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GEFAHR/006: Brandsatz Fukushima - verdrängt, verteilt, verstrahlt ... (SB)


Tepco und der "Große Preis" - Eine Milliarde Dollar für die beste Tritium-Abscheidungsanlage ...

Kommentar zu dem Medienhype, die auf dem Werksgelände in Fukushima-Daiichi lagernde Wassermenge auf fünf Kubikmeter hochverstrahltes Wasser zu konzentrieren

Grafische Darstellung der Strahlenausbreitung von Fukushima im gesamten Pazifischen Ozean, hinterlegt mit dem Symbol für Radioaktivität und der Überschrift: 'Noch 10 Jahre?' - Grafik: © 2014 by Schattenblick

Brandsatz Fukushima
Grafik: © 2013 by Schattenblick

Bei allen Versuchen seitens der Betreiber und der japanischen Regierung, bereits im November mit dem neuen ALPS (Advanced Liquid Processing System) eine scheinbar ultimative und sichere Lösung für das 560.000 Kubikmeter fassende, multinuklide radioaktive Wasserproblem in Fukushima vorzustellen [1], mußten die stolzen Väter der "Sieben Samurai" zumindest in einem Punkt den Schwanz einziehen und den Kritikern Recht geben: Neben der in ihrer Zuverlässigkeit ohnehin bestreitbaren Abscheidung von 62 radioaktiven Nukliden kann von dem System ein weiteres, in seiner Gefährlichkeit oft unterschätztes Radionuklid definitiv überhaupt nicht erfaßt werden: Tritium.

Angesichts weiterer 1.438 meist überhaupt nicht erwähnter Radionuklide (1.500 bisher bekannte minus 62, die angeblich in den Filtern des ALP-Systems hängenbleiben), die theoretisch bei Reaktorunfällen entstehen und freigesetzt werden können, scheint Tritium nicht nur in großen Mengen auf dem Werksgelände anzufallen, sondern vor allem wegen seiner immer wieder schwankenden, unvorhersagbaren oder widersprüchlichen Angaben von Werten, je nach Entnahmeort, auch den Verantwortlichen Sorgen zu bereiten. So lagen die Tritiummeßwerte noch im Juli 2014 bei etwa einer Million Becquerel pro Kubikmeter (entsprechend 1.000 Becquerel pro Liter; ein Kubikmeter = 1000 Liter). Inzwischen haben sich die Tritiumwerte im Grundwasser rund um die Anlage um eine Zehnerpotenz erhöht.

Darüber hinaus erwähnenswert wäre die paradoxe Steigerung des Tritium-Meßwertes nach Durchlauf des gesamten Dekontaminationsprozesses. Abgesehen von Cäsium-137, das dadurch reduziert werden kann, wurden von Tepco Tritium mit Strahlungsdichten von 660.000 Becquerel pro Kubikmeter "vor" und 670.000 Becquerel pro Kubikmeter "nach" Durchgang der Probe durch die Dekontaminationsanlage angegeben. [2]

Tritium, ein Isotop des Wasserstoffs, liegt entsprechend wie Wasser in einer chemischen Verbindung mit Sauerstoff vor. Das heißt, statt H2O kommt es als superschweres Wasser THO, TDO oder T2O vor, mischt sich mit gewöhnlichem Wasser und verhält sich in der Umwelt auch genauso. Bei den üblicherweise auf festen Filtermaterialien oder Adsorbentien beruhenden Filtriermethoden flutscht es - gewissermaßen in der flüssigen Phase (Wasser) versteckt - einfach durch. Doch nicht nur poröse Filtermedien stellen für Tritium überhaupt kein Hindernis dar. Laut einer Schrift des "Gefahrstoffinformationssystem Chemie" [3] diffundiert Tritium widerstandslos in bzw. durch Materialien wie "Stahl, Beton, Plastikfolien". Anders gesagt gibt es für Tritium keine geschlossenen Kreisläufe. Damit wäre zwar noch nicht der gestiegene Wert nach Durchlauf des Filters, aber doch seine unveränderte Aktivität im Filtrat erklärt. Könnte ersteres also darauf hinweisen, daß während der Wasseraufbereitung Prozesse stattfinden, bei denen Neutronen bzw. letztlich radioaktive Tritiumatome freigesetzt werden?

