DER RABE RALF
Nr. 186 - Juni/Juli 2015
Die Berliner Umweltzeitung
Energiedeal mit Vattenfall und Co.
Berliner Senat beerdigt Rekommunialisierung der Energienetze
von Jochen Mühlbauer
Seit dem 5. Mai ist das energiepolitische Versagen des rot-schwarzen Berliner Senats offensichtlich. Auf einer Klausurtagung erhielt eine Kooperation mit den Energieunternehmen Vattenfall und GASAG den Vorzug gegenüber einer Rekommunalisierung der Energienetze. Damit stellt sich der Senat gegen den Willen von 600.000 Berliner_innen, die beim Energievolksentscheid am 3. November 2013 klar für eine Energieversorgung in 100 Prozent kommunaler Hand stimmten.
Im Folgenden ein Auszug aus den energiepolitischen Senatsbeschlüssen:
Der Berliner Senat geht mit seinen Energiebeschlüssen, also dem Verzicht auf 100 Prozent Rekommunalisierung der Energienetze, den Weg des geringsten Widerstandes. Er drückt sich nicht nur um eine Auseinandersetzung innerhalb der eigenen Koalition, sondern auch mit Vattenfall und der GASAG. Den Preis für diese Politik müssen alle Berliner_innen zahlen. Im Falle einer Kooperation mit den Energiekonzernen drohen weiterhin die Gewinninteressen der privaten Anteilseigner - vor allem E.ON und Vattenfall - Vorrang vor dem Allgemeinwohl zu haben. Auch mit der demokratischen Kontrolle und der damit verbundenen Einflussnahme der Bürger_innen auf die Energiewende in Berlin würde es dann schlecht aussehen. Die Erfahrungen mit den ehemals teilprivatisierten Berliner Wasserbetrieben sollten hier Warnung genug sein.
In den Beschlüssen zur Energiepolitik vom 5. Mai werden übrigens die Berliner Stadtwerke nicht ein einziges Mal erwähnt. Dennoch sprach zwei Tage später in der taz Umweltsenator Geisel davon, dass "die GASAG Nukleus eines Stadtwerks werden kann".
Der Berliner Energietisch - in dem auch die GRÜNE LIGA Berlin sehr aktiv ist - sowie die Oppositionsparteien Grüne und Linke im Abgeordnetenhaus üben ganz klare Kritik an der Energieplänen des Senats.
"Die angestrebte Kooperation mit den jetzigen Energienetzbetreibern ist keine Rekommunalisierung. Damit verspielt der Senat die Möglichkeit, Einfluss auf die zukünftige Energieversorgung unser Stadt zu nehmen. Der Berliner Energietisch lehnt deswegen eine Kooperation sowohl mit Vattenfall als auch der GASAG ab. Wer die Energiewende in Berlin voranbringen will, kann sich nicht mit dessen Blockieren zusammentun. Sowohl Vattenfall als auch E.ON stehen weder für mehr erneuerbare Energien noch für eine sozial ausgerichtete Energieversorgung", so Stefan Taschner, Sprecher des Berliner Energietisches.
"Der von der SPD im Jahr 2010 eingeleitete Rekommunalisierungskurs ist gescheitert: Energienetze zu 100 Prozent in Landeshand wird es nicht geben und das angestrebte starke Stadtwerk kommt im Senatsbeschluss gar nicht mehr vor. Die SPD hat die Strategie gewechselt und will statt Rekommunalisierung lieber gemeinsame Unternehmen mit den großen Kohleund Atom-Konzernen Vattenfall und E.ON bilden. Das heißt Klimaschutz und Energiewende adé", meint Michael Schäfer (Grüne).
"Eine klare Strategie des Senats in der Energiepolitik und zur Rekommunalisierung ist nach wie vor nicht zu erkennen. Die Entscheidung, das Konzessionsverfahren Strom fortzusetzen, birgt hohe rechtliche Risiken. Es droht der Ausschluss von Berlin Energie und damit die Begünstigung des bisherigen Konzessionsinhabers Vattenfall. Berlins Verhandlungsposition gegenüber dem Energieunternehmen wird damit geschwächt", sagt Harald Wolf (Linke).
Die Genossenschaft BürgerEnergie Berlin (BEB), die selbst Bieter im Stromvergabeverfahren ist, hat inzwischen das Bundeskartellamt aufgefordert, das Vorgehen des Senats zu prüfen. Die Behörde begleitet das Konzessionsverfahren in Berlin und ist verpflichtet, für die Einhaltung fairer Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Im Schreiben der BEB an das Kartellamt heißt es: "Offenkundig wird dem Bewerber Vattenfall eine privilegierte Rolle eingeräumt, indem mit ihm über Kooperationsmodelle verhandelt wird. Dieses Verhalten verstößt nach unserer Überzeugung gegen die Grundsätze der Diskriminierungsfreiheit und der Transparenz.
Die BürgerEnergie Berlin erwägt, einen förmlichen Missbrauchsantrag zu stellen." Parallel hat die BEB Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen um ein Gespräch gebeten.
Bis Ende August gibt es intensive Gespräche mit den Energieunternehmen GASAG und Vattenfall, die von Wirtschaftssenatorin Yzer und Finanzsenator Kollatz-Ahnen geführt werden. Es scheint so, dass das landeseigene Unternehmen Berlin Energie nur bieterfähig aufgestellt wird, um im Notfall mit einem ganz neuen Konzessionsverfahren drohen zu können.
Am 27. Mai forderten Linke und Grüne im Abgeordnetenhaus sogar einen Neustart beim Vergabeverfahren für das Berliner Stromnetz. Die Koalitionsfraktionen SPD und CDU sowie die Piraten sprachen sich gegen eine neue Ausschreibung aus. Als Anteilseigner der GASAG will zukünftig auch der Energiekonzern E.ON in Berlin stärker mitspielen. Doch wird E.ON bisher nicht im Geringsten mit Energiewende verbunden - noch weniger mit den Schlagworten: sozial, ökologisch oder demokratisch. Insgesamt sind die energiepolitischen Ziele Berlins momentan drei Windräder für die Ökostromproduktion, ein halbes Berliner Stadtwerk und null Rekommunalisierung der Energienetze. Der rot-schwarze Senat vergibt mit seinen Beschlüssen fahrlässig die Chance, zukunftsfähige Wege beim Thema Energie zu gehen. Da bleibt gerade mit Blick auf die nächsten Abgeordnetenhauswahlen im Herbst 2016 wieder mal nur das Engagement der Bürger_innen, um doch noch eine soziale, ökologische und demokratische Energieversorgung in Berlin zu ermöglichen.
Weitere Informationen:
www.berliner-energietisch.net
www.facebook.com/
berliner.energietisch
[1] Anmerkung der SB-Redaktion: s. a.
Presse- und Informationsamt des Landes Berlin, Pressemitteilung vom
05.05.2015
Ergebnis der Senatsklausur am 5. Mai 2015: Beschluss zur Berliner
Energiewende
http://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2015/pressemitteilung.309318.php
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Quelle:
DER RABE RALF
26. Jahrgang, Nr. 186, Seite 1+4
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juli 2015
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