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BODEN/096: Degradierung auf kumulierende Ursachen zurückzuführen (research*eu)


research*eu Sonderausgabe - Sonderausgabe September 2008 Magazin des Europäischen Forschungsraums

KLIMA: Ein Gas zerstört die Erde

Von Delphine d'Hoop


Verwittert und ausgetrocknet - die Böden müssen den Klimawandel erdulden. Temperatur- und Feuchtigkeitsveränderungen stören ihre Zusammensetzung und Funktion. Aber auch die Böden tragen zu den herrschenden atmosphärischen Mechanismen bei. Durch Überbewirtschaftung legen die Menschen klimatische Zeitbomben, von denen man nicht weiß, wann sie losgehen.

"Wie viele Entscheidungsträger laufen jeden Tag über den Boden, aus dem die Erde besteht", fragt Luca Montanarella vom Institut für Umwelt und Nachhaltigkeit der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission. "Der Asphalt trennt uns von den geologischen Herausforderungen. Doch in der Erde stecken unsere Wurzeln und sie birgt unsere Nahrung", sagt er weiter. Der von der Landwirtschaft begeisterte Wissenschaftler erklärt, dass diese für das Überleben der Menschheit wichtigen Fragestellungen manchmal ignoriert werden, um spektakuläreren Nachrichten, beispielsweise zum Klimawandel, Platz zu machen.

Wie ein offenes Buch zum Klima liefern die Böden den Paläoklimatologen Informationen über seine Rhythmen und darüber, wie es sich seit Jahrtausenden verhält. Die Isotopenzusammensetzung der Eiskerne, die in Grönland und in der Antarktis entnommen wurden, lassen Schlüsse über die Entwicklung der atmosphärischen Konzentrationen von Kohlendioxid - und damit auf die Temperaturen - in den Übergangsphasen zwischen den Eiszeiten und Zwischeneiszeiten zu.

Während dieser wärmeren Perioden lagen die Kohlendioxidwerte bei 300 ppmv (parts per million by volume). Die heutige Konzentration übersteigt die vor mehr als 800 000 Jahren herrschenden Maxima um 28%. Die offensichtlichsten Folgen des Temperaturanstiegs sind der Anstieg des Meeresspiegels und die Flussbeckenerosion, da Stürme häufiger auftreten und heftiger sind als früher.


Geologische Folgen

Aber der Temperaturanstieg ruft auch geologische Veränderungen im Erdinnern hervor, die trotz geringerer Medienwirksamkeit nicht minder wichtig sind. Mehr als die Hälfte der Anbauflächen der Welt - das sind ungefähr 1.964 Milliarden Hektar - sind bereits Opfer einer mehr oder weniger schweren Degradierung geworden, die auf kumulierende Ursachen zurückzuführen ist.

Zu nennen ist hier die Wassererosion, die durch Abrieb und Abfluss verursacht wird und Bodenpartikel abschwemmt. Dasselbe Phänomen entsteht auch durch Windeinwirkung: Von Winderosion sind vor allem Regionen betroffen, die kurz vor der Wüstenbildung stehen. Eine weitere Ursache für Bodendegradierung ist die Veränderung der chemischen Zusammensetzung - durch Versauerung, Versalzung oder den Einsatz von Düngemitteln - und der physikalischen Eigenschaften, wie vor allem der Bodensetzung.


CO2-Freisetzung

Diese geologischen Veränderungen werden durch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung beschleunigt: Der Anbau auf trockengelegten Böden beschränkt das biologische Leben, wie Blätter und Zweige, wodurch sich die Wasserdurchlässigkeit verändert. "Verwandelt man einen Wald in ein landwirtschaftliches Anbaugebiet oder Weideland in Ackerland, steigt die Kohlenstofffreisetzung an." (1) Einerseits verschwindet die Vegetation, die damit ihre Rolle bei der Photosynthese von CO2 nicht mehr ausüben kann. Andererseits greift man die wertvolle organische Materie an, die in Hunderttausenden von Jahren von den Böden angelagert wurde. Dieser Rohstoff, der für die Fruchtbarkeit der Böden wichtig ist, stellt auch den Schlüssel zum Klimawandel dar.

