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BERICHT/007: 20 Jahre Rhein-Main-Donau-Kanal - verheerende ökologische und ökonomische Bilanz (BN)


Bund Naturschutz in Bayern e.V. - München, 10. September 2012

20 Jahre Rhein-Main-Donau-Kanal

Ein umkämpftes Prestigeprojekt der bayerischen und bundesdeutschen Regierung wird 20 Jahre alt. BUND Naturschutz zieht verheerende ökologische und ökonomische Bilanz



Von Anfang an hat sich der Bund Naturschutz gegen den Bau des rund 100 Kilometer langen Kanalabschnitt zwischen Nürnberg und Kelheim gewandt, weil die Querung einer europäische Wasserscheide zwangsläufig mit gewaltigen Natureingriffen verbunden und der Kanal durch ein Gebiet fern der Ballungsräume führt und daher wertvollste Biotopflächen sowie Kulturlandschaften geopfert wurden. Auch 20 Jahre nach Eröffnung des Rhein-Main-Donau-Kanals zwischen Nürnberg und Kelheim gibt es nicht nur keinen Anlass zum Jubel, ganz im Gegenteil: "Der Rhein-Main-Donau-Kanal steht beispielhaft für ein unsinniges und naturzerstörendes Prestigeprojekt der damaligen Bundesregierung und der bayerischen Staatsregierung. Der politische Traum wurde zum ökologisch-ökonomischen Alptraum", so BUND Naturschutz Vorsitzender Hubert Weiger. Der BUND Naturschutz fordert, aus dem RMD-Desaster die Konsequenzen zu ziehen und auf weitere Prestigeprojekte wie die Kanalisierung der frei fließenden Donau zwischen Straubing und Vilshofen endlich zu verzichten.

Der rund 100 km lange Rhein-Main-Donau-Kanal südlich von Nürnberg führt über die europäische Wasserscheide Rhein/Donau und durchquert den Fränkischen Jura. Der Höhenanstieg von Nürnberg nach Hilpoltstein (Scheitelhaltung auf 405 m NN) beträgt 94 Meter. Dies hatte alleine auf diesem Abschnitt vier gewaltige Schleusenbauwerke und damit Auffüllungen und Einschnitte in den jeweiligen Stauhaltungen von bis zu 20 Metern zur Folge. Für die 171 km lange Gesamtstrecke des Kanals zwischen Bamberg und Kelheim mussten insgesamt 16 Schleusen gebaut werden.

1. Ökologische Zerstörung

Nur aufgrund des Einsatzes des BN und örtlicher Proteste im Sulztal und im Altmühltal wurde erstmals 1972 ein landschaftspflegerischer Begleitplan aufgelegt, in dem versucht wurde Eingriffe zu reduzieren und Ausgleichsmaßnahmen zu veranschlagen. Gleichzeitig wurde der RMD AG in den Planfeststellungsverfahren die Durchführung dieser Maßnahmen zur Auflage gemacht.

Entgegen den verbindlichen Vorgaben des Planfeststellungsbeschlusses gibt es bis heute keine offizielle ökologische Gesamtbilanz, in der die negativen Auswirkungen des Rhein-Main-Donau-Kanals auf Naturhaushalt und Landschaftsbild der betroffenen Region dokumentiert werden. Es liegen erst zwei abgeschlossene Einzelbilanzen vor, nämlich zur Stauhaltung Kelheim (1996) und zur Stauhaltung Riedenburg (1997). in den anderen Bereichen wird immer noch "nachgebessert" oder es mussten Ersatzzahlungen geleistet werden, weil die Eingriffe dort bis heute (!) noch nicht entsprechend der Vorgaben der damaligen Planung "ausgeglichen" sind - und es im ökologischen Sinne auch nie sein werden.

Dabei sind dem Kanalbau schutzwürdigste Täler wie Sulztal, Ottmaringertal und Altmühltal - Höhepunkte mitteleuropäischer Kulturlandschaft - zum Opfer gefallen. Nach Erhebungen des BN wurden vor allem in diesen Tälern circa 600 ha schutzwürdige Feuchtgebiete und weitere ökologisch besonders wertvolle Flächen irreparabel vernichtet.

Die Sulz zwischen Berching und Beilngries und die Altmühl unterhalb von Dietfurt haben aufgehört als Flüsse zu existieren. Sie wurden in einen Kanal umgewandelt, der quasi nur aus einer Staukette mit wechselnder Durchflussrichtung besteht und in welchem nachts Donauwasser nach Norden gepumpt und dem Regnitz/Main-System zugeführt wird.

