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VÖGEL/1022: Stieglitz ist Vogel des Jahres 2016 (NABU)


Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V. - Pressedienst, 8. Oktober 2015

NABU und LBV: Stieglitz ist Vogel des Jahres 2016

Botschafter für mehr Artenvielfalt in Agrarräumen und Siedlungsbereichen


Berlin/Hilpoltstein - Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und sein bayerischer Partner, der Landesbund für Vogelschutz (LBV), haben den Stieglitz (Carduelis carduelis) zum "Vogel des Jahres 2016" gewählt. Auf den Habicht, Vogel des Jahres 2015, folgt damit ein Singvogel, der zu den farbenfrohesten Vögeln Deutschlands zählt. Der auch Distelfink genannte Stieglitz steht für vielfältige und farbenfrohe Landschaften, denn er ernährt sich vornehmlich von den Samen zahlreicher verschiedener Blütenpflanzen, Gräser und Bäume. Bunte Landschaften mit ausreichend Nahrung gibt es jedoch immer weniger, daher ist der Bestand des Stieglitzes in Deutschland in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen.


Stieglitz auf blühender Blume, von hinten fotografiert, der Kopf ist zur Seite gedreht - Foto: © Frank Derer

Foto: © Frank Derer

"Allein in der Agrarlandschaft sind seit 1994 fast 90 Prozent aller Brachflächen mit ihrer heimischen Artenvielfalt verloren gegangen. Auch Randstreifen mit Blumen und Wildkräutern an Feldern und Wegen werden immer weniger und artenärmer. Im Siedlungsraum verschwinden wildblumenreiche Brachflächen, öffentliches und privates Grün wird zu intensiv gepflegt, Wildkrautvielfalt gar weggespritzt. Für unseren Jahresvogel wird es in Deutschland inzwischen eng", sagte NABU-Vizepräsident Helmut Opitz. Es gebe viele Möglichkeiten, den Lebensraum des farbenfrohen Finken zu erhalten. Schon kleine unbelassene Ecken in Gärten, an Sport- und Spielplätzen, Schulen, Ackerflächen oder Straßenrändern trügen dazu bei.

"Überregional kann nur eine Reform der bestehenden EU-Agrarverordnungen und -Förderinstrumente den Verlust landwirtschaftlicher Brachflächen stoppen. Aber auch in Städten und Gemeinden werden Konzepte benötigt, damit es mehr Wildnis am Straßenrand und auf grünen Flächen gibt", sagte der LBV-Vorsitzende Norbert Schäffer. Auch private Gärtner können sich für den Erhalt von Lebensräumen des Stieglitzes einsetzen. Das Anlegen von Blühflächen mit heimischen Wildkräutern sowie Obstbäumen und der Verzicht auf Pestizide helfen dem zierlichen Finken.


Stieglitz im Winter auf verschneiter Diestel, von der Seite fotografiert - Foto: © Andreas Hartl

Foto: © Andreas Hartl

Der Bestand des Stieglitzes hat in Deutschland laut den Daten des Dachverbandes Deutscher Avifaunisten von 1990 bis 2013 um 48 Prozent abgenommen. Offizielle Schätzungen gehen derzeit von 305.000 bis 520.000 Brutpaaren in Deutschland aus. Stieglitze leben sowohl auf dem Land als auch in Siedlungen, solange es einen geeigneten Brutplatz und genug Nahrung gibt. Diese findet er an Acker- und Wegrainen, auf Brachen oder in Parks und Gärten. Knapp 60 Prozent des bundesweiten Bestandes leben im Siedlungsraum, die restlichen 40 Prozent in der Agrarlandschaft.

Wie alle Vertreter der Gattung Carduelis haben auch Stieglitze eine schlanke Gestalt mit einer Körperlänge von zwölf bis 13 Zentimetern. Unverwechselbar leuchtet ihre rote Gesichtsmaske auf dem ansonsten weiß und schwarz gefärbten Kopf. Rücken und Brust sind hellbraun, Bauch und Bürzel weiß gefärbt. Markant ist auch die gelbe Flügelbinde an den ansonsten schwarzen Flügeln. Ihr typischer Ruf brachte ihnen auch ihren deutschen Namen ein. Am häufigsten ertönt ein helles, zwei- bis dreisilbiges "didelit" oder "didlilit" oder eben "stiglit". Vor allem im Spätsommer und Herbst ist der Stieglitz oft auf Disteln, Kletten und Karden anzutreffen, aus denen er geschickt die Samen herauspickt. Dieser Vorliebe verdankt er auch den Zweitnamen Distelfink. Zudem sind Stieglitze überaus gesellig. Sie fliegen im Schwarm auf Nahrungssuche und leben selbst zur Brutzeit in lockeren "Wohngemeinschaften" mit anderen Paaren.