Bei aller vermeintlichen Sorge um das Tritium, diese Frage wird von verantwortlicher Seite gewöhnlich nicht gestellt.

Das alles läßt sich nicht so leicht unter den Teppich kehren, auch nicht mit der wissenschaftlichen Begründung, Tritium sei für den menschlichen Organismus nicht so gefährlich wie alles andere. Genau damit wurde jedoch lange Zeit versucht, für etwas, das sich gewissermaßen nicht "verhindern" und auch nicht dezimieren läßt, Akzeptanz zu schaffen: Es könne von lebenden Organismen theoretisch wie Wasser schnell wieder ausgeschieden werden und verweile nicht im Körper, war eine der gängigen Erklärungen dafür. [4] Noch 2013 plädierte der Vorsitzende der Japanischen Atomaufsichtsbehörde (Japan's Nuclear Regulation Authority (NRA)), Shunichi Tanaka, dafür, das von ALPS behandelte, nuklidreduzierte Wasser doch einfach in den Pazifik zu entsorgen, solange die Tritiumwerte im Rahmen der internationalen Grenzwerte lägen. Auf diese Weise könne man für die ständig wachsende Menge an hochradioaktiv belastetem Wasser neuen Platz schaffen. [5]

Letzteres ist zum einen eine Frage der Ignoranz anderer, ebenfalls möglicherweise nicht herausfiltrierbarer Radionuklide, die das Tritium begleiten, zum anderen eine Frage der Auslegung, das heißt, welche Grenzwerte überhaupt als international akzeptierter Rahmen betrachtet werden.

Der Grenzwert der deutschen Trinkwasserverordnung für die Tritium-Konzentration, der den Empfehlungen internationaler Fachorganisationen wie die WHO entspricht, liegt bei nur 100 Becquerel pro Liter. Eine strahlenhygienisch begründete, schädliche Wirkung soll angeblich erst bei deutlich höheren Werten auftreten. Dieser Wert wird in Fukushima in allen zur Verklappung vorgesehenen Wässern deutlich überschritten. Die japanischen Gesetze erlauben allerdings Kernkraftwerken generell, Brauchwasser mit Tritiummengen von bis zu 60.000 Becquerel pro "Liter" zu verklappen, wie unlängst die Süddeutsche Zeitung schrieb. Offenbar werden 60.000.000 oder 60 Millionen Becquerel pro Kubikmeter noch durchaus als umweltverträglich angesehen, zumal der Pazifik für eine weitere Verdünnung mit vermeintlich reinem Meerwasser sorgen soll.

Eine Gesundheitsgefährdung sei laut der offiziellen Webseite für Deutsche Vertretungen in Japan [6] ohnehin nur dann denkbar, wenn Tritium mit Trinkwasser oder Nahrungsmitteln, also Muscheln oder Fischen aus dem Pazifik, in den Körper aufgenommen wird. Daß das Grundwasser unterhalb und in der weiteren Umgebung der havarierten Anlage als Trinkwasser, Beregnungswasser oder auf andere Weise genutzt werden könnte, wird bei diesen Überlegungen als wenig wahrscheinlich ausgeschlossen. Die mögliche Gefährdung dadurch, daß das Tritium über die Nahrungskette in den Menschen gelangen könnte, wird hier mit folgender Rechnung als wenig relevant betrachtet:

