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KOHLEALARM/706: Klimakampf und Kohlefront - konstruktive Vorschläge ... (Initiative Buirer für Buir)


Initiative Buirer für Buir - 6. Februar 2020

Brief an NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart


In einem Brief an den NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart haben wir zu den Plänen von RWE Stellung bezogen, weiteres Gelände neben dem Hambacher Wald abzubaggern, um Abraum zur Verfüllung des Lochs und und zur Rekultivierung auf der anderen Seite zu gewinnen. Diesen Plänen würden wertvolle Ackerflächen und die noch bestehenden Reste von Manheim-alt zum Opfer fallen. Dem gegenüber unterbreiten wir Alternativvorschläge und bitten den Minister um seine Unterstützung.

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Buir, den 4. Februar 2020

Strukturwandelerfordernisse Stadt Kerpen versus RWE-Planung Halbinsel Hambacher Wald - Berücksichtigung von Interessen und Erhalt der Lebensqualität von Anwohner*innen in Buir

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Pinkwart,

Die Initiative Buirer für Buir unterstützt nach Kräften die gemeinsamen Anstrengungen für einen Strukturwandel im Rheinischen Revier und setzt sich dabei insbesondere für einen nachhaltigen und für alle Beteiligten (Kommunen, Anrainer, Unternehmen, Mitarbeiter, etc.) fairen Strukturwandel ein.

Zunächst danken wir Ihnen, dass Sie schnell auf eine Richtigstellung der ursprünglich in den Aachener Nachrichten veröffentlichen und vom RWE Vorstandvorsitzenden bestätigten Insellösung des Hambacher Waldes eindrücklich reagiert und die Ihrem Hause bekannte RWE-Planung veröffentlicht haben. Auf diese dann auch von RWE am gleichen Tage bestätigte Planung nehmen wir Bezug und bitten um Berücksichtigung folgender Aspekte und Ihre Unterstützung im weiteren Prozess:

Die von RWE veröffentlichte, schematische Karte (siehe Anlage 1) sieht als Lösung eine Halbinsel des Hambacher Waldes vor - tatsächlich fehlen jedoch wesentliche vorhandene Landnahmen, wie z.B. die Kiesgruben im Vorfeld von Tagebau und Hambacher Wald. Das Areal der größten Kiesgrube wurde im vergangenen Jahr deutlich erweitert - nach unserer Einschätzung dürfte die von RWE skizzierte Abbaufläche für Rekultivierungsmaßnahmen dann auf die Kiesgrube stoßen und somit zu einer deutlich ausgeprägteren Insellage führen.

Bei Umsetzung dieser Planung träten folgende Konsequenzen auf:

• Die Stadt Kerpen hätte faktisch kaum Flächen für eigene Strukturwandelmaßnahmen im Umfeld von Tagebau Hambach und Hambacher Wald - eine stets betonte touristische naturnahe Nutzung in der Zukunft wäre ausgeschlossen.

• Eine Waldvernetzung der Bürgewälder Merzenicher Erbwald - Hambacher Wald - Steinheide zur Sicherstellung von Artenschutz, Verbesserung des regionalen Klimas und Schaffung Naturraum (auch mit Blick auf Möglichkeiten für sanften Tourismus der Zukunft und Anknüpfung an Planungen der Nachbarkommune Merzenich-Morschenich) wären unmöglich.

• Das von RWE bereits vor Jahren erfolgreich gestartete Artenschutzprogramm z.B. für die Bechsteinfledermaus müsste in weiten Teilen neu konzipiert werden, da wichtige Strecken zwischen dem Hambacher Wald und den Jagd- und Überwinterungsrevieren unterbrochen würden.

• Die Ortslage Buir, die seitens der Stadt Kerpen priorisiert für dringend benötigten Wohnraum weiterentwickelt werden soll, würde viele Jahre neben den bereits sehr die Lebensqualität beeinträchtigenden Verkehrswegen BAB 4 und Bahn zusätzliche, erhebliche Belastungen aus dem Tagebau erfahren und insbesondere die im Osten geplante Erweiterung um Wohngebiete (z.B. Gartenstadt Buir) erschweren.

• Für die Verkehrswege BAB 4 und Schnellbahnstrecke Köln-Aachen-Paris steigt das Risiko durcheine nah an den Trassen geführte Tagebauaktivität.

• Das Überleben des Hambacher Waldes würde substanziell gefährdet. Laut Aachener Nachrichten hat der RWE-Vorstandsvorsitzende in einer Telefonkonferenz bestätigt, dass bereits heute durch den lediglich 50 Meter großen Abstand zwischen Wald und Tagebaukante die Gefahr besteht, dass Teile des Waldes abrutschen. Die Hochschule Eberswalde und das Potsdam-Institut für Klimaforschung haben darüber hinaus per Studie ermittelt, dass eine bewachsene Pufferzone von 500 Metern zwischen Tagebau und Wald vonnöten sei. Die geplante Halbinsellösung würde dies aus unserer Sicht nicht zulassen.

• Der zu erwartende Rechtsstreit um die Enteignung des Grundstückes des BUND NRW zwischen Manheim-Alt und dem Hambacher Wald würde wohl zu einer jahrelangen Planungsunsicherheit für die Kommune Kerpen und betroffene Anrainer führen.

• Wertvolle, qualitativ hochwertige Ackerflächen würden zusätzlich unwiederbringlich zerstört.