Ausbreitung und Intensivierung der Landwirtschaft, Abholzung und größere Vegetationsveränderungen verändern den Bewuchs, wodurch sich die Lufttemperatur erhöht, weil die Böden weniger Feuchtigkeit zurückhalten können.

Die "latente" Energie, die zur Verdunstung nötig ist, verringert sich, um der sogenannten "sensiblen" Energie Platz zu machen, die die Luft erwärmt.

In der Folge trocknen die Böden aus. Das Ökosystem liefert den Populationen jetzt nicht mehr die für ihr Überleben notwendigen Dinge, die mit der Zeit auch ganz verschwinden. So wird eine fruchtbare Region steril und lebensunwirtlich und die Regenfälle beschränken sich im Allgemeinen auf nicht mehr als 200 mm. Die Wüstenbildung steht bevor.


Ursprung der Wüstenbildung

Bodendegradierung geht meist Hand in Hand mit der Ansiedlung von Nomadenvölkern, denn Weideland eignet sich besser zum Anbau als trockene Böden. Seit der Globalisierung der Märkte steht der Raubbau an den natürlichen Rohstoffen unter den auslösenden Faktoren an erster Stelle. Die Überproduktion untergräbt die Verkaufspreise und damit auch die Einnahmen der Erzeuger in ärmeren Ländern.

In trockenen Regionen erhöht die Ungewissheit die Abhängigkeit der Bevölkerung von den Leistungen der Ökosysteme. Dies führt zum Einsatz von Stickstoffdüngern.Dadurch wird der Teufelskreis des Raubbaus ausgelöst und damit auch die Erwärmung, weil die Düngemittel sich teilweise in das gefährliche Treibhausgas N2O umwandeln.Bei der Wüstenbildung spielt auch die Klimaentwicklung eine sehr komplexe Rolle.

Ein erhöhter CO2-Anteil in der Atmosphäre regt das Wachstum bestimmter Pflanzenspezies an, während durch die Erwärmung die Regenfälle in diesen Regionen, die bereits von immer häufigeren und extremeren Dürren heimgesucht werden, reduziert werden. Und das führt zur Austrocknung und zur qualitativen Degradierung der Böden. Die Intensivierung der Landwirtschaft bedroht den Wald, der für das ökologische Gleichgewicht und bei der Humusbildung eine zentrale Rolle spielt.


Weltweite Folgen

Die Wüstenbildung betrifft insgesamt gesehen 3.600 Millionen Hektar Land, rund 70% der trockenen Regionen der Welt, und bedroht rund eine Milliarde Menschen. Jedes Jahr trifft es weitere zehn Millionen Hektar Ackerland. In Europa wandert dieses Phänomen, das bereits die südlichen Länder erreicht hat, mit den unterschiedlichsten Auswirkungen Richtung Norden: Böden, die ihren Bewuchs verloren haben, werden von Überschwemmungen heimgesucht oder Staubwolken werden aufgewirbelt, deren Auswirkungen oft noch Tausende Kilometer von ihrem Ursprungsort entfernt zu spüren sind. Im Hinblick auf den Menschen löst die Wüstenbildung große Bevölkerungswanderungen aus, die wiederum Ursprung ethnischer Reibungen sind.

Bereits 1977 hat die internationale Gemeinschaft auf der Konferenz der Vereinten Nationen über die Wüstenbildung in Nairobi (Kenia) dieses Problem zur Kenntnis genommen. Die Konferenz wurde wegen der verheerenden Dürren, die die Sahelzone zwischen 1973 und 1974 heimgesucht hatten, einberufen.

Aber seitdem steckt der Kampf in einer Sackgasse. "Die Arbeiten bleiben an einer fehlenden klaren Definition hängen. In der Konvention der Vereinten Nationen - UNCCD(2) - wird die Wüstenbildung auf menschliche Einflüsse zurückgeführt. Daher muss auch der enge Zusammenhang zwischen Wüstenbildung und Armut berücksichtigt werden.