Vereinfacht wird angenommen, daß Fische die gleiche Kontamination wie das Meerwasser in der unmittelbaren Umgebung der Anlage aufweisen. Wäre das Wasser ausschließlich mit Tritium kontaminiert (und nicht auch mit 1500 anderen, in dieser Rechnung nicht erwähnten Isotopen), ergäbe das Essen von einer durchschnittlichen Menge von 250 Gramm Fisch eine Strahlenbelastung von weniger als 0,1 µSv (Mikrosievert). Dies würde bei einem täglichen Konsum des kontaminierten Fisches nur zu einer zusätzlichen Dosis von weniger als 40 µSv pro Jahr führen. Im Vergleich zur in Deutschland herrschenden, mittleren effektiven Jahresdosis für die Bevölkerung von etwa 2.000 µSv pro Jahr sei das als gering einzustufen. Vorausgesetzt wurde bei weiterer Verdünnung durch die Umgebung eine Tritium-Belastung des Meerwassers und der Fische mit 4.700 Becquerel pro Kilogramm. Auch heute noch glauben viele Wissenschaftler, wie etwa James Seward von der University of California in San Francisco, daß Tritium keine große radiologische Gefahr darstellt, weil es nur Betastrahlung abgibt. Diese besteht in diesem Fall aus Elektronen geringerer Energie, die nicht tief in Materie eindringen, sondern bereits in der Oberfläche "steckenbleiben". Tatsächlich soll die von Tritium abgegebene Betastrahlung nur eine Reichweite von acht Zentimetern haben. Es gäbe also nur "sehr wenig Bedenken für die menschliche Gesundheit, tritiumkontaminiertes Wasser in den Ozean einzuleiten", meinte der Wissenschaftler in einem Artikel des Sciencemagazins. [7]

Unerwähnt bleibt dabei seltsamerweise, daß man im Zusammenhang mit der geringen Gefährdung immer nur von der Strahlung spricht, aber nicht von den Tritiumteilchen oder Tritiumionen, die in der Lage sind, durch Stahl zu diffundieren (s.o.). Was sollte die zu den kleinsten Atomen gehörenden Teilchen also von den sehr viel durchlässigeren Grenzschichten lebender Organismen, den mehr oder weniger angreifbaren Häuten abhalten?

Zudem hat man es dabei mit einer "Alles-oder-Nichts" oder "Russisch-Roulette"-Situation zu tun. Da sich Tritium wie Wasserstoff verhält, kann es anstelle von Wasserstoff durchaus organisch gebunden werden. Im Unterschied zu Strontium-90 oder Cäsium-137, die sich in bestimmten Körpergeweben konzentrieren, könnte die Tritiumaufnahme somit zu einer gleichmäßigen Strahlenbelastung im gesamten Körper führen. Auch die vermeintlich schnelle Ausscheidung ist eine Frage des Austausches. Das heißt, theoretisch kann Tritium als schweres Wasser sehr schnell wieder ausgeschieden werden - oder eben auch nicht, bedenkt man, daß Wasserstoff in vielen Verbindungen des Körpers vorkommt und auch ein Bestandteil von Eiweißen, Kohlenhydraten oder Fetten ist. Der Austausch könnte in allen Bereichen des Stoffwechsels stattfinden und Tritium theoretisch noch viele Jahre im Körper verweilen.

Ein weiterer Faktor, der im Zusammenhang mit dem Versagen möglicher Filtrier- oder Abtrennungsverfahren eine Rolle spielt, könnte die schnelle Ausscheidung ebenfalls in Frage stellen: Um einmal bestehende Verbindungen mit Deuterium oder Tritium zu brechen, werden sehr viel höhere Aktivierungsenergien (z.B. mehr Wärme) benötigt als bei Verbindungen mit Wasserstoff, mit der Folge, daß solche Reaktionen bei gleicher Temperatur wesentlich langsamer ablaufen als bei Bindungen mit H-Atomen: Eine C-H-Bindung bricht bei Raumtemperatur um ein Vielfaches schneller wie eine C-T-Bindung. Nach einer Halbwertszeit von 12,3 Jahren wären also erst die Hälfte solcher haltbarer Verbindungen radioaktiv zerstrahlt.

