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VÖGEL/898: Der Uhu. Schwere Zeiten für den König der Nacht - Teil 1 (Vogelschutz)


Vogelschutz - 4/2012
Magazin für Arten- und Biotopschutz

Schwere Zeiten für den König der Nacht
Der Lebensraum des Uhu wird zunehmend enger

Von Ulrich Lanz und Christiane Geidel



"Da, seht...!" Günter von Lossow, Mitarbeiter der Staatlichen Vogelschutzwarte Garmisch-Partenkirchen und ehrenamtlicher Uhubetreuer am Lech, deutet auf den Boden unter den Fichten, der mit weißen Schmelzspritzern übersät ist. Ein, zwei Gewölle liegen dazwischen im Moos, auch einige Federn von Mäusebussard und Rabenkrähe. Vor uns schweift der Blick weit hinaus über den träge dahinströmenden, im Sonnenlicht glitzernden Lech." Das ist einer der Tageseinstände dieses Uhupaares", erklärt Günter von Lossow, "gleich vor uns im Steilhang liegt der Brutplatz" Dann weist er über das Tal: "Dort drüben, auf der anderen Talseite ist wieder ein Brutplatz. Und nicht einmal einen Kilometer oberhalb und unterhalb davon die nächsten. In der Balz kann man von hier aus bei günstigen Bedingungen vier Uhupaare gleichzeitig hören..."

Doch diese Situation hier ist leider nicht typisch für den Uhu in Bayern: Am Lech erreicht unsere größte Eule bayern-, ja sogar bundesweit einmalige Bestandsdichten und genauso einmalig ist die Zahl der Junguhus, die hier jedes Jahr selbstständig wird. Möglich machen das der Lech und sein Hinterland: Der große Fluss hat sich tief in den Nagelfluh gegraben, und seine steilen Uferhänge bieten dem Uhu ideale, kaum gestörte Brutmöglichkeiten. Vor allem aber beherbergen der Lech und seine Stauseen zahlreiche Wasservögel - reichliche Uhubeute in nächster Nähe zu den Brutplätzen.


Grundlagenforschung für den Artenschutz

Wenn der Uhu unter solchen Bedingungen nicht zahlreichen Nachwuchs produziert, wo dann? Aber leider geht es dem Uhu im Rest Bayerns bei weitem nicht so gut: Wir haben schon mehrfach darüber berichtet, dass seit Mitte der 1990er Jahre in den meisten Regionen Bayerns der stark gesunkene Bruterfolg unserer größten Eule Sorgen bereitet. Ob im Frankenjura, in der Rhön, in Ostbayern oder am Alpenrand:

In den meisten traditionellen Verbreitungsgebieten in Bayern wird in jedem Uhurevier im langjährigen Schnitt nur jedes zweite Jahr ein Jungvogel flügge - doppelt so viel wäre notwendig, um den Bestand dauerhaft stabil zu halten.

Neben den Uhuvorkommen am Lech erfüllen lediglich noch die in den Buntsandstein- und Muschelkalkbrüchen am Untermain die Mindestanforderung an eine sich selbst erhaltende Population, auch wenn ihre Nachwuchszahlen bei weitem nicht an die am Lech herankommen. Die in großen Teilen Bayerns anhaltend niedrigen Nachwuchszahlen können langfristig nicht ohne Auswirkungen auf den Bestand bleiben. Wirkungsvolle Schutzmaßnahmen für unsere Uhus sind dringlich - aber dafür müssen wir die Ursachen der verhängnisvollen Entwicklung kennen, müssen wissen, warum es unseren Uhus so oft an Nachwuchs fehlt. Die Antwort auf diese Frage mussten wir bislang schuldig bleiben oder uns in Spekulationen und Mutmaßungen ergehen: Vieles in den von zahlreichen ehrenamtlichen LBV-Mitarbeitern in ganz Bayern erhobenen Brutdaten deutete darauf hin, dass dem Nahrungsangebot und den Jagdbedingungen für den Uhu eine zentrale Rolle zukommt. Belege dafür gab es bislang nicht und noch viel weniger war im Detail klar, an welchen "Hebeln" wir mit Schutzmaßnahmen ansetzen sollten.

Das hat sich nun geändert: 2012 wurde im LBV-Artenschutzreferat eine aufwändige, von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und dem LfU geförderte Studie abgeschlossen, in der wir fünf Jahre lang untersucht haben, wo der Uhu jagt, welche Strukturen er dafür benötigt und was er erbeutet bzw. womit er seinen Nachwuchs großzieht. Dafür wurden insgesamt 11 Uhus mit Peilsendern bestückt. Deren Signale haben uns verraten, wo sich die besenderten Tiere aufhalten, wo sie Beute suchen und welche Flächen von ihnen nicht bejagt werden, obwohl es dort ausreichend Nahrung gäbe. Wir können anhand der Peilsignale die Reviere abgrenzen und wissen, welche Strecken die Vögel zum Beuteerwerb zurücklegen. Außerdem wurden in mehr als 50 Uhurevieren systematisch Gewölle und andere Beutereste gesammelt und analysiert. Dabei kamen Reste von mehr als 8.000 Beutetieren zutage, die Aufschluss über das Angebot an Nahrung und seine Nutzung durch den Uhu in verschiedenen Revieren geben.

