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VÖGEL/926: Rotmilan-Projekt des NABU in Vogelsberg gestartet (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 3/13
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

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Rotmilan-Projekt des NABU im Vogelsberg gestartet.

von Maik Sommerhage



Im Januar hat die NABU-Stiftung Hessisches Naturerbe im Vogelsberg ein mehrjähriges Rotmilan-Projekt begonnen. Dabei sollen Offenland- und Waldgebiete angekauft, Bewirtschaftungsformen zugunsten der Art optimiert sowie Konflikte mit dem Ausbau Erneuerbarer Energien minimiert werden.

Der NABU möchte herausfinden, welche Maßnahmen einen wirkungsvollen Schutz im Brut- und Nahrungsgebiet sicherstellen können. Der Rotmilan ist die einzige Vogelart, von der mehr als die Hälfte des Weltbestandes in Deutschland brütet. Im Vogelsberg erreicht der Rotmilan mit die höchsten Siedlungsdichten. Mit fast 64.000 Hektar liegt dort das größte hessische EU-Vogelschutzgebiet, der Vogelsberg ist aber auch der am stärksten mit Windrädern bebaute hessische Landkreis. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Lebensbedingungen von Arten wie dem Rotmilan durch den weiteren Ausbau der Windenergie nachhaltig beeinträchtigt werden. Vor diesem Hintergrund fördern die Ovag Energie AG und Bürgerwind Ulrichstein das NABU-Projekt bis 2017.


Fünf Prozent des Weltbestands
In Hessen ist der Rotmilan in geeigneten Lebensräumen annähernd flächendeckend verbreitet. Schwerpunkte befinden sich in einigen Mittelgebirgen - neben dem Vogelsberg auch Rhön, Kellerwald, Knüll und Upland -, während Teile der Rhein-Main-Ebene weitgehend unbesiedelt sind. Momentan ist von einem Bestand von etwa 1.000 bis 1.200 Paaren auszugehen, das sind ungefähr zehn Prozent des deutschen und fünf Prozent des weltweiten Bestands.

Neben Gefährdungsursachen wie Umweltgiften und Freileitungen steht im Zentrum des Projekts die Optimierung von Brut- und Nahrungsgebieten. Hinweise auf tödliche Kollisionen von Rotmilanen mit Windenergieanlagen sind gemessen an der geringen Zahl von Nachsuchen sowie der relativ kleinen Zahl der Milane unerwartet häufig, so dass er die deutsche Liste der Kollisionsopfer bedauerlicherweise mit anführt.


Überregionaler Vorbild-Charakter
Als Ursache für die fehlende Scheuchwirkung der Windräder wird das attraktive Nahrungsangebot vermutet. Im Bereich der Anlagenfüße ist die Nahrung - nämlich Mäuse und andere Kleinsäuger - durch die kurze Vegetation besser verfügbar als in den umliegenden Feldern mit hoher Pflanzendecke.

Zum Abschluss des Projektes soll ein ehrenamtliches Bestandsmonitoring des Rotmilans im Vogelsberg einschließlich reproduktionsbiologischer Parameter aufgebaut werden, um die Entwicklung zeitnah dokumentieren und gegebenenfalls weitreichende Schutzmaßnahmen im Brutgebiet frühzeitig einleiten zu können. Die Projektergebnisse sollen über die Region hinaus auch für die Landes- und Bundesebene Ansätze liefern, wie im Brutgebiet Verbesserungen vorgenommen werden können, um den Konflikt zwischen Windenergie und Rotmilan zu minimieren.


Freier Blick auf die Beute
Neben Flächenkauf und Pacht soll auch die Bewirtschaftung im Sinne des Rotmilans geändert werden, etwa durch extensive Weidehaltung. Dort wo Wiesen weiter intensiv gemäht werden, sollen in einer sogenannten Staffelmahd jeweils Teilflächen gemäht werden, so dass die Milane von Mitte Mai bis Mitte Juli durchgehend frisch gemähte Bereiche zur Nahrungssuche vorfinden.

So wie es andernorts schon "Lerchenfenster" gibt, sollen künftig auch "Milanfenster" angelegt werden. Dazu werden bei der Aussaat unter anderem von Raps, Mais und Weizen Teilflächen nicht eingesät, so dass Fehlstellen-ähnliche Strukturen zwischen fünf und 60 Quadratmetern entstehen, die der Rotmilan zur Nahrungssuche nutzen kann. Und schließlich sollen in Kooperation mit Jägern und Landwirten Futterplätze angelegt werden, an denen ausgelegtes Fallwild angeboten wird. Diese Futterstellen werden von Wildkameras überwacht - um Aussagen über die Nutzungsintensität treffen zu können, aber auch für die Öffentlichkeitsarbeit.


Bestandszählung und Telemetrie
Als Ausgangsbasis finden 2013 und 2014 Bestandserfassungen statt. Später sollen Untersuchungen zeigen, wie effektiv die vorgenommen Schutzmaßnahmen sind. Dabei wird das Portal www.NABU-Naturgucker.de eingesetzt und für Auswertungen genutzt. Darüber hinaus sollen die Bewegungen einiger Rotmilane per Satellit verfolgt werden, um exakte Aussagen zur Raumnutzung treffen zu können. Dazu wurden 2013 bereits erste Erfahrungen gesammelt und im Rahmen des Projekts "Rettet die Roten" der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) Vögel besendert.

Damit das Projekt erfolgreich verläuft, finden regelmäßig Treffen eines Arbeitskreises statt. Diesem gehören neben dem NABU die Staatliche Vogelschutzwarte, die Naturschutzbehörden, die Regionalplanung des Regierungspräsidiums Gießen sowie Vertreter des Naturschutzgroßprojektes Vogelsberg, des Forstes, der Landwirtschaft, der Ovag Energie AG und Bürgerwind Ulrichstein an.

In den ersten Monaten des Projekts wurden bereits über 50 Hektar für den Rotmilan neu gesichert - unter anderem durch Flächenkäufe. Der NABU freut sich, welche Akzeptanz das Projekt findet und ist sich sicher, dass dies ohne die Unterstützung aller Beteiligten nicht möglich wäre.

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Mit einer Flügelspannweite von bis zu 180 Zentimetern ist der Rotmilan etwas größer als ein Mäusebussard. Er war "Vogel des Jahres 2000".

- So sieht es aus, wenn bei einer Staffelmahd nur Teilflächen gemäht werden (oben). Im Vogelsberg (links) liegt das größte hessische EU-Vogelschutzgebiet, in dem der Rotmilan am häufigsten vorkommt.

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 3/13, S. 12 - 13
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-1530, Fax: 030/284984-2500
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E-Mail: naturschutz.heute@nabu.de
Internet: www.naturschutz-heute.de
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"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. September 2013