Zwei gegeneinander fliegende Stieglitze - Foto: © rspb-images.com/Laurie Campbell

Foto: © rspb-images.com/Laurie Campbell

Gleichzeitig mit der Verkündung des "Vogel des Jahres" starten der NABU und der LBV die Aktion "Bunte Meter für Deutschland". Ziel ist es, möglichst viele Meter wildkrautreicher Grünflächen als neue Lebensräume für den Stieglitz und andere Singvögel zu schaffen. Ob dabei Flächen mit Wildblumen neu eingesät werden, Brachflächen gerettet, Ackerrandstreifen angelegt werden oder ob Kommunen bei der Pflege von Straßenrändern auf Gift und ständiges Mähen verzichten - auf einer Deutschlandkarte sollen diese Entwicklungen und Projekte dokumentiert werden.

Weitere Infos unter
www.NABU.de, www.LBV.de oder www.Vogel-des-Jahres.de
und www.NABU.de/buntemeter

Die Farbbroschüre
"Vogel des Jahres 2016 - Der Stieglitz"
(Art.Nr.: 1985), DIN A5, 32 Seiten
gibt es im NABU-Natur-Shop,
info@NABU-Natur-Shop.de, Tel. 0511-711 099 98,
sowie im LBV-Natur-Shop unter www.lbv-shop.de

Raute


Aus den Landesverbänden

NABU Schleswig-Holstein:
In Schleswig-Holstein bereitet Naturschützern auch große Sorge, dass viele hundert Hektar extensiv genutzter Flächen der Stiftung Naturschutz, auf denen in großer Zahl Nahrungspflanzen des Stieglitzes wachsen, im Zuge der unsinnigen Bekämpfung des Jakobskreuzkrautes gemulcht werden, und damit dem bunten Finken die Nahrungsgrundlage entzogen wird.

NABU Thüringen:
"In Thüringen ist der Stieglitz landesweit verbreitet", sagt Klaus Lieder, der Sprecher des Landesfachausschusses für Ornithologie im NABU Thüringen. "Laut Atlas Deutscher Brutvogelarten gibt es bei uns 20.000-40.000 Brutpaare. Am häufigsten kommt er im Thüringer Becken, im Altenburger Lösgebiet und im Werratal vor."

NABU Hamburg:
In der Hamburger Innenstadt ist der Stieglitz selten anzutreffen. Hier gibt es nur vereinzelte Brutpaare, die in Grünanlagen und Gärten einen geeigneten Nistplatz in immergrünen Sträuchern und Bäumen finden. Häufiger verbreitet ist der Vogel des Jahres im Alten Land mit seinen Obstbauflächen. Auch in Wilhelmsburg, Neuland und Teilen der Vier-und Marschlande fühlt er sich wohl. Insgesamt gibt es rund 840 Brutreviere in Hamburg, mit Tendenz nach oben. Dennoch steht der Stieglitz in Hamburg auf der Vorwarnliste der gefährdeten Arten.

NABU Brandenburg:

Stieglitz in Brandenburg

In geeigneten Lebensräumen wie Parkanlagen, Gärten oder Laub- und Mischwaldrändern ist der Stieglitz in ganz Brandenburg relativ gleichmäßig vertreten. Doch auch hier wurde insgesamt ein deutlicher Rückgang des Bestandes verzeichnet. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Stieglitze in Berlin und Brandenburg um etwa 30 % verringert. Die Anzahl der Brutpaare wird auf etwa 30.000 geschätzt.


Stieglitz auf einer Diestel, von vorn fotografiert - Foto: © NABU/Peter Kühn

Foto: © NABU/Peter Kühn

Der Bestandsrückgang kann vor allem auf die Intensivierung der Landwirtschaft sowie die Änderung der dörflichen Siedlungsstruktur zurückgeführt werden. Flächen werden zunehmend versiegelt und in Gärten fehlen heimische Gewächse sowie "wilde Ecken", die der Natur überlassen bleiben. Durch fehlt dem Stieglitz zunehmend geeigneter Lebensraum.

Auf seiner Suche nach Brutstätten bevorzugt er besonders Laubgehölze in Gärten und Parkanlagen. Abgeerntete Stoppelfelder, beispielsweise von Sonnenblumen, unterstützen den Stieglitz auf der Nahrungssuche.

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Quelle:
NABU Pressedienst, 08.10.2015
Herausgeber:
Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU)
Pressestelle
Charitéstraße 3, 10117 Berlin
Tel.: 030/284 984-1510, -1520, Fax: 030/284 984-84
E-Mail: presse@NABU.de
Internet: www.NABU.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2015

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