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AKTION/266: Kohlekraftwerk Moorburg - Baumbesetzung bremst Klimakiller (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 105/2.2010
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

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Baumbesetzung bremst Klimakiller!
Eine persönliche Chronologie

Von Aglaia Abel, Ilka Rabeneck und Daniel Häfner


Vattenfall plant, dass das umstrittene Kohlekraftwerk Moorburg 2012 mit einer Leistung von 1.600 MW ans Netz gehen soll. Die CO2-Emissionen Hamburgs werden dann um 40 Prozent steigen. Nach heftigen Protesten genehmigte die schwarz-grüne Koalition den Kraftwerksbau. Bestandteil der Genehmigung ist auch, Fernwärme zu liefern. Eigentlich eine ökologische Energienutzung, aber mit dem klimaschädlichen Kraftwerk wird die Energiepolitik in Hamburg für die nächsten 40 Jahre festgeschrieben und eine ökologische, dezentrale Energieversorgung würde technisch unmöglich.

Im Sommer 2009 genehmigt die von den Grünen geführte Umweltbehörde auch die Fernwärmeleitung im Eilverfahren - unter Ausschluss der Umweltverbände und BürgerInnen. Zahlreiche Grünanlagen sollen durch den Bau der Trasse zerstört werden. Doch schnell formiert sich Widerstand: die Bürgerinitiative "Moorburgtrasse stoppen" gründete sich, der BUND reicht Klage ein. Für uns ist die Moorburgtrasse der richtige Angriffspunkt, um das Kraftwerk doch noch zu stoppen.

Am 18. Dezember 2009 legen wir los, parallel zu der Demonstration "Recht auf Stadt", an der über 4.000 Menschen teilnehmen. Mit viel Unterstützung ziehen wir im Gählerpark die ersten Plattformen in die Bäume. Am anderen Ende des Parks haben AnwohnerInnen bereits eine Eiche besetzt.

Bei Schnee und minus 15 Grad machen von nun an ein paar hartgesottene Aktive Dauerschicht auf und unter den besetzten Bäumen. Viel ist für die BesetzerInnen und die Leute unten zu tun: Die Infrastruktur muss aufgebaut werden, PassantInnenen sind zu informieren, Pressearbeit zu machen und der normale Alltag zu bewältigen.

Mitte Januar ist der Park eine einzige Eisfläche. Ein Seilweg führt durch den gesamten Park. Mittlerweile sind sechs Plattformen in den Bäumen! Pressebesuche sind an der Tagesordnung. Die Unterstützung in der Nachbarschaft ist beeindruckend und entschädigt uns für das Ausharren bei Minustemperaturen: Wir werden mit Tee, warmem Essen, Knabbereien und allem, was wir brauchen, versorgt. Das Nachbarschaftshaus im Par k können wir als warmen Aufenthaltsraum und Kochmöglichkeit nutzen.

Die Zahl der Menschen im SMS-NotrufVerteiler der Bürgerinitiative ist auf mehr als 1.000 angestiegen.

Mitte Februar haben wir uns an den vielen Schnee gewöhnt und auch an die täglichen Besuche der Polizei. Ein Tipi und die Feuertonne haben den Ort längst zum Treffpunkt für AnwohnerInnen und SympathisantInnen gemacht. Gespräche am Feuer, Trommeln, Feuershow und Open-Air-Filmabende verleihen dem Ganzen einen gemütlichen Charakter. Trotzdem rechnen wir stets mit einer Räumung: Der Auftrag für die Baumfällungen ist mittlerweile vergeben und auch die Polizei scheint sich auf eine Eskalation vorzubereiten.

Am 24. Februar gibt es positive Nachrichten! Das Oberverwaltungsgericht (OVG) verhängt einen einstweiligen Baustopp. Der BUND, dessen erste Klage noch abgelehnt wurde, bekommt vor dem OVG Recht. Die Moorburgtrasse darf erstmal nicht gebaut werden. Nun muss ein neues Genehmigungsverfahren durchgeführt werden, mit Umweltverträglichkeitsprüfung, Bürgerbeteiligung und Anhörung!

Mitte März: Abschiedsparty, jetzt im Regen! Überall im Park "Gute Stimmungs-Inseln": An den Feuertonnen, beim Schnupperklettern, am Kuchenstand, im Tipi und nicht zuletzt vor der Bühne. Auch ein wenig Wehmut macht sich breit, bei uns und bei den AnwohnerInnen. Als Erinnerung an die Proteste bleiben ein Transparent und die Feuertonne im Park. Dass die Bäume noch stehen, ist unserem Widerstand vor Ort zu verdanken. Für uns BesetzerInnen war es eine anstrengende, intensive und bereichernde Zeit. Baumbesetzungen beinhalten das Leben mit vielen Menschen, wie in einer riesigen Wohngruppe. Für manche von uns war es der "erste Wohnsitz", manche blieben tagsüber, andere seilten sich morgens ab und gingen zur Arbeit. Es gab Probleme, aber vor allem ein unbeschreibliches Gemeinschaftsgefühl. Und unser Einsatz hat sich gelohnt. Nach dem Versagen der Politik in Kopenhagen und Hamburg haben wir Klimaschutz von unten praktiziert Vattenfall konnte keine Fakten schaffen, bevor das Gericht entschied.

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Protest gegen Vattenfall bei Dauerfrost: Mehr als zwei Monate halten ROBIN WOOD-AktivistInnen Bäume im Altonaer Gählerpark besetzt


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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 105/2.2010, s. 35-36
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2010