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ATOM/328: Atomlobby raus aus der Atomaufsicht! (.ausgestrahlt)


.ausgestrahlt / Gemeinsam gegen Atomenergie - Hamburg, 17. Januar 2014

Atomlobby raus aus der Atomaufsicht!

Umweltministerin Hendricks entlässt Hennenhöfer



Manchmal braucht es etwas länger zum Erfolg. Im Dezember 2009 hatten wir diese Aktion gestartet. Mehr als 11.000 Menschen hatten den offenen Brief an den an den damaligen Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) unterschrieben. Röttgen hat die Berufung des Atom-Lobbyisten Gerald Hennenhöfer zum neuen Chef der Abteilung Reaktorsicherheit im Umweltministerium dennoch nicht zurückgenommen. Auch sein Nachfolger Peter Altmaier (CDU) hat an dem Atom-Lobbyisten weggefallen. Vier Jahre und einen Regierungswechsel später hat Barbara Hendricks (SPD), Umweltministerin in der großen Koalition, Hennenhöfer entlassen.

Raute

.ausgestrahlt - Hintergrundinformation

Atomlobby raus aus der Atomaufsicht!

Warum Gerald Hennenhöfer als oberster Atomaufseher völlig ungeeignet und untragbar ist


Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) hat den Vertrag mit Gerald Hennenhöfer als Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium um zwei Jahre verlängert. Unter Norbert Röttgen wurde Hennenhöfer 2009 in das Amt berufen, damals hatten wir von .ausgestrahlt zu Protesten aufgerufen und auf die untragbare Personalie hingewiesen. Der Atomlobbyist Hennenhöfer ist ist für den Posten und eine glaubwürdige Kontrolle der Atomrisiken absolut ungeeignet:
Hennenhöfer sorgte dafür, dass die westdeutschen Atomkonzerne 22.000 Kubikmeter Strahlenmüll in die DDR-Atommüllkippe Morsleben verfrachten durften - obwohl schon damals bekannt war, dass die Grube undicht und einsturzgefährdet war. Das Bundeamt für Strahlenschutz hatte Hennenhöfer 1996 persönlich vor den Gefahren gewarnt. Die Sanierung dieser nuklearen Altlast kostet die SteuerzahlerInnen heute mehrere Milliarden Euro.

Mit Weisungen an die hessischen Atomaufsicht verhinderte Hennenhöfer im Jahr 1997 die Stilllegung der beiden Pannen-Reaktoren Biblis A und B. Diese gehörten zu den gefährlichsten Meilern der Republik und erfüllten schon damals nicht die gültigen Sicherheitsanforderungen an Atomkraftwerke.
Beim Skandal um die verstrahlten Castor-Behälter 1998 reagierte Hennenhöfer erst nicht, dann behauptete er, er habe von nichts gewusst - obwohl in Fachkreisen seit den 1980er-Jahren bekannt war, dass bei den Atommüll-Transporten quer durch Europas Städte die Strahlendosen zum Teil weit über den Grenzwerten lagen. Hennenhöfer hat also entweder gelogen oder als oberster Atomaufseher komplett versagt.

Unter der rot-grünen Regierung flog Hennenhöfer 1998 aus dem Amt. Seinem Engagement für die Interessen der Atomindustrie tat das keinen Abbruch. Als "Generalbevollmächtigter für Wirtschaftspolitik" bekam er prompt eine Anstellung beim Atomkonzern VIAG (heute: E.on):

Als Vertreter von VIAG handelte Hennenhöfer die wachsweichen und industriefreundlichen Regelungen im sogenannten "Atomkonsens" mit aus. Der sicherte den Stromkonzernen etwa den "ungestörten Betrieb der Kernkraftwerke wie auch deren Entsorgung zu". Er wechselte also von der Seite der Behörden auf die Seite der Konzerne und saß somit bei den Verhandlungen dem Mann gegenüber, der ihn als Abteilungsleiter rausgeschmissen hatte.