Und selbst wenn sie angeblich "weicher" ist, kann jede beim Tritium-Zerfall austretende Betastrahlung an einem neuralgischen Punkt tödlichen Krebs auslösen. Laut einer Greenpeace-Studie ist die Schädlichkeit von Tritium deutlich größer als angenommen. [8]

Eine Meeresverklappung der derzeitig in 1.000 Stahlcontainern auf dem Werksgelände in Fukushima lagernden radioaktiven Abwassermenge von 560.000 Kubikmetern würde in der japanischen Bevölkerung selbst dann, wenn sie tatsächlich von allen anderen Radionukliden außer Tritium komplett befreit werden könnte, auf wenig Akzeptanz stoßen. Zudem wehren sich die japanischen Fischer gegen das Vorhaben ihrer Regierung. Die Süddeutsche Zeitung vom 16. Dezember 2014, die einen Artikel des Wissenschaftsmagazins Science zu diesem Thema in einer populärwissenschaftlichen Aufbereitung vorstellte, zitierte hierzu Joto Kanda von der Tokio-Universität für Meereswissenschaft und Technik: [9]

Selbst ein allmähliches Einleiten des Tritiumwassers würde vermutlich auf den Widerstand von Fischern treffen, die "sich sorgen, ihre Kunden nicht überzeugen zu können, dass ihr Fang gesundheitlich unbedenklich ist", sagte Jota Kanda von der Tokio-Universität für Meereswissenschaften und Technik. [9]

Sich unter den Zugzwang zu setzen, nun zunächst einige Millionen Dollar (eine Milliarde Yen) für die Entwicklungsarbeit an den jeweils aussichtsreichsten Tritium-Abscheidungskonzepten zu investieren, um bis zum März 2016 eine endgültige Lösung des Problems im Rahmen einer internationalen Ausschreibung in Aussicht zu stellen, scheint daher eine logische Reaktion der Betreiber und der japanischen Regierung zu sein, denn die Zeit drängt, wenn täglich 400 Tonnen neue Abwässer dazukommen und immer mehr Wassercontainer wie graublaue Pilze aus dem Boden zu sprießen scheinen.

Oberflächlich betrachtet wird damit der Eindruck erweckt, man arbeite daran, auch das "letzte" fragliche radioaktive Element bei entsprechender Verbesserung der technischen Möglichkeiten ausreichend zu dezimieren und somit die angestrebte Verklappung im Meer "endlich" vor der Weltöffentlichkeit zu legitimieren, weil es ohnehin nicht mehr anders geht. Und ebenfalls oberflächlich betrachtet scheint es für den wissenschaftlich Interessierten sogar chemische oder physikalische Anhaltspunkte zu geben, daß eine solche Abscheidung im Bereich des Möglichen liegt. Da, wie bereits erwähnt, Wasserstoff das leichteste Element ist, ergibt sich bei seinen schwereren Isotopen, die mit jedem weiteren bei Kernprozessen hinzukommenden Neutron im Atomkern entstehen, im Vergleich zu anderen radioaktiven Isotopenfamilien wie Cäsium, Strontium u. dgl. eine Verdopplung bzw. Verdreifachung des Atomgewichts von Wasserstoff, was sich auch in deutlichen sogenannten Isotopeneffekten niederschlägt, das heißt, in einem sichtbar anderen chemischen und physikalischen Verhalten von 1H, 2H (Deuterium) oder 3H (Tritium). Dennoch oder gerade deshalb kamen vergleichende Studien über existierende Verfahren, Tritium aus Wasser zu entfernen, immer wieder zu dem Schluß, daß die Konzepte im Vergleich zum Ergebnis zu aufwendig, zu kostspielig sind und viel zu viel Zeit in Anspruch nehmen. [10] Noch Ende 2013 hatte ein Beratungskomitee des Wirtschaftsministeriums verkündet, es gäbe keine für Fukushima geeignete Technologie:

