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BODEN/150: Bodenlos leichtsinnig (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013
Holzplantage oder Ökosystem? - Wälder unter Nachfragedruck

Bodenlos leichtsinnig
Die endliche Ressource Boden braucht einen effektiveren Schutz

von Ursula Gröhn-Wittern



Die Zahlen sind erschreckend, dennoch scheinen Landwirte, Politiker und Konsumenten wenig beunruhigt: 24 Milliarden Tonnen fruchtbarer Boden gehen jedes Jahr schätzungsweise verloren. Dabei ist Boden eine quasi nicht erneuerbare Ressource. Problematisch ist das allemal, denn dem Boden fallen weit mehr Aufgaben zu, als nur das Nährsubstrat für Nahrung, Energie und Baustoffe zu sein. Er reinigt das Wasser, bindet weltweit 4000 Milliarden Tonnen CO2 und ist Lebensraum für Millionen Mikroorganismen, die wiederum Voraussetzung für die Bodenfruchtbarkeit sind. Eigentlich wissen wir genug, um erkennen zu können, welche Ursachen der weltweite Verlust von Fruchtbarkeit hat und was anders laufen müsste.


Ursachen für die schleichende Katastrophe des Verlusts an Bodenfruchtbarkeit liegen unter anderem in der Abtragung durch Wasser und Wind, Versiegelung beim Siedlungsbau, der Vergiftung durch Abfälle oder Bergbau sowie in der Versalzung und Überdüngung durch die unsachgemäße Bewässerung. Wir wissen das alles, dennoch fehlt es an einer durchsetzungsfähigen, rechtsbasierten Bodenpolitik, die kohärent ist mit den Bereichen Wasser-, Landwirtschafts-, Bergbau-, Umweltpolitik und beispielsweise auch ungesicherte Eigentumsverhältnisse angeht. Wichtig wäre auch die Einbindung von Landnutzern wie Bauern, Waldbesitzer oder Nomaden in effektive Politiken. Diese haben zwar zumeist ein natürliches Interesse an der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, werden aber häufig durch »Sachzwänge« zu Gegenteiligem verleitet.

EU-Richtlinie im Dornröschenschlaf
Seit 2006 versucht die EU eine europaweite gesetzliche Grundlage zu schaffen. Bisher so erfolglos, dass die Kommission das Unternehmen Bodenschutzrahmenrichtlinie erst einmal auf Eis gelegt hat und schaut, ob sich die Einstellung der fünf Staaten, die diese seit acht Jahren blockieren, ändert. Abhängig davon, ob es gelingt, noch vor der Europawahl eine Beschlussfassung zu erreichen, soll dann ein neuer Anlauf genommen werden. Kommissionsschätzungen zufolge sind in der EU etwa 1,3 Millionen km² von Erosion betroffen. Fast ein Fünftel dieser Fläche verliert mehr als 10 Tonnen Erdreich pro Hektar jährlich. Das kostet die EU 38 Milliarden Euro jährlich.(1)

Größter Widerstand gegen die Rahmenrichtlinie kommt aus Deutschland, Frankreich, Finnland, Österreich und Großbritannien. Deutschland beispielsweise hält die Aufgabe des Bodenschutzes für eine absolut nationale Aufgabe. Damit spricht sie die Sprache des Deutschen Bauernverbandes (DBV), der sich vehement gegen die Richtlinie ausspricht. Die Umsetzung würde zu viel Bürokratie bedeuten und dass die Bauern sowieso den Boden schützten, heißt es dort.(2) Zugegeben: Deutschland hat, anders als viele andere Staaten der EU, ein Gesetz zum Bodenschutz, aber offensichtlich reicht das nicht. Probleme sind, ähnlich wie beim Wasser, grenzüberschreitend und brauchen deshalb grenzüberschreitende Lösungen.