Wir halten diese Vorgehensweise, vorne Flächen zu zerstören, um hinten Böschungen zu stabilisieren, die erst nach den Empfehlungen der Kommission WSB geschaffen wurden, in der heutigen Zeit nicht mehr für angebracht. Sie nimmt den Menschen und der Region Chancen für Zukunftsperspektiven. Zudem bleibt die Frage offen, woher die Massen zur Verfüllung der neuen Abgrabungen kommen sollen.

Wir schlagen daher vor, dass unter enger Mitarbeit des Landes NRW, der Anrainerkommunen und VertreterInnen der Zivilgesellschaft sehr zeitnah alle denkbaren Szenarien geprüft werden, vorhandene Gesteinsmassen im Tagebauumfeld zu verwenden. Beispielhaft seien die deponierten Abraummengen der noch nicht rekultivierten Außenkippe an der Sophienhöhe aufgeführt.

Um Rekultivierungsanforderungen erfüllen zu können, schlagen wir vor, dass das zentrale Rekultivierungsgebiet "Sophienhöhe" ausgeweitet wird auf den Raum um den Hambacher Wald - also die o.a. Waldvernetzung und eine nach Süden hin verlaufende Walderweiterung erfolgt. Diese Vorgehensweise wurde bereits erfolgreich beim RWE-Artenschutzprogramm angewendet. Hier stellen wir uns u.a. auch die Ansiedlung von Reallaboren vor, die für die Forschung klimaresistenter Zukunftswälder wertvolle Arbeit leisten können.

Weiterhin schlagen wir vor, dass sehr zeitnah eine Machbarkeitsstudie für den Restsee-Hambach (mit gleichen, bereits oben genannten Beteiligten) erfolgt. Diese sollte dann Klarheit geben, ob ein See unter der Maßgabe des Schutzes der wertvollen Ressource Wasser realisierbar ist und ob und welche Teile des Tagebaus in welchem Zeitraum unter Berücksichtigung auch von Faktoren, wie Weiterentwicklung Klimawandel und Folgen für Gewässer (z.B. Rhein) mit größter Wahrscheinlichkeit als Restsee umsetzbar sind - und welche Szenarien für die verbleibenden Tagebauflächen entwickelt werden können - unter den Aspekten Sicherheit, Naturraum, Kosten und strukturentwicklungsrelevanten Faktoren.
Ein weiterer zu berücksichtigender Aspekt ist die Realisierung von Windkraftanlagen, der ersten deutschen Gigawatt-Phovoltaikanlage am Südhang der Abraumhalde Sophienhöhe, schwimmende PV-Anlagen im möglichen Restsee sowie Anlagen zur Sektorkopplung, z.B. zur Wasserstofferzeugung als Leuchtturmprojekt des Strukturwandels hin zu erneuerbaren Energien


Wir würden uns freuen, wenn Sie sich aktiv einbringen würden in die Diskussion um die Ermöglichung von Strukturwandelmaßnahmen für Kerpen, die Entwicklung zukunftsweisender Raumgestaltung im Bereich Hambacher Wald und Sophienhöhe in Verbindung mit Tagebau Hambach und damit verbunden einem fairen Umgang mit allen vom Tagebau Betroffenen in der Region. Jede Raumentwicklung muss an die Stärken und Chancen anknüpfen. Im definierten Raum zwischen der Kartbahn und Morschenich und der BAB A 4 alt und neu sind das die Kerne der alten Bürgewälder, die es im Sinne des Klima- und Umweltschutzes und der Biodiversität nachhaltig zu vernetzen gilt.

Über eine Antwort hinsichtlich unserer aufgezeigten Risiken und vorgeschlagenen Alternativen sowie der prozessualen Anregungen freuen wir uns. Gerne sind wir auch bereit Ihnen unsere Ideen persönlich vorzustellen.

Zur Schaffung von Transparenz erhalten dieses Schreiben Stadt Kerpen, Gemeinde Merzenich, Mitglieder kleine WSB-Kommission und Landrat des Rhein-Erft-Kreises, Zukunftsagentur Rheinisches-Revier, RWE, Landes-Umweltministerium - darüber hinaus findet eine Veröffentlichung für die Zivilgesellschaft via Presse statt.

Mit freundlichen Grüßen,
Andreas Büttgen


Anlagen:
- 1. RWE-Skizze Halbinsel-Lösung Hambacher Wald
- 2a. Waldvernetzung und -ausbau (Vorschlag ZKS)
- 2b. Waldvernetzung und -ausbau (Vorschlag ZKS) inklusive Kiesgruben
- 3. Vernetzungskonzept - Weiterentwicklung inkl. Kiesgruben, Manheim/Morschenich, Kartbahn dynamisch in google unter:
https://www.google.com/maps/d/viewer?mid=1RM7Nloo-FNuns1HWIT-QPqKIV-nVBteeo&ll=50.87954739190235%2C6.593048050000107&z=12
- 4. Planung Kiesgruben im Bereich Hambacher Wald/Tagebau Hambach

Die Anlagen sind einzusehen in der PDF-Version des Briefes unter:
www.buirerfuerbuir.de/images/pdf/brief_min_pinkwart.pdf

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Quelle:
Initiative Buirer für Buir, Kerpen-Buir
E-Mail: info@buirerfuerbuir.de
Internet: www.buirerfuerbuir.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Februar 2020

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