Im August 2014 dann bot das Ministerium drei Firmen insgesamt gut acht Millionen Dollar (6,6 Millionen Euro) Hilfsgelder an. Ein Unternehmen lehnte ab; sein Ersatz wird gesucht. Eine zweites, eine Moskauer Firma, lehnte es auf Anfrage ab, über Details zu sprechen. Nur Kurion in Irvine/Kalifornien war bereit, Informationen über sein Projekt zu liefern. [8]

Das US-Unternehmen schlägt mit "CECE" ein eine Milliarde Dollar teueres und aufwendiges Projekt vor, mit dem es die 1.000 Container auf dem Gelände in Fukushima auf nurmehr fünf Kubikmeter hochverstrahltes Wasser konzentrieren will. Der Rest könne dann ins Meer.

CECE steht für Combined Electrolysis Catalytic Exchange, das heißt für die kombinierte Elektrolyse mit katalytischem Austausch, ein seit etwa 40 Jahren bekanntes Verfahren. Zunächst soll das gesamte verseuchte Wasser mit Hilfe von Elektroden und Strom in Sauerstoff einerseits und Wasserstoff sowie Tritium andererseits aufgespalten werden. Man kennt den Aufbau in kleinerem Maßstab vielleicht noch als Hoffmannschen Wasserzersetzungsapparat. Das auf der Wasserstoffseite entstandene Gemisch aus H2, HT, HD und T2, aber auch TD und D2 strömt von unten in eine Säule mit Platin-Katalysatoren, während von oben reines, unkontaminiertes Wasser hineintropft. Im Gegenstromprinzip sollen dann an der Oberfläche des Edelmetalls die Tritium-Atome im Gas den Platz mit den Wasserstoffatomen im Wasser tauschen. Das Gas wird so sauberer, das Wasser nimmt die strahlenden Isotope mit. Ein derart aufwendiger Prozeß, Wasser zu spalten, um daraus schweres bzw. superschweres Wasser zu produzieren, das dann wiederum gespeichert werden muß, wirkt wie eine Verzweiflungstat.


Die Kritik an Konzepten verschiedener Abscheidungs-Verfahren ist nicht neu ...

Seit nahezu 40 Jahren wird in Fachkreisen das Für und Wider von etwa elf verschiedenen Abscheidungsmöglichkeiten für Tritium diskutiert. 1995 wurde eine ausführliche zweite Studie vom United States Department of Energy veröffentlicht, um die mögliche Lösung nur eines der zahlreichen Probleme, die Tritiumkontamination des Grundwassers bei der bis heute andauernden, weltweit größten Reinigungsaktion des kontaminierten Geländes in Hanford zu bewerten. [11] Die 50 Jahre lang betriebene Plutoniumproduktionsstätte Hanford gilt als ein mit radioaktiven und giftigen Abfällen hochverseuchtes Gebiet. Unter anderem wurde hier in den 60er Jahren an der Produktion von Tritium für die Herstellung von Wasserstoffbomben gearbeitet. [12] Der von der US-Regierung geförderte Bericht kam zu dem Ergebnis, daß keines der diskutierten elf Konzepte ausreichte, um den Anforderungen einer Tritium-Dekontamination in technischem Ausmaß zu genügen. Eines der darin untersuchten Methoden, ist das CECE-Verfahren, also jenes Grundkonzept, das nun in verbesserter Form der Entsorgung der verstrahlten Container in Fukushima Beine machen soll. Es wurde ebenso wie ein wesentlich positiver eingeschätzes, wegen seiner Effektivität bei der Uran-Anreicherung jedoch umstrittenes "Laser Isotopen Separations"-Verfahren [13] ad acta gelegt.