Die Folgen:
  • Verlust der natürlichen Dynamik im Gewässer und in der Auenlandschaft
  • Nivellierung des Talgefälles auf Null.
  • Verlust der Wasserstandsschwankungen und der Grundwassererneuerung in der Talaue
  • Verschlechterung der Wasserqualität. Auch ehemals nährstoffarme Gewässer mit Grundwassereinfluss sind heute völlig eutrophiert (z.B. Altwasser bei Essing)
  • Absenkung des Grundwasserstandes in der Talaue um bis zu 3,5 m unterhalb der Schleuse, Auffüllungen bis zu 3-4 m oberhalb der Schleuse.
  • Umwandlung von Feuchtwiesen in intensive Produktionslandschaften, somit deutliche Erhöhung des Ackerflächenanteiles im Talraum.
  • In der Folge Verlust zahlreicher ehemals für die Flüsse und deren Feuchtgebiete typischer Arten und Lebensräume sowie Veränderungen in der Artzusammensetzung von Lebensräumen zuungunsten hochspezialisierter gefährdeter Tier- und Pflanzenarten. Verringerung der Artenvielfalt im Kanal und in der Talaue um durchschnittlich 50 Prozent - in Teilbereichen deutlich größer.
  • Landschaftsbild, Infrastruktureinrichtungen sowie die ehemals bekannten und typischen Ortsbilder haben sich durch den Kanalbau erheblich negativ verändert. In den Ortschaften sind neue Gebäudeschäden eingetreten und haben sich alte Gebäudeschäden (z.B. in Dietfurt) verschärft. Beispielsweise neigt sich In Essing am Oberen Markt Nr. 16 seit der Grundwasserabsenkung der Giebel zur Straße.

Verschärft wurden diese negativen Folgen durch Folgebaumaßnahmen im Tal wie Straßenbau, Flurbereinigung, Aushubdeponien, Infrastruktureinrichtungen, Gewerbegebietsausweisungen an Länden und Maßnahmen für Freizeit und Erholung (z.B. neues Gewerbe- und Industriegebiet am Kanal in Haidhof).

Generell hat die Hemmschwelle für Kommunen, neue Gewerbegebiete oder Baugebiete im Talbereich auszuweisen, deutlich abgenommen.

Beispiele für Verlust von Arten durch den Kanalbau:
  • Amphibien: Erdkröte und Wasserspitzmaus sind in weiten Bereichen völlig verschwunden, von ehemals 7 Erdkrötenpopulationen zwischen Kelheim und Riedenburg sind nur noch 2 übrig geblieben. Die Erdkröte war vor dem Bau des Kanals die "Charakterart", die nun ihre Dominanz verloren hat. Die Bestände von Teich- und Bergmolch haben zahlenmäßig stark abgenommen, der Kammolch ist aus einigen Bereichen völlig verschwunden.
  • Bei den Vogelarten haben z.B. abgenommen: Rohrammer, Sumpfrohrsänger, Feldschwirl, Braunkehlchen, Kiebitz, Eisvogel, Zwergtaucher, Gelbspötter, Kleinspecht. Im Bereich Riedenburg sind beispielsweise folgende Arten mit enger Bindung an den Talraum sind wegen Lebensraumverlusten völlig verschwunden: Bekassine, Pirol, Schafstelze, während häufige Arten wie die Reiherente zugenommen haben.
  • Libellen: "Auf lange Sicht werden sich "Auendynamikzeiger als typische flussdynamikabhängige Arten im Bereich der Sekundärlebensräume ohne ständige Pflegeeingriffe nicht halten können." (Bilanz Stauhaltung Riedenburg 1997).
  • Heuschrecken: Im Bereich der Stauhaltung Riedenburg haben die feuchtigkeitsliebenden Offenlandarten stark abgenommen.
Ausgleichsversuche

Die Verluste an Feuchtwiesen sollten nach dem landschaftspflegerischen Begleitplan möglichst durch Neuflächen ausgeglichen werden, was aber nicht eingetreten ist. In den vorgelegten Teilbilanzen für die Stauhaltung Riedenburg hat das Büro Grebe 1997 den enormen Verlust an Feuchtwiesen festgehalten. Daran zeigt sich, dass derartig massive Eingriffe nicht zu beheben sind:

"Die wichtigsten Unterschiede des Ist-Zustandes zu den Planungsabsichten sind: Beim Grünland wurde gegenüber dem landschaftspflegerischen Begleitplan ein Zuwachs um 24,23 ha oder 18,2% festgestellt, allerdings ist die Neuschaffung von Feuchtwiesen bislang nur auf 0,3 ha gelungen."

Vor allem dort, wo der Kanal im Einschnitt verläuft (z.B. bei Meihern) ist aus dem ehemals "grünen Tal" ein "braunes Tal" geworden.

