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ENERGIE/268: EEG-Koautor Axel Berg zur Energiewende - "Die Bevölkerung muss Druck machen" (.ausgestrahlt)


.ausgestrahlt / gemeinsam gegen atomenergie - Rundbrief 23 / Winter 2013/2014

"Die Bevölkerung muss Druck machen"
Axel Berg, Koautor des EEG, über das Ausbremsen der erneuerbaren Energien, die möglichen Folgen für AKW und unsere Chancen, die Energiewende doch noch zu retten

Interview: Armin Simon



Herr Berg, die neue Bundesregierung will - so steht es jedenfalls im Koalitionsvertrag - 'die Energiewende zum Erfolg führen'- Glauben Sie das?

Axel Berg: Der Koalitionsvertrag ist jedenfalls keine tolle Perspektive für Energiewende und Klimaschutz. Der distanziert sich ja eher davon.

Kein Schritt nach vorn also?

Wir in Deutschland als Hightechland bräuchten doch keine zehn Jahre, um komplett umzusteuern im Strombereich! Stattdessen fällt die Große Koalition beim Ausbau der erneuerbaren Energien sogar noch hinter das zurück, was sich Schwarz-Gelb 2010 - also vor Fukushima! - vorgenommen hatte. Unterm Strich will Schwarz-Rot das bisherige Ausbautempo mehr als halbieren. Das kann keine Erfolgsgeschichte werden!

Wer hat solch ein Interesse, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu begrenzen?

Die Kampflinie verläuft zwischen den zentralisierten und den dezentralisierten Energieerzeugungsformen. Die zentralisierten sollen so lange wie möglich noch Gewinne erwirtschaften können, bevor der Strommarkt den dezentralen erneuerbaren Energien angepasst wird.

Im Koalitionsvertrag ist die Rede von einem "gesetzlichen Ausbaukorridor" für Sonne, Wind und Co.

Das bedeutet nichts anderes als eine Deckelung des Ausbaus, eine Art Planwirtschaft also - ein schmutziges Geschäft von Union und SPD zu Lasten der Energiewende. Auf Druck der SPD kam sogar eine Vorhalteprämie für Kraftwerke rein, und zwar 'technologieoffen'. Das heißt auf gut Deutsch: für Kohlekraftwerke und vielleicht sogar für AKW.

Was ist der größte Sündenfall des Koalitionsvertrags und der 'Eckpunkte', die Wirtschaftsminister Gabriel (SPD) nun vorgelegt hat?

Es geht immer nur um Strom. Die viel höheren Kostensteigerungen für Wärme und Mobilität, die für die Normalbürger vier Fünftel ihrer Energierechnung ausmachen, werden überhaupt nicht angesprochen.

Was schlagen Sie für den Strommarkt vor?

Wir sollten Lastmanagement und Speicher belohnen. Strom aus Biogas etwa könnte eine drei- bis fünfmal höhere Vergütung bekommen, wenn er im Gegenzug nur noch als Regelenergie eingesetzt würde. Auch die Wasserkraft wird total unterschätzt. Wir könnten sie problemlos verdoppeln oder gar verfünffachen - und hätten da auch regelbare erneuerbare Energie.

Täuscht der Eindruck, dass die Regierung nach der Photovoltaik nun die Windkraft zum Buhmann machen will?

Nur die an Land! Das ist geradezu absurd: Künftig sollen nur noch Anlagen in Gegenden mit sehr viel Wind gefördert werden. Das bedeutet, dass südlich von Hannover so gut wie kein Windrad mehr gebaut werden wird.

Dort weht eben nicht so viel Wind wie an der Küste.

Man braucht dann eben möglichst hohe Windräder mit großen Rotoren und kleinen Generatoren. Die laufen auch bei schwächerem Wind und kommen so auf deutlich mehr Betriebsstunden im Jahr. Sie können also kontinuierlicher Strom bereitstellen, das reduziert den Bedarf an Regelenergie und an Hochspannungsleitungen.

Die CSU hat aber durchgesetzt, dass die Länder eigene Abstandsregelungen für Windräder beschließen können.

Als Bayer kriege ich das ja vor Ort mit, wie etwa Ministerpräsident Seehofer auf diese Weise den Ausbau hier verhindern will. Das ist ökonomisch unsinnig, denn die Windkraft an Land und die Photovoltaik sind die Arbeitspferde der Energiewende und die billigste Form der Stromerzeugung. Stattdessen werden wir also jede Menge Hochspannungsmasten brauchen, um Strom von anderswo hierher zu transportieren.

Die Förderung der Offshore-Windkraft soll noch ausgeweitet werden - passt doch!

Das ist aber die teuerste Energiequelle. Deshalb ist mir auch ein Rätsel, wie der Koalitionsvertrag und Gabriel davon sprechen können, Kosten zu reduzieren.

Glauben Sie, dass wir nochmal eine Diskussion kriegen über die Laufzeiten der AKW?

Ich fürchte ja. Denn das, was im Koalitionsvertrag steht, verhilft den Erneuerbaren eben nicht zum Durchbruch. Da kann man natürlich davon ausgehen, dass dann auch die Laufzeitverlängerungsdiskussion wieder losgeht. Seehofer etwa hat noch im letzten Bundestagswahlkampf dafür plädiert, AKW unbegrenzt laufen zu lassen.

Gibt es auch hoffnungsvolle Ansätze im Vertrag?

Vereinzelt ja. Entscheidend wird sein, was Regierung und Parlament am Ende wirklich tun. Es ist noch lange nicht alles festgenagelt. Merkel und Gabriel wissen, um was es geht. Sie handeln nur deshalb hasenherzig, weil sie die mächtigen Gegner der Energiewende fürchten.

Was können wir dieser Macht der Kohle- und Atomlobby entgegensetzen?

Der moderne Teil der Wirtschaft und die Bevölkerung muss Druck machen. Es gibt eine gigantische Mehrheit in Deutschland, 80 bis 90 Prozent, die für den Ausbau der erneuerbaren Energien sind. Und dem Druck von der Straße kommt gerade in Zeiten Großer Koalitionen immer eine große Bedeutung zu. Also: Das wird auch an uns hängen jetzt, an uns Bürgerinnen und Bürgern.


Dr. Axel Berg, 54, Jurist und Sozialwissenschaftler, ist Vorsitzender der Sektion Deutschland von Eurosolar - Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien. Von 1998 bis 2009 saß er für die SPD im Bundestag, wo er unter anderem das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) mit auf den Weg brachte.

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Quelle:
Rundbrief 23, Winter 2013/2014
Herausgeber: .ausgestrahlt
Marienthaler Straße 35, 20535 Hamburg
E-Mail: info@ausgestrahlt.de
Internet: www.ausgestrahlt.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2014