Denn auch wenn dieses Phänomen sowohl in Italien als auch in Burkina Faso auftritt, kann es in den beiden Ländern doch nicht auf dieselbe Weise gehandhabt werden." Deshalb wird dieses Problem bis heute auch eher aus politischer Sicht angegangen als aus wissenschaftlicher. "Wir benötigen eine solide wissenschaftliche Grundlage, klare Kriterien und Normen. Eine ähnliche Initiative wie die des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (Intergovermental Panel for Climate Change, IPCC) wäre daher bitter nötig."


Unausgewogenes Gleichgewicht

Und jetzt wird ein Teufelskreis in Gang gesetzt: Immense organische Kohlenstoffreserven - schätzungsweise 1.500 Gigatonnen, also das Doppelte des Anteils in der Atmosphäre - drohen aus den Böden gelöst zu werden, indem sie sich mit Sauerstoff zu CO2 verbinden.

Dieses Lebenselixier, vor allem für die Pflanzen, hält die Nährstoffe im Boden zurück und stellt sicher, dass diese zu den Pflanzen, Bakterien, Würmern und Insekten gelangen.Damit trägt es auch zum Erhalt der geologischen Struktur sowie zur Wasseraufnahme bei und beschleunigt die Zersetzung von Schadstoffen.

Die Veränderungen bei den Niederschlagsmustern und die Temperaturerhöhung, die mit der veränderten Bodenbewirtschaftung einhergehen - Mechanisierung der Landwirtschaft, Monokulturen, Vereinfachung der Bewirtschaftung -, beschleunigen die Freisetzung des gespeicherten Kohlenstoffs und damit die Mineralisierungsmechanismen und mikrobischen Aktivitäten, die das organische Material zersetzen. "Da die Klimaänderung Temperatur und Feuchtigkeit beeinflusst, leistet auch sie einen Beitrag zur Auslösung dieses Teufelskreises: Je mehr Treibhausgase in der Atmosphäre sind, umso mehr Triebhausgase werden auch von den Böden freigesetzt." Dieser Prozess stellt ein größenmäßiges Problem dar, vor allem in den Torfgebieten in Nordeuropa und den Regionen um die Pole.


Und die Forschung

Neben seinen Bemühungen zur Milderung der Klimaerwärmung untersucht das Projekt Ecosse(3) die Flüsse der Treibhausgase zwischen den Böden und der Atmosphäre in Schottland und in Wales, das heißt in Gebieten mit hoher Kohlenstoffdichte. In seinem Märzbericht 2007 zeigt das Projekt auf, dass die Bodenbewirtschaftung für ungefähr 15% der gesamten Emissionen dieser Regionen verantwortlich ist.

Die Veränderungen der Bewirtschaftungstechniken in den vergangenen 25 Jahren sind genauso zu beschuldigen wie die klimatischen Entwicklungen. Deshalb will jetzt eine zweite Auflage von Ecosse einen Versuch mit landwirtschaftlichen Praktiken starten, mit denen die für das Einsäen notwendige Bodenbearbeitung reduziert werden soll.

Auch auf europäischer Ebene drehen sich die Debatten um die einzusetzenden Techniken, die manchmal auch den Zugang zu finanzieller Unterstützung voraussetzen. Aber wenn in unseren Regionen landwirtschaftliche Alternativen genutzt werden können, die im Hinblick auf die Treibhausgasemissionen ökologischer sind, so gilt dies nicht für die Entwicklungsländer, wo substanzielle Zwänge im Vordergrund stehen. Um die Tragweite der Gefahren zu verstehen, die mit geologischen Veränderungen einhergehen, sammeln die aktuellen Projekte Daten mithilfe neuer Satellitentechnologien oder Technologien, die die elektrische Leitfähigkeit nutzen (siehe GloSIS im Kasten). "Diese Forschungen stehen nur selten in direktem Zusammenhang mit dem Boden: Sie sind auf andere, spezielle Ziele ausgerichtet, wie zum Beispiel. die Erforschung des Grundwassers. Aber indem wir verstreute Quellen zusammenführen, können wir unsere Wissenslücken auffüllen." Geologische Veränderungen sind langsame Prozesse. Die meist sehr wertvollen Forschungsdaten stützen sich auf einen langfristigen Ansatz, indem sie mehrere Jahrzehnte oder auch Jahrhunderte umfassen. Nun fällt dieser Zeitraum nicht mit der Dauer dieser Forschungsprojekte zusammen. "Aber die politisch Verantwortlichen werden sich langsam bewusst, dass die Bewertung der verfügbaren landwirtschaftlichen Flächen, die auch bald betroffen sein könnten, eine zentrale Rolle für die materielle Existenz und die Bekämpfung der Armut spielen wird."