Die Ausgleiche haben ihre Wirkung in vielen Fällen verfehlt und vor allem störunempfindliche Arten blieben erhalten. In der Teilbilanz zur Stauhaltung Riedenburg stellt folgerichtig das Planungsbüro Grebe (1997, S.109) fest:

"Bezeichnend ist, daß bei fast allen Tiergruppen die erhalten gebliebenen Flächen und Biotope die wertvollsten Bestände beherbergen. Diese Qualität erreichen bislang nur wenige neu geschaffene Flächen." (eigene Hervorhebung).

Dass die ökologischen Kontrollbilanzen für die Stauhaltungen Riedenburg und Kelheim trotz der festgestellten ökologischen Verschlechterungen und Defizite als abgeschlossen betrachtet werden, zeigt die rhetorische Dehnbarkeit der sogenannten Ausgleichbarkeit. Trotz erheblicher Verschlechterungen und Verluste wird in Zusammenfassungen derartiger Bilanzen dann letztlich konstatiert, dass die in der Planung formulierten Ziele weitgehend erreicht werden konnten - das ist Rhetorik, die aber nichts mit einer echten ökologischen End-Bilanz zu tun hat.

Hier werden die Grenzen einer heute in fast allen Planungen vorherrschenden Ausgleichs- und Planungs- und Machbarkeits-Gläubigkeit deutlich sichtbar. Die Natur ist eben nicht so gestaltbar und "ausgleichbar" wie es immer wieder dargestellt wird. Tiere weichen eben nicht einfach mal in andere Biotope aus, wenn Ihnen ihr Haupt- Lebensraum genommen wird. Die Komplexität der Zusammenhänge zwischen den Arten und ihrer Lebensräume ist in der Regel eben höher als es eine noch so gut gemeinte Planung durch den Menschen nachbilden kann. Ökologie ist mehr als die Planung von Ausgleichsmaßnahmen.

Gerade Schäden einer solchen Größenordnung in sensiblen Lebensräumen und grundlegende Veränderungen im Wasserhaushalt eines Gebietes können nicht ausgeglichen werden, wenn die grundlegenden und spezifischer Standortverhältnisse (hier Fliegewässer- und Grundwasserdynamik) verloren gegangen sind. Aus ökologischer Sicht war das absehbar, die Warnungen des BN vor den irreversiblen Zerstörungen haben sich im Nachhinein - leider - als richtig herausgestellt.

Fazit: Der Eingriff ist damit nicht "ausgeglichen" und kann es auch nie werden

Aus ökologischer Sicht führte der Bau des RMD-Kanals zu einer Vielzahl nicht ausgleichbarer Eingriffe. Unersetzbare Lebensräume und ganze Feuchtlandschaften, v.a. Niedermoorgebiete, wie das Ottmaringer Tal oder die Irrlewiesen sind dabei massiv geschädigt bzw. zerstört werden. Bis heute sind diese Schäden nicht ausgeglichen und viele Maßnahmen sind nichts anderes als Schönheitschirurgie.

2. Ökonomische Fehlinvestition

Die tatsächlich auf diesem mit fast 2,5 Milliarden EURO teuersten Abschnitt des Rhein-Main-Donau-Kanals transportierten Gütermengen liegen weit unter den offiziellen Prognosen der Rhein-Main-Donau-AG von 1992. Danach sollten bis 2002 18 Millionen Tonnen auf dem RMD-Kanal transportiert werden. Das Ifo-Institut aus München verstieg sich 1971 sogar zu einer Hochrechnung von jährlich mehr als 20 Millionen Tonnen.

Auf dem besonders umstrittenen Abschnitt zwischen Nürnberg und Kelheim wurden im Jahr 2002 lediglich 6,2 Mio. t transportiert. Weitere 10 Jahre später ist die Frachtmenge sogar noch weiter gesunken: Im Jahr 2009 wurden nur noch 4,8 Millionen Tonnen befördert, 2010 5,2 Millionen Tonnen und 2011 sank das Frachtaufkommen um über eine Millionen Tonnen auf 4,1 Millionen Tonnen.

Die Prophezeiung des bayerischen Ministerpräsidenten Max Streibls anlässlich der Kanaleinweihung am 25.09.1992, dass "der Ausbau dieser Binnenschifffahrtswege (...) eine zukunftsweisende Antwort auf den internationalen Güteraustausch" sei, findet sich in der Realität nicht wieder. Die massive Zunahme des Güterverkehrs, die internationale Verflechtung der Produktionsstandorte, alle weiteren Aspekte, die man unter dem Begriff Globalisierung zusammenfasst, haben fast keine Auswirkungen auf den Kanal. Er besitzt keine große Verkehrsfunktion für die Anbindung bayerischer Häfen an den Rhein oder an Österreich und Ungarn, geschweige denn kann man von einer "internationalen Verkehrsachse" sprechen. Über den Kanal wird weitgehend Regionalverkehr abgewickelt. Das Güteraufkommen ist derart gering, dass es sogar möglich ist Rekorde in der Ausflugsschifffahrt aufzustellen.