2013 wurde in einem von Wissenschaftlern geführten Forum zum Austausch von Powerpoint-Präsentationen und anderen Studien eine Präsentation aus dem Jahre 2003 über den damaligen Stand der Tritiumabscheidungskonzepte eingestellt, der nur noch die vielversprechendsten sieben Methoden miteinander vergleicht, aber letztlich zu dem gleichen Ergebnis kommt. [14]

In einer Skala, mit der die Abscheidungsqualität der Verfahren numerisch eingestuft wird, liegen vier von sieben Verfahren unter 1. Der reinen Elektrolyse wird der Faktor 10 zugeordnet, dem katalytischen Austausch (Abtrennung von T aus der Gasphase des HT) nur noch der Faktor 4. Die Abtrennung von T aus tritiumhaltigem Wasserdampf (HTO) erhält dagegen den Faktor 0,4. Die beste Abscheidungsquote von 104 (10.000) wird auch hier dem umstrittenen Laser-Verfahren (SILEX) zugesprochen, das aber nicht in Fukushima zur Anwendung kommt und ohnehin undiskutabel ist. Eine kommerzielle Version ließe sich auch für die Aufbereitung von Kernbrennstoffen umfunktionieren, was der Verbreitung von Kernwaffen in der Welt Tür und Tor öffnen könnte.

Fünf der sieben Verfahren werden als technisch zu aufwendig und kompliziert eingeschätzt, um einer Anwendung im großen Maßstab zu genügen. Alle Verfahren arbeiten nur unter extrem großem Energieverbrauch und benötigen sehr große Hitze, genügen entweder nicht den Ansprüchen an die nukleare Sicherheit, sind nur mangelhaft konzeptioniert oder wirtschaftlich unrentabel.

Für alle Verfahren gilt, daß die Abscheidungsquote mit abnehmender Temperatur sinkt und daß die Tritium-Isotope eine Vorliebe für die flüssige Phase aufweisen, die sich bei abnehmender Temperatur noch verstärkt. Nicht erwähnt, aber doch vorstellbar wäre, daß sich die mit Isotopen vermischte Gas- und Wasserphase physikochemisch völlig unberechenbar verhält, da die Isotopenzusammensetzung aus dem Abwasser rein zufällig und unvorhersagbar ist. Dazu kommt, daß die bisher erprobten Anlagen mit dem Erzielen eines chemischen Gleichgewichts arbeiten, das man in die gewünschte Richtung verschiebt, indem weiterverwendbare Produkte wie Wasserstoff abgeführt werden, ein zeitraubendes Konzept.

Die Studie von 2003 bescheinigt der Elekrolyse denn auch den erhofften Abscheidungserfolg, die Leistungen der damals für die Einschätzung herangezogenen Testanlagen in Ontario und Grenoble lassen jedoch zu wünschen übrig: So soll die Ontario Hydro TRF-Anlage genau 800 Gramm T2 pro Jahr produzieren, bei einem Durchfluß von 360 Kilogramm pro Stunde. Im Vergleich dazu kommt die Versuchsanlage in Grenoble auf eine Durchflußgeschwindigkeit von nur 25 Kilogramm pro Stunde, entsprechend geringer ist ihre Ausbeute. Bezogen auf die Verhältnisse in Fukushima, würden 560.000 Kubikmeter in dieser Anlage dann in 15,5 Millionen Stunden bzw. in etwa 200 Jahren ausreichend dekontaminiert sein, um ins Meer entlassen zu werden.

