs, Regenbogenforelle, Goldbrasse, Seebarsch, Karpfen oder Europäischer Aal - mittlerweile werden fast alle Fischarten gezüchtet. Laut FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, stammt bereits heute fast jeder zweite Fisch, der weltweit konsumiert wird, aus Aquakultur.


Profit auf Kosten der Tiere

Die größten Zuchtfarmen befinden sich in Asien und Südamerika. Asien bringt es mit China auf 89 Prozent der Weltproduktion. In Europa, wo vor allem Lachse, Karpfen, Regenbogenforellen und Aale gezüchtet werden, ist Norwegen mit ca. 1 Mio. Tonnen größter Produzent von Zuchtfischen. Um den Gewinn zu maximieren, werden die Tiere mit viel zu hohen Besatzdichten gemästet. Die Gehege sind unstrukturiert. Die Tiere haben wenig Raum, um sich zu bewegen, auszuweichen und um sich zu verstecken. Die Folgen sind Verletzungen, Verhaltensstörungen, Missbildungen und Dauerstress. Die Fische leiden zudem oft an Infektionskrankheiten, ausgelöst durch Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten. Um die Tiere bis zur Schlachtreife am Leben zu erhalten, werden massiv Antibiotika und Pestizide eingesetzt, was die Entwickelung von gefährlichen Resistenzen fördert. Besonders in den Entwicklungsländern überleben viele Fische den Transport zum Schlachthaus nicht, da sie in den überfüllten Transportbehältern ersticken. Die Übrigen werden meist ohne oder mit unzureichender Betäubung geschlachtet. Die meisten Fische auf deutschen Tellern kommen aus dem Ausland, wo es kaum gesetzliche Haltungsregelungen gibt. So sind in Vietnam, dem Hauptproduzenten von Pangasius, 60 bis 80 Fische pro Kubikmeter die Regel.


Gravierende Folgen für die Umwelt

Bei der Erschließung neuer Flächen für die Fischzucht nimmt die Industrie keine Rücksicht auf vorhandene Ökosysteme. Die Abwässer werden oft ungefiltert in die Flüsse geleitet. Der Nährstoffüberschuss durch Futterreste, Ausscheidungen und tote Fische schädigt oder zerstört die umliegenden Biotope. Folgen sind ein Artenrückgang sowie die teils explosionsartige Vermehrung giftiger Algen. Der Faulschlamm, der sich um die küstennahen Meereskäfige ablagert, macht die Küstenhabitate für einheimische Pflanzen und Tiere unbewohnbar. Nach einer Studie der Vereinten Nationen ist die Aquakultur eine der Hauptursachen für die Zerstörung der Mangrovenwälder.


Gefahr durch invasive Arten

Weltweit entkommen Millionen von Fischen aus den Zuchtanlagen. Dabei handelt es sich oft um exotische Arten, die in der natürlichen Umgebung nicht vorkommen, wie beispielsweise der Lachs in Chile. In der Folge konkurrieren sie mit einheimischen Arten um Nahrung und Lebensraum. Entkommene Raubfische bedrohen besonders die Jungtiere der heimischen Arten. Es kann zudem zu Kreuzungen mit Wildfischen kommen, was zum Aussterben der Wildformen führen kann. Unkalkulierbar sind auch die Risiken, die von zunehmend eingesetzten genmanipulierten Zuchtfischen ausgehen. Auch die Übertragung von Krankheiten, Parasiten und resistenten Erregern durch die Zuchtfische stellt eine Gefahr für die heimischen Arten da. Zudem verfangen sich die natürlichen Fressfeinde der Zuchtfische, wie Seelöwen, Haie und Vögel, regelmäßig in den Netzen oder werden gejagt.


Überfischung: Aquakultur verschärft das Problem

Die Aquakultur trägt auch zur Überfischung bei. Von der weltweiten Gesamtfangmenge an Fischen wird rund ein Drittel zu Fischmehl bzw. Fischöl verarbeitet. Dieses wird zum Großteil in der Aquakultur verfüttert. Besonders problematisch sind karnivore Fischarten wie der Atlantische Lachs, denn für das Schlachtgewicht eines Raubfisches wird ein Vielfaches an wild lebendem Fisch aus den Meeren in Form von Fischmehl oder -ölen verfüttert (2,5 bis 5 kg wild lebender Fisch für 1 kg Lachs). Eine zusätzliche Gefahr für die wild lebenden Fische ist, dass Jungfische für die Aquakultur der Natur entnommen werden, da die Nachzucht oft schwierig ist.


Verstöße gegen Menschenrechte

In einigen Ländern kommt es im Zuge der Aquakultur-Produktion auch zu Verstößen gegen Menschenrechte. Anwohner werden von ihrem Land vertrieben und leiden unter den eingesetzten Antibiotika und Pestiziden. Durch das Sterben der einheimischen Meerestiere wird der Bevölkerung vor Ort zudem die Lebensgrundlage entzogen. Bei Tauchgängen kommen an den Lachsfarmen jedes Jahr Menschen ums Leben, weil an Sicherheitsvorkehrungen gespart wird.


Wege aus der Aquakultur

Wie bei der Massentierhaltung von Landtieren wird auch in der Aquakultur auf die Leidensfähigkeit von Fischen keine Rücksicht genommen. Die Tiere werden unter artfremden Bedingungen gehalten, können ihre natürlichen Bedürfnisse nicht ausleben und leiden bei Transport und Schlachtung. Zwar wird derzeit an umweltschonenden Aquakultursystemen geforscht, solange jedoch der Preis bei vielen Kunden das einzige Kaufargument bleibt, wird sich an der gängigen Praxis wenig ändern. Aus ethischen Gründen sowie zum Schutz der Ökosysteme sollte auf den Konsum von Fisch und Meeresfrüchten grundsätzlich verzichtet werden.

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Quelle:
tierrechte 2.16 - Nr. 75/Mai 2016, S. 7
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
eMail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de
 
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Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juni 2016

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