Ein Vergleich mit dem Verkehrsaufkommen bei der Mainmündung in den Rhein bei Mainz-Kostheim zeigt deutlich die geringe Verkehrsverflechtung:

Während vom Rhein kommend oder diesem zufließend der Verkehr bei Kostheim erhebliche Dimensionen erreicht, liegt er bei Kelheim weit darunter. Mit der Differenz der Frachtmengen zwischen Kostheim und Kelheim pro Jahr von je 10 bis über 20 Millionen Tonnen werden Standorte vornehmlich im Rhein-Main-Gebiet bedient, also Höchst, Frankfurt am Main, Hanau, Aschaffenburg, Würzburg, Schweinfurt. An der Schleuse Bamberg-Viereth, die den nördlichen Zugang zum Kanal bildet betrug die Frachtmenge 2011 auch nur 4,7 Millionen Tonnen (WSV Süd, Jahresbericht 2011, S.16). Bei Jochenstein passierten im Jahr 2011 nur 4,5 Millionen Tonnen (a.a.O. S.24) die deutsch-österreichische Grenze. Da auch noch weitere Häfen (u.a. Erlangen, Nürnberg, Kelheim, Regensburg) bedient werden, liegt die internationale Verkehrsleistung von der Nordsee bis zur deutsch-österreichischen Grenze bei vermutlich unter 3 Millionen Tonnen mit deutlicher Tendenz zu 2 Millionen Tonnen.

Entlang des Kanals hat auch kein großer Industriebetrieb eröffnet. Im Gegenteil wird er durch die zunehmende Deindustrialisierung Frankens und der Oberpfalz noch weniger genutzt wie die Schließungen des Kraftwerks Franken II bei Erlangen oder der Maxhütte bei Sulzbach belegen. Der groß ausgelegte Hafen Nürnberg wird vielfach von LKW-Speditionsunternehmen und Firmen mit hohem Flächenanspruch (z.B. Recycling) genutzt. Der Güterumschlag ist auch hier abnehmend und fällt selbst hinter Zahlen der 80er Jahre zurück.

Großunternehmen wie AUDI in Ingolstadt nutzen die Eisenbahn und den LKW. Eine Forderung der Industrie Ingolstadt mit Hafen zu versehen um die Firmenstandorte in Ungarn und in der Slowakei anzubinden wurde nie erhoben. Zwar wurde dies in den 80er Jahren mit der Schiffbarmachung bis Ulm von der Politik verfolgt, aber bereits Ende der 80er Jahre durch Streichung des Ziels aus dem Landesentwicklungsplan beerdigt.

Die ökonomische Marginalisierung des Kanals hat weder mit der Argumentation der RMD AG zu tun, dass aufgrund des noch nicht erfolgten Donauausbaus zwischen Straubing und Vilshofen Probleme bestehen würden, noch mit Wasserstandstiefen oder mit dem Zufrieren des Kanals. Es ist dasselbe Problem, das auch zur Einstellung des Ludwig-Donau-Main-Kanals geführt hatte: Andere Verkehrsträger sind billiger und schneller. Kein Unternehmen würde "die internationale Verkehrsachse" nehmen um Güter von der Nordsee ins Schwarze Meer zu transportieren, weil es zu lang dauert und zu teuer ist. So benötigt ein modernes Frachtschiff von Rotterdam zum Schwarzen Meer über Gibraltar gerade 6 Tage, aber über den Main-Donau-Kanal über 20 Tage. Die Tonnagekapazität eines Binnenschiffs im Vergleich zu einem für die Weltmeere geeigneten Transportschiff ist gering. Die Wartezeiten an den Schleusen sind enorm und schließlich fallen zusätzlich Kanalgebühren an.

Bedeutung auf dem Kanal hat nur die Freizeitschifffahrt zwischen Kelheim und Berching sowie die Überleitung von Donauwasser in das Regnitz - Mainsystem.

Fazit:

Dieser Kanal ist damit die teuerste Freizeitwasserstraße der Welt und das teuerste Wasserüberleitungsgerinne, welches zudem aufgrund der Stilllegung der großen Kraftwerke im Regnitzgebiet überflüssig geworden ist.

Den ökonomischen Nutzen haben private Investoren richtig eingeschätzt - und sich nicht an der Finanzierung beteiligt. Stattdessen wurden zinslose Konzessionsdarlehen der bayerischen Staats- und der Bundesregierung erteilt. Das volkswirtschaftliche Debakel trägt der Steuerzahler, nachdem von den rund 2,5 Milliarden EURO Gesamtbaukosten südlich von Nürnberg Bund und Freistaat Bayern etwa 1,6 Milliarden EURO als zinsloses Darlehen zur Verfügung stellen, die erst um das Jahr 2050 zurückzuzahlen sind.

