Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → BRENNPUNKT

KOHLEALARM/044: Klimakampf und Kohlefront - für Menschen- und Heimrecht eine Glocke (GRÜNE LIGA Cottbus)


GRÜNE LIGA Umweltgruppe Cottbus - Pressemitteilungen, 9. Juni 2013

Vom Deichgraf zum Klimafürsten? -

Kohlebetroffene fordern Ministerpräsident Platzeck mit offenem Brief zum Verzicht auf neue Tagebaue auf



Taubendorf, 09.06.2013. Von der heutigen Einweihung der Mahnglocke in Taubendorf bei Guben senden die Organisatoren einen offenen Brief an Ministerpräsident Platzeck, in dem sie den Verzicht auf neue Braunkohlentagebaue fordern. Die Glocke gegen den neuen Tagebau Jänschwalde- Nord läutet ab heute täglich um 17:55 Uhr.

"Die Glocke ermahnt die Landesregierung, ihr Versprechen gegenüber den Bürgern der Region einzuhalten, dass keine weiteren Dörfer dem Kohletagebau geopfert werden." sagt Pfarrer Mathias Berndt aus Atterwasch.

In den 1990-er Jahren gab der Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Manfred Stolpe, das Versprechen, Horno sei das letzte Dorf in der Lausitz, das dem Braunkohletagebau weichen muss und der Tagebau werde an der Taubendorfer Rinne enden. Der heutige Ministerpräsident Matthias Platzeck war damals bereits Minister im Kabinett Stolpe und für die Braunkohlenplanung zuständig.

Beim Oderhochwasser 1997 hatte Platzeck die Heimat der Menschen als höchstes Gut bezeichnet, will jetzt aber der Braunkohlenwirtschaft zuliebe mehrere Dörfer gegen ihren Willen umsiedeln lassen. Der Brief geht auch auf den Zusammenhang zwischen Kohleverstromung, Klimawandel und der steigenden Häufigkeit sogenannter Jahrhunderthochwasser ein:

"Wir fordern Sie auf, das Übel bei der Wurzel zu packen! (...) Genehmigen Sie keine neuen Braunkohletagebaue, keine neuen Braunkohlekraftwerke und machen Sie sich einen neuen Namen: Werden Sie vom 'Deichgraf' zum 'Klimafürsten'!"

Bei Genehmigung eines Tagebaues Jänschwalde-Nord wäre der Ort Taubendorf von drei Seiten von der Grube umschlossen. Diese Planung verfolgen die Landesregierung und der Vattenfall-Konzern seit mehreren Jahren und brechen damit das in den 1990er Jahren gegebene Versprechen. In der vierten Richtung droht zudem noch der polnische Tagebau Gubin-Brody in Sichtweite aufgeschlossen zu werden. Das begonnene Planverfahren für einen Tagebau Jänschwalde-Nord kann die Brandenburgische Landesregierung jedoch jederzeit wieder beenden. Zu diesem Ergebnis war bereits 2012 ein Rechtsgutachten im Auftrag von GRÜNE LIGA und DUH gekommen, dem die Landesregierung bisher nicht widersprach.

Die Mahnglocke wurde von einer Bürgerinitiative aus Taubendorf ins Leben gerufen, in den vergangenen Monaten konnte der Holzturm mit zahlreichen Spenden aus der Region errichtet werden. Den vollständigen Wortlaut des offenen Briefes erhalten Sie beiliegend zu dieser Pressemitteilung.

*

Offener Brief

AGENDA 21 der Gemeinde Schenkendöbern
Arbeitskreis Öffentlichkeit & Veranstaltungen
Vors.: Pfarrer Mathias Berndt
Atterwascher Str. 51
03172 Schenkendöbern OT Atterwasch

An den
Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Herrn Matthias Platzeck!


Sehr geehrter Her Ministerpräsident Platzeck!

