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BODEN/165: Verwirklichung einer bodendegradationsneutralen Zukunft (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2015
Ökosystem Boden
Die dünne Haut der Erde

Zwischen Wiederherstellung und Vermeidung

Von Adeline Derkimba und Antoine Cornet


Verwirklichung einer bodendegradationsneutralen Zukunft Die Konvention der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) ist ein multilaterales Abkommen für den Bereich Umwelt zur Bekämpfung von Bodendegradation in Trockengebieten. In enger Verbindung mit der Entwicklung und den Lebensbedingungen der betroffenen Bevölkerungen ruft das Abkommen die Staaten dazu auf, Lösungen zu finden. In diesem Zusammenhang bleibt das Konzept Land Degradation Neutrality (LDN), obwohl es nach einem Konsens klingt, hinsichtlich seiner Maßnahmen eher unklar.


Bodendegradation ist ein weltweites Problem, das sowohl Ökosysteme, als auch die Ernährungssicherheit der Bevölkerungen bedroht. Eine nachhaltige Nutzung der Böden ist der Schlüssel zu funktionierenden Ökosystemen. Produktion, Erhalt der Fruchtbarkeit, Aufhalten des Verlusts von Biodiversität, Eindämmung des Klimawandels sowie Anstieg der Widerstandsfähigkeit stehen alle mit dem Boden in Zusammenhang. Auch für die Ernährungssicherheit ist der Boden wichtig. Diese hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, unter anderem von der landwirtschaftlichen Erzeugung, gebunden an die verfügbaren Anbauflächen und ihre Qualität, Bodendegradation ist dabei ein weiterer Faktor, da diese das weltweite Produktionspotential mindert. Dies ist umso beunruhigender, betrachtet man die stetig wachsende Weltbevölkerung und die geringere Möglichkeit, neue Flächen für den Anbau zu nutzen.

Ziel der LDN ist es weltweite Ernährungssicherheit durch Reduzierung der Degradation und vermehrte Wiederherstellung degradierter Böden zu gewährleisten, als auch den Erhalt und die Wiederherstellung der Leistung von Ökosystemen zu fördern. Bodendegradation lässt sich zwar nicht aufhalten, jedoch kann ein bodendegradationsneutraler Zustand erreicht werden, indem man die Degradationsrate reduziert und gleichzeitig degradierte Flächen wiederherstellt.

Entwicklung des Konzeptes der "Zero net land degradation"

Das Ziel zur Bodendegradations-Neutralität wurde zunächst im Rahmen der Zielsetzungen von "Zero net land degradation" (ZNLD) für Trockengebiete entwickelt, erstellt durch das Exekutivsekretariat der Wüstenkonvention (UNCCD) in Vorbereitung des Rio+20-Gipfels 2012. Um die UNCCD effizienter zu machen, um ihre Umsetzung zu beschleunigen sowie ihre Finanzierung zu erhöhen, scheint weiterhin die Mobilisierung mit klar gesteckten Zielen und zwingend zu erreichenden Ergebnissen notwendig. Das Konzept einer "Land Degradation Neutral World" (LDNW), das auf dem Rio+20-Gipfel verabschiedet wurde, stellt einen allgemeinen politischen Rahmen auf weltweiter Ebene dar. Die vorgeschlagenen Ziele sollen universell, aber gleichzeitig angepasst an regionale und nationale Bedingungen sein. Den Trockengebieten kommt somit im globalen Rahmen größere Aufmerksamkeit zu. Die ZNLD wird als Werkzeug zur Umsetzung der LDNW erachtet, die unterschiedlichen Konzepte laufen im Rahmen der LDN zusammen.

Eine Aufnahme der Punkte "Eindämmung von Bodendegradation und Bodenschutz" in die Post-2015-Agenda für nachhaltige Entwicklung scheint unausweichlich und angemessen (Ziele 15 und 15.3). Wenngleich die genaue Formulierung noch zur Diskussion steht und auch ohne den Ergebnissen der Diskussionen im Rahmen der Post-2015-Agenda zu den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung an dieser Stelle vorgreifen zu wollen.

Errungenschaften, Grenzen und Herausforderungen bei der Umsetzung

Hinsichtlich der Aufbereitung von Böden, die den Risiken von Degradation ausgesetzt sind, besteht die erste Aufgabe darin, die biophysikalischen, sozioökonomischen und politischen Faktoren der Degradation zu bestimmen und in der Folge angemessene Maßnahmen zu definieren, um diese Risiken zu beseitigen oder zu verringern. Eine Definition von Bodendegradation ist notwendig, um die Umsetzung eines kohärenten Aktionsrahmens zu gewährleisten. Begonnen werden kann dabei mit der Verschlechterung der Leistungen des Bodens.