Ein zinsloses Darlehen mit derart langer Laufzeit kommt aber einem Geschenk gleich - aufgrund des inflationsbedingten Wertverlustes ebenso wie aufgrund der "geschenkten" Zinsen, die sich selbst bei einem Zinssatz von nur 6% auf 45 bis 90 Mrd. aufsummieren würden. Die Kosten der Kredite trägt hierbei der Staat, der sich das Geld wiederum bei den Privatbanken leihen muss - die sich an erster Stelle nicht bei der RMD engagieren wollten.

Auch die Wegekosten für den Betrieb und Unterhalt des Kanals mit circa 15 Millionen EURO/Jahr müssen zu fast 90% vom Steuerzahler getragen werden.

Entgegen den Hoffnungen des bayerischen Wirtschaftsministeriums hat der Kanal auch nicht zur spürbaren Verringerung des Straßen- Güterverkehrs beigetragen, was schlicht daran liegt, dass unterschiedliche Güter transportiert werden (Schiff = vor allem Schüttgut; LKW = Stückgut). Dagegen hat er sich wegen der typischen Massenguttransporte durch Großgüterschiffe und Schubverbände zur Konkurrenz für die umweltfreundliche Bahn entwickelt, deren Defizit auf der Strecke Nürnberg - Passau durch den Kanal weiter angestiegen ist. Dass sich der Steuerzahler zwei defizitäre Verkehrssysteme leistet, anstatt eines der beiden voll zu nutzen, ist weder finanziell noch durch die Natureingriffe ökologisch zu rechtfertigen.

Resümee:

Der Rhein-Main-Donau-Kanal ein ökologisches und ökonomisches Desaster und zugleich ein mahnendes Beispiel, das sich auf keinen Fall beim Ausbau der Donau zwischen Straubing und Vilshofen wiederholen darf. Die meisten Feuchtgebiete sind verschwunden und somit auch der Lebensraum besonderer Tierarten. Planerische "Erfolge" haben nur dort statt gefunden, wo die Lebensräume erhalten blieben. Die Ausgleichsmaßnahmen sind sogar vollkommen hinter den Erwartungen der Planer selbst zurückgeblieben, was beweist, dass derartige Eingriffe nicht beherrschbar sind.

Der BN fordert die RMD AG, die Bundesregierung und die bayerische Staatsregierung auf, endlich ihrer Verpflichtung im Planfeststellungsbeschluss nachzukommen und eine detaillierte ökologische Gesamtbilanz für die gesamte Kanalstrecke vorzulegen. Dies ist gerade im Hinblick auf andere geplante Großprojekte unabdingbar, da diese auch mit der angeblichen Ausgleichbarkeit selbst gravierendster Eingriffe gerechtfertigt werden.

für Rückfragen:
Richard Mergner, Landesbeauftragter des Bundes Naturschutz
Fon. 0171-6394370 oder 0911/81 87 8-25


Sulztal

Besondere Qualität:
Das frühere Sulztal ist gekennzeichnet durch den Fluss Sulz sowie durch wertvolle Biotopkomplexe im Talgrund, bestehend aus uferbegleitender Strauch- und Gehölzvegetation, Feucht- und Schilfzonen, sowie aus teilweise heute noch vorhandenen extensiv genutzten Feuchtwiesen.

Auswirkungen des Kanals:

Von Pollanten/Breitenfurt ab verläuft der Kanal im Sulztal. Das frühere Sulztal zwischen Pollanten und Beilngries wird durch die Schleuse Berching in zwei Abschnitte mit einer Höhendifferenz von 17 Meter bei der Schleuse Berching unterteilt. Gerade in diesem Bereich sind die dramatischen Veränderungen der Talaue durch gewaltige Einschnitte bzw. Auftragsböschungen in der ehemaligen Talaue mit ihrem charakteristischen Talgefälle, welches durch den 55 m breiten Kanal mit horizontalem Wasserspiegel "abgelöst" wurde, besonders sichtbar.

Dort wo der Kanal unterhalb von Berching im Sulztal verläuft, gingen große Teile der Sulzauen irreparabel verloren. Der Verlust von fast 10 km frei fließender Sulz und ihrer Mühlbäche, die Durchschneidung und damit Trennung der großräumigen und höchst schutzwürdigen Talräume zwischen Plankstetten und Beilngries und der fast 90 ha umfassende Verlust naturnaher Talaue sind die auch durch die "Verbesserung". vorhandener Feuchtgebiete und "Neuschaffung" z. B. der Sulz östlich der Schleuse Berching nicht ausgleichbare Folgen des Kanalbaus im Sulztal.