(1) Sämtliche Zitate stammen von Luca Montanarella.
(2) United Nations Convention to Combat Desertification (Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung), www.unccd.int
(3) Estimating Carbon in Organic Soils - Sequestration and Emissions, www.scotland.gov.uk/Publications/2007/03/16170508/0


Der Treibhauseffekt

Treibhausgase sind entweder natürliche Gase - Wasserdampf (H2O), Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffmonoxid (N2O), Ozon (O3) - oder industrielle Fluorgase wie Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW). Über die Hälfte des Treibhauseffekts ist auf Wasserdampf zurückzuführen, aber menschlich verursachte CO2-Emissionen sollen für 55% der Erhöhung verantwortlich sein. Andere Treibhausgase haben andere Auswirkungen. Als Vergleichswert verwendet man das CO2-Äquivalent, auch Treibhauspotenzial genannt, wobei CO2 das Potenzial 1 hat.

Die Intensivierung der menschlichen Aktivitäten betrifft auch andere Treibhausgase als das CO2, die ein nicht zu vernachlässigendes Potenzial für die Klimaerwärmung haben. Methan hat ein Treibhauspotenzial, das 23-mal größer ist als das von CO2. Methan entsteht durch die Fermentation organischer Materie in anaeroben Umgebungen. So stammen Methanemissionen hauptsächlich aus auftauenden Permafrostgebieten. Bei Distickstoffmonoxid (N2O), das durch eine Oxidationsreaktion von Stickstoffverbindungen entsteht, die in der Landwirtschaft und der Tierzucht verwendet werden, ist das Treibhauspotenzial noch weitaus größer: Es liegt beim Faktor 310.


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GloSIS

Das Projekt GloSIS, das im vergangenen Februar in Boston in den USA gestartet wurde, stellt einen wichtigen Meilenstein in der internationalen Zusammenarbeit zur Sammlung geologischer Daten dar. Mit dem Ziel, das größte digitale Archiv in diesem Bereich zu werden, führt das Projekt Global Soil Map die Teilnehmer zusammen - vor allem Amerikaner, Europäer, Australier und die FAO -, um Daten aus der ganzen Welt in einem System mit verschiedenen Maßstäben zu speichern. Dadurch soll die notwendige Verknüpfung zwischen den lokalen Systemen - im Maßstab zwischen 1:5.000 bis 1:250.000 - und den globalen Datenbanken mit Maßstäben von 1:5.000.000 wie SOTER - Soil and TERrain database - hergestellt werden.

Der europäische Beitrag EUSIS - European Soil Information System - hat mit der Erfassung dieser Daten begonnen und ermöglicht es bereits, andere Produkte daraus abzuleiten, beispielsweise Risikokarten zur Erosion, Schätzung des organischen Kohlenstoffs und vieles mehr. Das Projekt SOIL, ein Daten- und Informationssystem für die Böden, erstellt ein europäisches Zentrum für Bodendaten (ESDAC - European Soil Data Center), das Daten und Verfahren einsetzt, die mit den

Prinzipien der Infrastruktur für räumliche Informationen INSPIRE kompatibel sind. GloSIS soll die Bewertung der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen ermöglichen.

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Winderosion im 'Erg Eklewa, Mauretanien. © BRGM im@gé/François Michel
Bodenerosion auf einem Feld nach 100 mm Regenfall, Seine-et-Marne (FR). © INRA/Thierry Dore


http://ec.europa.eu/research/research-eu/earth/article_earth30_de.html


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Quelle:
research*eu, Sonderausgabe September 2008
Magazin des Europäischen Forschungsraums
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GD Forschung der Europäischen Kommission
Chefredakteur: Michel Claessens
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Internet: http://ec.europa.eu./research/research-eu

research*eu erscheint zehn Mal im Jahr und wird auch
auf Englisch, Französisch und Spanisch herausgegeben.


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2009