Noch existieren allerdings keine international anerkannten Methoden, um den Grad oder das Niveau der Degradation beziehungsweise der Wiederherstellung von Boden im Verlauf der Zeit zu messen. Nachweislich gibt es auf nationaler Ebene noch keine Fortschritte bei der Bestimmung der betroffenen Flächen. Folglich fehlt für eine Vielzahl von verödeten Böden, die zwar nicht mehr genutzt werden, jedoch für eine Wiederherstellung geeignet sind, eine allgemein gültige Anerkennung bezüglich der bestehenden Degradation. Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Verordnung von angemessenen Bewirtschaftungsmethoden, die spezifische lokale Bedingungen berücksichtigen und der von der Bevölkerung gewünschten Entwicklung entsprechen. Der technische Erfolg der LDN-Ziele basiert auf der Umsetzung von Instrumenten zur Überwachung und Evaluierung des Zustands der Böden, der Maßnahmen und der erzielten Ergebnisse. Prävention und Wiederherstellung zusammendenken Ein besonderer Fokus sollte auf die Vereinbarkeit von Prävention der Degradation und Wiederherstellung der degradierten Böden gelegt werden. Der Wiederherstellung den Vorzug zu geben, ermöglicht es, einen Null-Netto-Verlust und eine weltweite Verbesserung des produktiven Bodenkapitals zu erzielen, was jedoch nicht bedeutet, dass keine Naturkapitalverluste und Umweltschäden entstehen. Dies schlägt die Brücke zum Problem der Substituierbarkeit von Umwelt- und Nachhaltigkeitselementen. Degradation verhindern sollte stets die oberste Maxime sein, insbesondere, da das Konzept der Wiederherstellung erhebliche Unterschiede zwischen Definition und Ausrichtung aufweist, was den Stand der Degradation und die gesetzten Ziele betrifft. Darüber hinaus muss die zukünftige Entwicklung von wiederhergestellten Böden präzisiert werden: Für wen wiederherstellen, in welchem Entwicklungsrahmen? Denn im Zweifelsfall kann die kommerzielle Wiederherstellung der Böden zu neuen Formen von "land grabbing" führen.

Das Ziel der LDN sollte nicht als Erlaubnis zur Degradation verstanden werden. Es ist ausgeschlossen, dass degradierte Böden an einem Ort wiederhergestellt werden, um die Degradation an einem anderen Ort zu kompensieren. Denn diese Rechnung verbirgt sich in der Realität nur allzuoft hinter dem Konzept der Neutralität von Degradation. Es muss klar und deutlich hervorgehoben werden, dass wir uns nicht einem Problem des "ökologischen Ausgleichs" gegenübersehen.

Bodendegradation ist zentral für Umwelt und Entwicklung

Desertifikation und Bodendegradation stellen bedeutende Hindernisse bei der Erreichung der Umwelt- und Entwicklungsziele dar. Es ist zwingend notwendig, ein Bewusstsein für die Dringlichkeit der Reduzierung von Bodendegradation und der Wiederherstellung von Böden zu schaffen. Die Erfolge der bereits durchgeführten Aktionen im Rahmen der LDN bedürfen gleichzeitig einer näheren Betrachtung im Hinblick auf Vorgehensweise und Lösungen für eine bestimmte Anzahl von Problemen. Die gegenwärtige Umsetzung von Pilotprojekten durch die UNCCD muss dazu einen Beitrag leisten.

Wissenschaftliche Fortschritte sind notwendig, um die Diagnose von Degradationsfaktoren zu erleichtern, einfache und kohärente Indikatoren zu definieren und neue Nutzungsmethoden der Böden vorzuschlagen. Die Nutzung technischer Verfahren ist unabdingbar, um degradierte Flächen zu bestimmen und zu kartografieren wie auch um den Grad der Degradation auf Landesebene zu ermitteln und Instrumente zur Überwachung und Evaluierung einzurichten.

Politische Zusagen müssen gemacht werden: Die Umsetzung der LDN-Aktionen müssen mit einer Bewirtschaftungspolitik und Plänen zur Bodennutzung einhergehen. Die Umsetzung muss hierbei die spezifischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen vor Ort einbeziehen und sowohl mit, als auch für die Bevölkerung erarbeitet werden. Die Umsetzung muss in zusammenhängenden Gebietseinheiten erfolgen, in die lokalen und nationalen Entwicklungspläne integriert sein und gemeinsam mit der Übertragung der Verantwortung auf die NutzerInnen und ihre Organisationen erfolgen. Schließlich ist eine allgemeine Wachsamkeit notwendig, damit die LDN nicht zu einem "Markt des Degradationsrechtehandels" führt.

Böden stellen Lebensraum, aber auch Überlebensgrundlage für die Bevölkerung dar, die dementsprechend über gewisse Rechte verfügt. Ungenügende Aufklärung und unzulängliche Berücksichtigung gesellschaftlicher Regeln sowie der Rechte der NutzerInnen könnten zu einer wachsenden Ausgrenzung von schwächeren Bevölkerungsgruppen und gesellschaftlichen Konflikten führen.


Adeline Derkimba arbeitet bei CARI, einer NGO tätig im Kampf gegen die Ausbreitung von Wüsten. Antoine Cornet arbeitet bei CSFD (Comité scientifique de la désertification - Wissenschenschaftlicher Ausschuss zur Desertifikation) sowie beim IRD: Institut de Recherche pour le Développement.

Aus dem Französischen von Katharina Lotz.


Mehr Informationen:
CARI und CSFD arbeiten im Rahmen der Arbeitsgruppe Desertifikation (GTD - Groupe de Travail Désertification) zusammen: www.gtdesertification.org

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2015, S. 8-9
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2015

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