Von 2004 an arbeitete der Jurist und Lobbyist als Rechtsanwalt in Berlin - weiterhin stets auf Seiten der Atomindustrie:
In Gutachten plädierte Hennenhöfer entgegen dem von ihm mit ausgehandelten "Atomkonsens" für Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken. Dem Bundesumweltministerium, das die Übertragung von Laufzeiten von neuen auf alte Reaktoren mit Verweis auf die schlechteren Sicherheitsstandards der älteren Anlagen ablehnte, entgegnete er, dass auch die ökonomischen Interessen der Reaktorbetreiber berücksichtigt werden müssten.
Im Auftrag des Reaktorbauers Siemens setzte Hennenhöfer den Bau und Betrieb des Forschungsreaktor FRM-II mit waffenfähigem Uran in Garching durch.
Als Anwalt und Berater war Hennenhöfer maßgeblich mitverantwortlich für die Vertuschung der katastrophalen Zustände im Atommülllager Asse. Dokumente belegen, wie er dem Münchner Helmholtz-Zentrum als dem Betreiber der Atommüllkippe und dem Betriebsleiter der Grube riet, die Bevölkerung und den niedersächsischen Landtag über die tatsächlichen radioaktiven Gefahren im Unklaren zu lassen. Hennenhöfer nahm damit eine Gefährdung der Bevölkerung wissentlich in Kauf.

Im Jahr 2009 berief der damalige Umweltminister Norbert Röttgen Gerald Hennenhöfer erneut als Chef der Abteilung für Reaktorsicherheit im Umweltministerium. Und auch seit dem erneuten Antritt bewies Hennenhöfer, dass er nicht für diesen Posten geeignet ist:
Er war im Jahr 2010 an den Verhandlungen für eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke und den dabei ausgehandelten Zusatzgewinne für die AKW-Betreiber beteiligt. Dies stand im Gegensatz zu anders lautenden Aussagen Röttgens, der eine Beteiligung seines Ministeriums an den Verhandlungen abstritt.
Im Rahmen der Laufzeitverlängerung prüfte das BMU, ob bei Anträgen über die Laufzeitübertragung von neuen auf alte AKW nicht nur Sicherheitsfragen, sondern auch betriebswirtschaftliche Gründe der Betreiberfirmen ausschlaggebend sein sollten. Dies entspricht der Meinung, die Hennenhöfer bereits als Anwalt für die Atomlobby vertrat.
Als im Jahr 2010 im AKW Grafenrheinfeld nahe des Druckbehälters ein Riss entstand, ließ Hennenhöfer das AKW trotz größter Bedenken und Widerstand, insbesondere auch in der eigenen Abteilung, weiter in Betrieb.

Die Sicherheit der Atomkraftwerke hängt Jahrzehnte hinter dem Stand von Wissenschaft und Technik. Bei den neun noch laufenden Reaktoren sind Fehlfunktionen, Materialermüdung und kaputte Elektrik an der Tagesordnung. Dies zeigt auch die aktuelle Überarbeitung des Kerntechnischen Regelwerks. Eine Aufrüstung würde hohe Kosten für die Betreiber bedeuten, was weder im Interesse der Atomkonzerne noch von Atomlobbyist Hennenhöfer liegt.

Umso wichtiger ist es, dass das Bundesumweltministerium konsequent die Sicherheits-Interessen der Bevölkerung vertritt - und nicht die Profit-Interessen der Stromkonzerne.

Kann jemand, der wie Hennenhöfer systematisch Gefahren und Risiken der Atomkraft ausblendet, vertuscht und verheimlicht, weiterhin die Sicherheit von Atomkraftwerken kontrollieren? Kann jemand, der zusah und schwieg, wie in Morsleben und Asse Decken einstürzten, Wasser hereinbrach, Atommüllfässer platzten, für einen sicheren Umgang mit Atommüll sorgen? Kann jemand, der jahrelang für die Atomindustrie gearbeitet hat, die Interessen der Bevölkerung gegen die der Konzerne durchsetzen? Wohl kaum!

Mit der Verlängerung des Vertrages mit Hennenhöfer, der skrupellos und bewusst alle Risiken ausblendet, folgt Altmaier dem Irrweg von Röttgen, der schon gezeigt hatte, dass eine seriöse Atompolitik mit ihm nicht möglich ist. Es darf nicht sein, dass sich die Atomindustrie quasi selbst kontrolliert! Deshalb fordern wir von Herrn Altmaier, die Verlängerung des Vertrages mit Gerald Hennenhöfer als Chef der Abteilung Reaktorsicherheit des Bundesumweltministeriums umgehend zurückzunehmen.

http://www.ausgestrahlt.de/aktionen/atomaufsicht/hintergrund-info.html

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Quelle:
Presseerklärung, 17.01.2014
Herausgeber: .ausgestrahlt
Marienthaler Straße 35, 20535 Hamburg
E-Mail: info@ausgestrahlt.de
Internet: www.ausgestrahlt.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2014