Dazu kommt noch die zusätzlich die Talaue belastende massive Konzentration von zahlreichen Talbrücken. So gibt es allein im Umfeld von Berching inzwischen 4 Brücken (davon eine Fußgängerbrücke).


Ottmaringer Tal

Besondere Qualität:
Das Ottmaringertal zwischen Beilngries und Dietfurt war ein Urtal der Donau und eines der schutzwürdigsten Täler der südlichen Frankenalb.
Ein kleinflächiger Wechsel von Nass- u. Feuchtwiesen, zusammenhän­genden Niedermoorkomplexen (Kevenhüller und Ottmaringer Moos) mit Röhricht und Großseggenbeständen, Weiden und Erlengehölzen und altem, weitgehend verschilften Ludwigskanal machten es zu einem Naturschutz-Kleinod ersten Ranges. Denn der "extreme" Feuchtigkeitswechsel auf kleinstem Raum von den Halbtrockenrasen der Südhänge und den großflächigen Feuchtgebieten im Talgrund führte zu einem außergewöhnlichen Artenreichtum, welcher sich u. a. am Vorkommen seltenster Vogelarten wie Sumpfohreule, Bekassine, Wiesenpieper, Braunkehlchen, Eisvogel etc. zeigte.

Auswirkungen des Kanals:

Der RMD-Kanal schneidet mit fast 30 m Tiefe in dieses Gebiet und beansprucht mit einer Böschungsbreite von 200 m fast zwei Drittel des Talbodens.

Trotz zahlreicher Bemühungen, schutzwürdige Moorflächen z. B. durch eine Dichtungswand zu schützen, werden nach Erhebungen des Bundes Naturschutz (BN) durch das großflächige Absinken des Grundwasserspiegels alle Feuchtgebiete im Ottmaringertal irreparabel durch Austrocknung geschädigt, d. h. letztlich zerstört werden. Damit verbunden ist auch der Verlust zahlreicher gefährdeter Pflanzenarten der Roten Liste, die auf den Lebensraum "Feuchtwiese" angewiesen sind, z. B. Breitblättrige Wollgras, Breitblättriges Knabenkraut, Natternzunge und Braunes Zyperngras. Auch die ökologische Bilanz des landschaftspflegerischen Begleitplanes weist einen Verlust von 25 Hektar schutzwürdigste Feuchtgebiete auf. Dieser Verlust wird aber teilweise rechnerisch dadurch als ausgeglichen betrachtet, da dem Verlust von Feuchtgebieten die kanalbedingten neuen Böschungen, welche als Halbtrockenrasengesellschaften geplant sind, gegenübergestellt werden.

Die Landschaftszerstörung im Ottmaringertal wird dadurch noch vergrößert, dass die bei dem Einschnitt anfallenden Aushubmassen des Kanals in einer 50 ha Fläche beanspruchenden Großdeponie im Talraum selbst untergebracht wurden.


Zentrale Ergebnisse der Diplomarbeit
"Das Ottmaringer Trockental"
(Autor: Ernst Ottmann)

Betrachtet man die Ergebnisse der Dauerbeobachtungsflächen und der Lebensraumtypen in Ihrer Gesamtheit, so sind zwei Grundtendenzen, die sich zum Teil überlagern, festzustellen: Zum einen die Nutzungsaufgabe der Streuwiesen mit der Folge einer Sukzession hin zu Hochstaudenfluren, zum anderen eine weitgehende Austrocknung des oberen Moorkörpers mit der Folge einer Mineralisation des Niedertorfmoores.

Die Situation des Grundwasserspiegels im Gebiet der Dichtwand offenbart die Differenzen, die sich zwischen den in die Dichtwand gesetzten Erwartungen und dem tatsächlichem Niveau ergeben: Die erwartete Stauwirkung der Dichtwand wird nirgendwo erreicht, der Grundwasserflurabstand reicht bei keinem Punkt der eingeschlossenen Fläche dauerhaft an den, für Moorflächen und nasse Streuwiesen des Verbandes Molinion erforderlichen Wert von 80 cm (max. Kapillaraufstieg in Moorsedimenten) heran. Eine Ausnahme hiervon stellt lediglich der vom Oberflächenwasser eines Bachlaufes beeinflusste südöstliche Randbereich dar.

Bei der Gewässerbilanz lässt sich feststellen, dass eine Vielzahl kleinerer perennierender Fließgewässer durch die Eingriffe des Kanalbaus verloren ging. Wie zahlreiche neugeschaffene Gräben im Untersuchungsgebiet belegen, wurde versucht, diese Verluste zu kompensieren. Mit dem Versagen der Dichtwand sind diese Maßnahmen jedoch fast ausnahmslos gescheitert. Auch die zahlreichen neu geschaffenen Tümpel und Kleinstgewässer (als Laichplatz für Amphibien gedacht) liegen mit Ausnahme des Teiches bei der Ottmaringer Brücke trocken.