Seit dem 9. Juni 2013 um 14 Uhr läutet in Taubendorf bei Guben an jeden Tag um "fünf Minuten vor Feierabend" (17:55 Uhr) die Mahnglocke gegen die Fortführung des Braunkohletagebaus über die Taubendorfer Rinne hinaus. Die Mahnglocke ermahnt die Menschen, mit der Schöpfung und den Ressourcen achtsam und nachhaltig umzugehen; die Mahnglocke ermahnt die Regierung, gegebene Versprechen einzuhalten! In den 1990-er Jahren hat der Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Manfred Stolpe, das Versprechen gegeben, dass Horno das letzte Dorf in der Lausitz sei, das dem Braunkohletagebau weichen muss und der Braunkohletagebau an der Taubendorfer Rinne endet. Die Menschen haben ihm vertraut! Sie, Herr Platzeck, waren damals Umweltminister im Kabinett Stolpe. An das Versprechen des Ministerpräsidenten Manfred Stolpes sind auch Sie als jetziger Ministerpräsident des Landes Brandenburg gebunden, die Menschen verlassen sich auf die Zuverlässigkeit des gegebenen Wortes eines Landesvaters.

Heute, nur ca. 20 Jahre später erleben wir, dass die Menschen durch die Planung eines weiteren Braunkohletagebaus, Jänschwalde - Nord, bedroht werden und hier drei weitere Ortschaften mit ca. 900 Menschen umgesiedelt werden sollen. Dagegen weist das Gutachten des DIW von Prof. Dr. Christian von Hirschhausen (im Auftrag Ihres Umweltministeriums) deutlich aus, dass neue Braunkohletagebaue und -kraftwerke zur Stromversorgungssicherheit des Landes nicht nötig sind. Und es wird sichtbar, dass die Spätfolgen der seit über 100 Jahren schon bestehenden alten Kippenflächen nicht kalkulierbar, überschaubar oder beherrschbar sind (z.B. jetzt: Verockerung der Spree). Und nun sollen bis zum Ende des Jahrhunderts neue Kippenflächen angelegt werden? Das wären weitere tausende von Hektar zerstörte Natur und Gefahrenpotential.

Der beabsichtigte Aufschluss neuer Tagebaue ist ein klarer Bruch des von der Landesregierung damals gegebenen Versprechens! Worauf sollen sich die Menschen verlassen?

In ca. 1 km Entfernung von Taubendorf führt die Neiße zur Zeit bedrohliches Hochwasser, die kurzfristige Wiederkehr von 'Jahrhundertfluten' sind auch eine Folge des Klimawandels, der durch den Raubbau an der Schöpfung und damit im Zusammenhang zu einem riesengroßen Teil durch die Verstromung von Braunkohle (CO2-Ausstoß), verursacht wird. Die zunehmende Häufigkeit und Höhe der Hochwasser machen deutlich, dass mit Deicherhöhungen der Gefahr, die durch Eingriffe des Menschen in die Natur entstanden, nicht beizukommen ist.

Wir fordern Sie auf, das Übel bei der Wurzel zu packen! Die Klimaerwärmung bedroht global das Leben der Menschen, Pflanzen und Tiere, sie bedroht die gesamte Schöpfung. Als Sie 1997 den Menschen als 'Deichgraf' zu Hilfe kamen, sagten Sie: 'Es gilt, das höchste Gut der Menschen zu schützen: ihre Heimat!'. Das ist in guter Erinnerung! Helfen Sie weiter den Menschen, indem Sie auch jetzt ihre Heimat schützen und die weitere Zerstörung der Schöpfung und das Entstehen von weiteren Kippenflächen verhindern.

Genehmigen Sie keine neuen Braunkohletagebaue, keine neuen Braunkohlekraftwerke und machen Sie sich einen neuen Namen: Werden Sie vom 'Deichgraf' zum 'Klimafürsten'! Und stärken Sie das zerstörte Vertrauen der Bevölkerung in die Politik, dass die Menschen erkennen können: Gegebene Versprechen werden gehalten, auch wenn die Ministerpräsidenten wechseln!

Im Namen der Unterzeichnenden
Mathias Berndt, Pfarrer

Taubendorf, 09. Juni 2013

*

Quelle:
Pressemitteilungen vom 09.06.2013
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Umweltgruppe Cottbus
c/o Eine-Welt-Laden
Straße der Jugend 94, 03046 Cottbus
Telefon: 0355-4837815
E-Mail: umweltgruppe@web.de
Internet: www.lausitzer-braunkohle.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Juni 2013