Was sollte an dem heutigen, von Kurion vorgestellten Verfahren nun besser sein? Zumal von einer Beschleunigung des Verfahrens auch nicht die Rede ist. Zeiten werden nicht genannt. Laut Gaëtan Bonhomme, dem Technikchef von Kurion, den die Süddeutsche Zeitung zitiert, habe Kurion den Prozess so verbessert, daß das Volumen von verseuchtem Wasser bei jedem Durchlauf um drei Viertel abnehme, und mehr nicht. Der Prozeß lasse sich dann bis zur gewünschten Konzentrationsstufe wiederholen. Ob sich das Laborergebnis auch auf den großen Maßstab übertragen läßt, müssen nicht nur das Verfahren von Kurion, sondern auch die beiden ebenfalls von der japanischen Regierung geförderten Mitstreiter erst bis zum März 2016 belegen. Auch für das Lagerproblem der auf das 110.000-stel des derzeitigen Volumens hochkonzentrierten radioaktiven Flüssigkeit steht noch eine Lösung aus. Man erinnere sich: Tritium diffundiert und hochkonzentriertes Tritium erhöht den Diffusionsdruck ... (s.o).

Sollten sich darin noch weitere "strahlende" Substanzen befinden, dann können auch radioaktive Prozesse die Zersetzung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff (eine Radiolyse gewissermaßen) bewirken. Eine äußerst explosive Mischung, die bereits auf der Hanford Site zu undichten Tanks geführt hatte. Denn Wasserstoff und Tritium verhalten sich chemisch identisch, und, wie man seinerzeit am Hoffmannschen Wasserzersetzungsapparat lernen durfte: Wasserstoff und Sauerstoff - Bumm.

Fazit: Das Vorhaben der Tritiumabscheidung in dieser Größenordnung ist beispiellos, ebenso überwältigend sind die Probleme, die daran bereits ersichtlich werden, neben jenen, die sich vielleicht erst bei der großtechnischen Anwendung ergeben. Dennoch werden sie ganz offensichtlich als das kleinere Übel gesehen und als Hoffnungsträger vorgeschoben, wohl um von den zahlreichen anderen Mängeln der Wasserentseuchung und -entsorgung abzulenken, die dadurch den Effekt der Verharmlosung erfahren. Darauf einzugehen, würde den Rahmen dieses Berichtes sprengen, der denn auch, wenn er über das Ausmaß der Nicht-Kontrolle Zeugnis ablegen will, kein Ende haben wird ...


Anmerkungen:

[1] Der Schattenblick berichtete darüber:
http://www.schattenblick.de/infopool/umwelt/brenn/ubge0005.html

[2] Das heißt, in einem Kubikmeter sind so viele Tritiumatome, daß jede Sekunde 660.000 bzw. 670.000 davon radioaktiv unter Freisetzung von Betastrahlung zerfallen.
http://fukushima-diary.com/2014/10/tepcos-data-shows-filtration-system-remove-tritium-potentially-discharged-water/

[3] http://www.gischem.de/download/02_4-00000000101-000000_1_1_1.PDF

[4] Tritium (gekennzeichnet als 3H, auch als H-3 oder T) ist ein radioaktives Isotop des Wasserstoffs, das bei der Kernspaltung und im Kühlwasser von Kernkraftwerken entsteht, aber auch natürlich vorkommt. Es wird unentwegt in der hohen Atmosphäre unter dem Einfluß der kosmischen Strahlung gebildet und kann deshalb immer in Spuren von weniger als 1 Becquerel pro Liter im Niederschlag gefunden werden.

Tritium hat eine physikalische Halbwertszeit von 12,3 Jahren und zerfällt unter Aussendung eines Elektrons (Betastrahlung) in stabiles Helium. Das bedeutet, daß sich eine Menge freigesetzten Tritiums in der Umwelt innerhalb von 12,3 Jahren halbiert. Die ausgesendete Betastrahlung soll im Vergleich zu anderen Radionukliden von sehr niedriger Energie sein und hat eine etwa 1000mal geringere radiologische Wirkung als die ebenfalls bei der Kernspaltung entstehenden und bei einem Reaktorunfall freigesetzten Radionuklide wie z. B. Strontium-90, Caesium-134 oder Caesium-137. Dadurch, daß es sich wie Wasser verhält, wird in den Körper aufgenommenes Tritium in der Regel nach etwa 10 Tagen wieder ausgeschieden.