Die Feuchtgebietsbilanz weist den Verlust praktisch aller Monilion- und Moorgesellschaften aus. Von den Bruchwäldern und Weidengebüschen blieben nur diejenigen unverändert erhalten, die im Kontaktbereich zu Oberflächengewässern, insbesondere des neu geschaffenen Bachlaufs, liegen. Die durch Extensivierung neu geschaffenen Streuwiesen, die als Ausgleich für direkt durch Kanalbau und Aufschüttung gedacht waren, sind ebenfalls von der Grundwasserabsenkung stark betroffen und wandelten sich größtenteils in nitrophile Hochstaudenfluren um.


Altmühltal

Besondere Qualität:
Das Altmühltal zwischen Kelheim und Dietfurt als Herzstück des Naturparks Altmühltal ist bundesweit bekannt. Dieses Gebiet war vor dem Kanalbau durch zahlreiche wertvolle Vegetationseinheiten, wie Altwasser, Flachwasserzonen und Feuchtbiotope gekennzeichnet. Diese verschiedenen Lebensraumstrukturen bedingen eine Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten.

Auswirkungen des Kanals:

Der Umbau der Altmühl zu einem durch Schleusen aufgestauten Stillwasserkanal führte im gesamten Talraum zu einem gravierenden Eingriff in die Landschaft. Die Folge sind qualitative und quantitative Veränderungen (z. B. Artenrückgang von über 50%) in der von der Altmühl beeinflussten Auenlandschaft.

• Der Kanal führte zu einer grundlegenden Veränderung der Strömungsverhältnisse. Die Reduktion der Fließgeschwindigkeit des Gewässers hatte eine Änderung der Artenzusammensetzung des Flusses, insbesondere der Fische zur Folge. Vor Ausbau des Kanals waren überwiegend folgende Kennfische der Barbenregion festzustellen: Barbe, Rutte, Zahrte, Nerfling. Nach Ausbau des Kanals erfolgte eine Verschiebung hin zur Brachsenregion: Zander, Barsch, Karpfen, Brachse, Schleie.

• Das geschlossene ökologische Flusssystem von der Quelle bis zur Mündung ist unterbrochen. Die Stauhaltung des Wassers führt zu Veränderungen im Wasserchemismus und Sauerstoffgehalt, wodurch die Selbstreinigungskraft des Gewässers und dessen Qualität verringert wird.

• Talbodenabtragungen und -auffüllungen führten zu Reliefveränderungen im Talgrund. Durch höhere Flurabstände und ausbleibende Hochwässer kommt es zu einer Begünstigung der trockenen Standorte. Vermehrter Grünlandumbruch und Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung sind die Folge.

• Mit der Begradigung ist die Fließstrecke und damit die Uferlänge verkürzt worden. Ein großer Teil der flussbegleitenden Auenvegetation wurde dadurch zerstört. Der Verlust vorhandener Lebensräume, wie z. B. Feucht- oder Nasswiesen hatte auch eine Veränderung der Fauna und Flora zur Folge.

Vogelarten wie Bekassine, Braunkehlchen und Wiesenpieper, die auf fließende Gewässer bzw. Feuchtgebiete angewiesen sind, sind in diesem Gebiet vom Aussterben bedroht. Auffallend ist die stark verringerte Zahl der Sumpfrohrsänger. Bezeichnend dagegen ist das Auftreten des Flussregenpfeifers, der eine starke Bindung an vegetationslose Areale aufweist.

70% der Amphibienbiotope wurden nach Ausbau des Kanals ganz oder teilweise zerstört. Die vom Aussterben bedrohten Amphibienarten: Kreuzkröte, Springfrosch, Gelbbauchunke und Kammmolch werden damit langfristig im Altmühltal verschwinden, da einzelne Biotopinseln ein Überleben dieser Arten nicht gewährleisten können.

Auch zahlreiche Insektenarten sind durch den Verlust ihrer Lebensräume vom Aussterben bedroht.

Pflanzenarten der Feuchtlebensräume, wie z. B. das Durchwachsene Laichkraut, der Verkannte Wasserschlauch oder die Gelbe Wiesenraute wurden in ihrem Bestand reduziert. Damit lässt sich auch der Rückgang der Röhricht-, Seggen- und Hochstaudengesellschaften erklären.

Die ökologische Bilanz des landschaftspflegerischen Begleitplanes für die Stauhaltung Riedenburg kommt zu dem Ergebnis, dass 21 Prozent der Nasswiesen, 16 Prozent der Röhrichte und Großseggenriede, 54 Prozent der Feuchtwiesen und 38 Prozent der Frischwiesen durch den Kanalbau und die dadurch bedingten Grundwasserabsenkungen verloren gegangen sind.


