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GEFAHR/150: Ein gar possierlich Wesen - Feldhamster in großer Gefahr (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 195 - Dezember 2016 / Januar 2017
Die Berliner Umweltzeitung

Ein gar possierlich Wesen
Der Feldhamster ist Wildtier des Jahres 2016 - und in großer Gefahr

Von Marina Körner


Der Feldhamster ist - oder besser war - eines der bekanntesten Kleintiere Deutschlands. Doch seine Lage ist dramatisch: Der kleine Nager stirbt in Deutschland aus, befürchten Naturschützer und andere Experten. "Es ist kurz vor ultimo", sagt der Biologe Peer Cyriacks von der Gesellschaft für Wildökologie und Naturschutz.

In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gibt es nach den jüngsten Zahlen des Bundesamts für Naturschutz schon lange keinen einzigen Feldhamster mehr. In Nordrhein-Westfalen seien die Feldhamster erst kürzlich ausgestorben, sagt Cyriacks, Baden-Württemberg werde bald folgen. Die Zahl der verbliebenen Hamster in dem Bundesland schätzt er auf unter 100, bundesweit sollen es nicht mal mehr 100.000 sein.

Mit der Vergabe des Titels - nach 1996 bereits zum zweiten Mal - will der Verein auf die akute Bedrohung des Lebensraums der Tiere aufmerksam machen. Durch intensive Landwirtschaft ist das Leben des Hamsters bedroht wie nie. Typische lebensnotwendige Gewohnheiten kann er nicht mehr ausüben, zusätzlich setzt ihm der in der konventionellen Landwirtschaft übliche Chemiecocktail zu.

Einzelgänger mit Vorratshaltung

Der Feldhamster (lateinisch Cricetus cricetus), Europas einzige heimische Hamsterart, stammt ursprünglich vom Syrischen Goldhamster ab. Sein Verbreitungsgebiet reicht von Belgien über Mitteleuropa bis hin nach Osteuropa und China. In Deutschland ist der Feldhamster vor allem in Mitteldeutschland, zwischen Hessen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sowie im nördlichen Bayern verbreitet, kleinere Verbreitungsgebiete existieren in Nordrhein-Westfalen und Südsachsen.

In seinem Bau bewahrt der Hamster sein Futter auf, hauptsächlich Getreide, Gräser, Kräuter und manchmal Insekten. Von Oktober bis April hält er fest Winterruhe. Dafür bereitet er sich ausreichend vor, indem er große Vorräte von Körnern und Samen anlegt. Dies ist ihm möglich durch seine sehr dehnbaren Hamsterbacken, mit denen er große Mengen an Futter transportieren kann. Somit kann er sich in seinem Bau Vorräte anlegen.

Da der Hamster Einzelgänger ist, treffen Männchen und Weibchen nur zur Paarungszeit im Sommerhalbjahr aufeinander. Die Jungen werden schon nach 20 Tagen geboren, weibliche Hamsterjunge werden noch im selben Jahr geschlechtsreif und können sich mit etwas Glück schon fortpflanzen. Früher konnten die Weibchen drei Mal im Jahr sechs bis zehn Junge werfen. Diese Zahl wird aufgrund der schlechten Lebensbedingungen nicht mehr erreicht.

Feldhamster erreichen eine Kopf-Rumpf-Länge zwischen 20 und 34 Zentimetern. Das Gewicht eines Tieres kann zwischen 200 und 650 Gramm variieren. Hamster können bis zu vier Jahre alt werden. Ihr Fell ist braungrau mit weißen Punkten, die Unterseite ist oft schwarz. Nur in Thüringen gibt es auch Hamster mit komplett schwarzem Fell.

Weil Feldhamster ihren Bau auf dem Acker anlegen und sich meist von den dortigen Vorräten ernähren, erschwert die immer intensivere Agrarwirtschaft ihre Nahrungssuche. Wenn der Acker abgeerntet ist, bieten die abgeschnittenen Getreidestängel dem Hamster auch keinen Sichtschutz mehr vor natürlichen Feinden wie dem Fuchs. Auch Nahrung ist für ihn dann schlecht zu finden. Er muss also schnellstmöglich umziehen. In der Intensivlandwirtschaft rückt der Erntetermin allerdings immer weiter vor, sodass der Feldhamster nach dem Aufwachen aus der Winterruhe oft nicht mehr genügend Nahrung findet. Auch der Einsatz von Pestiziden und immer effizienteren Maschinen führt dazu, dass es gesundheitlich um den Hamster schlecht steht. Damit nicht genug, macht die zunehmende Bodenversiegelung dem Feldhamster zu schaffen, weil er oft einfach keinen Bau mehr graben kann.

Hamstergerechte Umsiedlung

In Hessen hat die Arbeitsgemeinschaft Feldhamsterschutz ein Programm aufgelegt, mit dem der Feldhamster gezielt geschützt werden soll. Die Experten versuchen die Landwirtschaftsbetriebe davon zu überzeugen, sich am Schutz des Feldhamsters zu beteiligen, und bieten Beratung an, wie man in einem Feldhamstergebiet Landwirtschaft betreiben kann, ohne die Population zu schädigen. Mit dem Fachwissen ihrer Mitglieder kann die Arbeitsgemeinschaft vor allem bei Ausgleichsmaßnahmen Hilfestellung leisten.

Bei einem größeren, relativ schwerwiegenden Eingriff in eine Hamsterpopulation empfehlen die Experten zum Beispiel mehrere Kompensationsmaßnahmen, die die Nager dazu bringen sollen, von einer Fläche auf eine andere, hamstergerecht gestaltete zu siedeln. Für eine generell hamsterfreundlichere Landwirtschaft schlägt die Arbeitsgemeinschaft vor, dass Schutzstreifen angelegt werden, die unbearbeitet bleiben. Des Weiteren unterstützt sie den grundsätzlichen Verzicht auf Nagetiergifte und eine etwas spätere Ernte, die an die Winterruhe der Hamster angepasst ist.

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Quelle:
DER RABE RALF
27. Jahrgang, Nr. 195, Seite 14
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2017

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