Diese Informationen haben wir mit den Biotopstrukturen und der Entwicklung der Landnutzung in den einzelnen Revieren abgeglichen: Wir haben "gute" und "schlechte" Reviere verglichen - solche, in denen meist viele Junge groß werden, mit solchen, in denen erfolgreiche Bruten selten sind. So wird deutlich, welche entscheidenden Strukturen ein optimales Uhurevier ausmachen bzw. woran es in den schlechten Revieren fehlt.

Die Ergebnisse bestätigen unsere Vermutungen: Zumindest in den Mittelgebirgsregionen dürfte der Nachwuchsmangel wesentlich auf Defizite in der Nahrungsversorgung des Uhus zurückgehen. Der Offenlandjäger Uhu wird dort wie viele andere Arten zum Opfer einer immer intensiveren Nutzung unserer Landschaft und wird so zu einer "Symbolart" für den Artenschutz in der Agrarlandschaft:

• Große Beutetiere, die die Jagd für den Uhu energetisch "lohnen", tauchen in vielen Revieren immer seltener in den Nahrungslisten auf oder der Uhu findet sie nicht mehr in der Feldflur, sondern nur noch in Siedlungsnähe.

• Viele Heckenzüge und Baumreihen, die der Uhu als Ansitzwarten für eine erfolgreiche Jagd braucht, sind im Zuge von Flurbereinigungen aus der Landschaft verschwunden. Dadurch kann er große Flächen in seinem Revier nicht mehr bejagen, auch wenn sie reichlich Nahrung bieten würden.

• Der stetig zunehmende Anbau schnellwüchsiger Futter- und Energiepflanzen wie Mais und Raps sorgt dafür, dass der Uhu immer mehr potenziell Nahrung bietende Flächen spätestens ab Mai nicht mehr bejagen kann genau zu der Zeit, wo er den höchsten Nahrungsbedarf für die Versorgung seiner Brut hat.

• Nicht nur große Beutetiere fehlen dem Uhu: Das Verschwinden von Brachen und Ackerrandstreifen aus einer immer intensiver genutzten Kulturlandschaft und die heute gängige landwirtschaftliche Praxis, abgeerntete Felder fast umgehend wieder umzubrechen, wirkt sich auch auf die Kleinsäugerbestände negativ aus. Deren Höhe im ausgehenden Winter aber hat sich als entscheidend für die Brutkondition und damit für den Bruterfolg in der folgenden Brutsaison erwiesen.

Weitere interessante Ergebnisse aus der Untersuchung werden wir im nächsten Heft darstellen.

Dass diese Entwicklungen sich als wesentliche Faktoren im Rückgang des Bruterfolgs entpuppen, macht den Uhu zu einer Symbolart, die - stellvertretend für viele andere - für die Forderung des LBV nach einer geänderten, nach einer "grüneren" Agrarpolitik steht. Sicher werden wir in den nächsten Jahren - zum Beispiel im Rahmen von Flurbereinigungsverfahren oder von Ausgleichsmaßnahmen - Möglichkeiten finden, punktuell Uhulebensräume aufzuwerten. Großräumige Verbesserungen hängen aber vom guten Willen der Politik ab. Und dort stehen die Interessen des Uhus in Konkurrenz zu vielen anderen Interessen, die von starken Lobbygruppen vertreten werden...


DIE AUTOREN

Ulrich Lanz - Tierarzt
LBV-Landesgeschäftsstelle Hilpoltstein Referat Artenschutz
Mail: u-lanz@lbv.de

Christiane Geidel
Diplom-Ingenieurin (FH) für Naturschutz & Landschaftsplanung
LBV-Landesgeschäftsstelle Hilpoltstein | Referat Artenschutz
Mail: c-geidel@lbv.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Vielfältige Landschaft und genügend Beutetiere - das braucht der Uhu. Die aktuelle Entwicklung in der Landwirtschaft steht diesen Bedürfnissen leider zunehmend entgegen

- Mit dem Peilsender dem Uhu auf der Spur. Anhand der gesammelten Daten wird ein Profil erstellt, das zeigt, wo der Uhu sich im Lebensraumgebiet bevorzugt aufhält, und welches damit Rückschlüsse auf seine Bedürfnisse zulässt

- Auf den Talhängen des Altmühltals findet der Uhu noch ideale Voraussetzungen. In vergleichbarem Umfeld fanden die Untersuchungen zum Revierverhalten des Uhus statt

- Völlig ausgeräumte Agrarlandschaft: Ohne Sitzwarten oder Brachflächen finden Beutegreifer wie der Uhu hier keine Nahrung mehr

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Quelle:
Vogelschutz - 4/2012, Seite 14 - 17
Magazin für Arten- und Biotopschutz
Herausgeber:
Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V.
Verband für Arten- und Biotopschutz
LBV-Landesgeschäftsstelle
Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein
Tel.: 09174 / 47 75-0, Fax: 09174 / 47 75-75
E-Mail: info@lbv.de
Internet: www.lbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Mai 2013