Irrlewiesen

Besondere Qualität:
Eine besondere Stellung nehmen in der Aue die ca. 30 ha großen Irrlewiesen am Fuß des Wolfsberges ein. Sie stellten das bedeutendste zusammenhängende Feuchtgebiet im Altmühltal dar. Hohe Grundwasserstände und regelmäßige Überflutungen führten zu Ausbildung umfangreicher und vielfältiger Auenvegetation. Durch kleinräumig wechselnde, geringe Niveaudifferenzen und Bodenverhältnisse entstanden staufeuchte bzw. sichernasse Zonen mit den jeweils charakteristischen Pflanzengesellschaften in einem eng verzahnten Mosaik:

  • Reste von Erlenbruchwäldern auf grundwassernahen, nährstoffarmen Gleyböden
  • Strauchweidengebüsche als Säume der Erlenbestände bzw. entlang der bestehenden Entwässerungsgräben
  • Großseggenrieder, großflächig ausgebildet, auf dauernd vernässten bzw. leicht überschwemmten Böden in nährstoffreicheren Bereichen (starke Durchsetzung mit Mädesüß)
  • Röhrichte an Rändern der Entwässerungsgräben und in sumpfigen Senken
  • Nasswiesen (Silgenwiesen) in großen Flächen auf nährstoffärmeren, kalkhaltigen, grundwassernahen Böden mit sehr hohem Artenreichtum
  • Feuchtwiesen mit ebenfalls hohem Artenreichtum
  • Glatthaferwiesen in trockeneren Randbereichen, teilweise auf frischeren Standorten noch mit einzelnen Arten der Silgenwiese

Als floristische Kostbarkeit galt vor dem Kanalbau das Breitblättrige Knabenkraut; in den Entwässerungsgräben wuchs die Sumpfschwertlilie. Untermauert wurde die überragende ökologische Bedeutung dieses Gebietes durch das einzige Wiesenbrütervorkommen in der südlichen Frankenalb mit Bekassine, Braunkehlchen, Wiesenpieper und Sumpfrohrsänger. In heckenartigen Gehölzen fanden Dorngrasmücke, Neuntöter und Rebhuhn ihren Brutplatz. Ringelnatter, Springfrosch und Gelbbauchunke besiedelten die Tümpel, die auch bevorzugte Laichplätze für Berg- und Teichmolch waren.

Auswirkungen des Kanals:

Mit Beginn der Baumaßnahmen im Bereich der Irrlewiesen wurde der Wasserstand auf die Sohle des zukünftigen RMD-Kanals abgesenkt und das gesamte Feuchtwiesen-gebiet trockengelegt. Amphibientümpel sind inzwischen ausgetrocknet. Wo noch vor wenigen Jahren orchideenreiche Naßwiesen waren, wachsen heute Mädesüß-Hochstaudenfluren und Fuchsschwanz-Glatthaferwiesen.

Der irreparable Verlust der Irrlewiesen ist eine der größten Naturzerstörungen beim Bau des RMD-Kanals und zeigt nur, welchen geringen Stellenwert der Naturschutz tatsächlich in unserem Land besitzt.


Artenrückgang bzw. -verluste durch den Bau des RMD-Kanals (nach Reinhard Grebe)

Fische:
Barbe
Frauennerfling
Nerfling
Rutte
Schied
Schrätzer
Zährte
Zingel

Amphibien:
Gelbbauchunke
Kammolch
Moorfrosch
Springfrosch
Kreuzkröte

Reptilien:
Ringelnatter

Vögel:
Baumpieper
Misteldrossel
Bekassine
Berglaubsänger
Braunkehlchen
Grauschnäper
Kernbeißer
Kibitz
Krickente
Pirol
Rebhuhn
Schafstelze
Sumpfohreule
Trauerschnäpper
Wasserralle
Wendehals
Wiesenpieper

Pflanzen:
Blasen-Segge
Pyramiden-Kammschmiele
Blaues Pfeifengras
Rundblättrige Glockenblume
Breitblättriges Knabenkraut
Büschel-Glockenblume
Große Schlüsselblume
Jakobs-Greiskraut
Kleiner Wegerich
Kriechender Arznei-Baldrian
Schnabel-Segge
Sumpf-Hornklee
Tauben-Skabiose
Weichhaariger Pippau
Wiesen-Knöterich

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Quelle:
Pressemitteilung PM 078/LFGS Verkehr, 10.09.2012
Herausgeber: Bund Naturschutz in Bayern e.V.
Landesgeschäftsstelle
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Tel. 0 941/ 2 97 20-0, Fax 0 941/ 2 97 20-30
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Internet: www.bund-naturschutz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. September 2012