Viele internationale Initiativen zum Bodenschutz
Das Thema Boden taucht bisher in einer Vielzahl von internationalen Initiativen auf. In den Klimaschutzverhandlungen erhält Boden als CO2-Speicher große Relevanz. Auch in der Konvention über biologische Vielfalt, der Wüstenkonvention und dem Global Soil Partnership gibt es Ansätze zum Bodenschutz. Am vielversprechendsten ist aber die Entwicklung zur Formulierung von Sustainable Development Goals (SDGs) basierend auf Rio+20, denn hier ließe sich die Verbindung zwischen Boden(besitz), Armutsbekämpfung und Nachhaltigkeit auf vielen Ebenen verankern. Die SDGs werden auch für die Industrieländer gelten, so dass der Streit nicht mehr darum gehen kann, wer denn nun der größte Schädiger oder Geschädigte sei. Die in diesem Kontext vorgeschlagene Formulierung »a land degradation neutral world »hat gute Chancen für alle akzeptabel zu sein.

Global Soil Week thematisiert Bodenschutz
Wirklich gebraucht werden Ziele und gute Instrumente zur Messung von Fortschritt. Vor allem aber muss die weltweite Gemeinschaft der Bauern und Landnutzer überzeugt werden, dass Bodenschutz in ihrem Interesse ist. Im Widerstand dieser Gruppen sieht Prof. Klaus Töpfer, der Direktor des IASS (Institute for Advanced Sustainability Studies) das größte Hindernis, wie er in seinem Schlussstatement auf der diesjährigen Global Soil Week sagte. Als Versuch, diese Prozesse zu unterstützen, brachte das IASS in Potsdam in diesem Zusammenhang vom 27.-31. Oktober 2013 Bodenwissenschaftler und Mitarbeiter verschiedenster Institutionen zusammen. Dies ist sehr zu begrüßen und wenn es gelingt, in Zukunft auf weiteren Global Soil Weeks die Stimmen der Bauern, Nomaden und Waldnutzer zu hören, könnte daraus ein Prozess werden, der abseits der Parteipolitik Fortschritte erarbeitet. Außerdem ist zu hoffen, dass die EU nach der Europawahl einen neuen Anlauf für die Bodenrahmenrichtlinie wagt. Der EU Generaldirektor für Umwelt Karl Falkenberg jedenfalls merkte in einem Vortrag auf der Global Soil Week an, dass sich die Einstellung in vielen deutschen Ländern ändere.

Und was kann ich tun?
Am Ende nun die Frage: Was kann der Einzelne tun? Politikern klar machen, dass es Aufgaben gibt, die so dringend sind, dass parteipolitische Interessen hintenan stehen sollten. Gemeinden überzeugen, dass nicht jeder Parkplatz, Schulhof und Garten gepflastert sein muss und fruchtbares Land zu kostbar ist, um Häuser darauf zu bauen. Den bäuerlichen Nachbarn fragen, ob er nicht nächstes Jahr quer zum Hang pflügen könnte. Naja, und dann ist da ja auch noch der Komposthaufen... Aber es gibt eben auch Themen, da ist ganz einfach politisches Handeln gefragt und der Einfluss des persönlichen Handelns begrenzt. Fordern wir das ein!

2015 ist das UN Jahr des Bodens!


Autorin Ursula Gröhn-Wittern ist Mitarbeiterin der Agrar Koordination.



Anmerkungen

(1) Global Soil Week (2012): »Global Soil Week: Highights«.
http://globalsoilweek.org/mediapublications/videos/videos-gsw-2012/

(2) DBV (04.10.2013): »Europäische Kommission will Bodenschutzrahmenrichtlinie zurückziehen: Bauernverband begrüßt vernünftigen Schritt zur Entbürokratisierung«, DVB Pressemeldung. http://www.bauernverband.de/europaeische-kommission-willbodenschutzrahmenrichtlinie-zurueckziehen

Mehr Informationen unter:
www.agrarkoordination.de
www.globalsoilweek.org


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013, S. 32-33
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2014