[5] "The chairman of Japan's Nuclear Regulation Authority (NRA) has said ALPS-treated water with tritium levels below international regulatory limits may have to be released into the Pacific Ocean to make more room for highly radioactive waste water accumulating at the Fukushima Site." (Reporting by Mari Saito, Leng Cheng and Osamu Tsukimori; Editing by Aaron Sheldrick and Ian Geoghegan)

http://www.reuters.com/article/2013/09/03/us-japan-fukushima-alps-factbox-idUSBRE9820A32013090

[6] http://www.japan.diplo.de
und
http://www.japan.diplo.de/Vertretung/japan/de/03-Reisehinweise-und-Kriseninformationen/aktuelle-infomartionen-fukushima.html#topic5

[7] http://www.sciencemagazinedigital.org/sciencemagazine/12_december_2014?pg=18#pg18

[8] siehe auch:

http://www.bbu-online.de/Kampagnen/Tritium-Projekt.pdf

[9] http://www.sueddeutsche.de/wissen/rueckbau-von-fukushima-wohin-mit-dem-verseuchten-wasser-1.2267880

[10] http://de.slideshare.net/gheorghevasaru1/tritium-isotope-separation

Aus dieser Quelle eine Liste der Firmen, die sich mit der Tritiumabscheidung teilweise schon seit 35 bis 40 Jahren beschäftigen:
1) Water Distillation (Nagoya, Sulzer - Schweiz),
2) Hydrogen Distillation (Grenoble),
3) Water Electrolysis Chemical Exchange (RIKEN - Tokio),
4) Vapour Phase Catalytic Exchange & Cryogenic Distillation (VPCE - CD) (Sulzer - Schweiz),
5) Tritium Extraction Plant-Grenoble, Sulzer Tritium Removal Facility /TRF/ - Ontario Hydro, Darlington - Canada),
6) Liquid Phase Catalytic Exchange & Cryogenic Distillation (LPCE - CD) (Chalk River - Canada),
7) Combined Electrolysis Catalytic Exchange & Cryogenic Distillation (CECE CD), (Chalk River - Canada, Mound - Miamisburg, KIT - Karlsruhe),
8) Direct Electrolysis & Cryogenic Distillation (DE - CD),
9) Combined Electrolysis Catalytic Exchange (CECE), Mound Laboratory, Miamisburg, ELEX Process in Belgium, Tsuruga, KIT - Karlsruhe,
10) Thermal Diffusion (Toyama, Nagoya),
11) Liquid-Liquid Extraction (Osaka)

[11] http://www.iaea.org/inis/collection/NCLCollectionStore/_Public/27/008/27008869.pdf?origin=publication_detail

[12] http://www.hanford.gov/

[13] Bei dem Verfahren Separation of Isotopes by Laser Excitation (SILEX) werden die Isotope in atomarer Form in die Dampfphase überführt und durch Laserstrahlung höchster Frequenzstabilität und Schmalbandigkeit getrennt. Die Laser-Isotopen-Trennung kann die Uran-Anreicherung sehr viel effizienter machen und gilt als politisch hochbrisant, da es die Verbreitung von Kernwaffen erleichtert. Siehe:
http://www.spektrum.de/news/billig-und-politisch-hochbrisant/1167510
http://www.nzz.ch/meinung/kommentare/einfach-zu-gefaehrlich-1.18340251
Das Verfahren ist schon lange bekannt:
Hans Güsten: Isotopentrennung durch Laser-Photochemie, Chemie in unserer Zeit, 11. Jahrg. 1977, Nr. 2, S. 33, ISSN0009-2851

[14] http://de.slideshare.net/gheorghevasaru1/tritium-isotope-separation-or?related=1

6. Januar 2015


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