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GARTEN/169: USA - Üppige Gärten statt öder Rasen - Ökologische Bewegung für mehr Artenvielfalt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Juli 2010

USA: Üppige Gärten statt öder Rasen - Umdenken aus ökologischer Sicht dringend erforderlich

Von Adrianne Appel


Boston, 20. Juli (IPS) - In den USA wollen engagierte Naturschützer, Vogelfreunde und Kleingärtner die Tristesse gepflegter Vorstadtrasen in blühende Gärten verwandeln. Die sich von Küste zu Küste ausbreitende ökologische Bewegung will der biologischen Artenvielfalt in den Vorgärten eine Chance geben, denn das kurz geschorene Einheitsgrün bietet Vögeln und Schmetterlingen keinen Lebensraum.

Zudem erfordert der geschätzte dichte Rasen vor der eigenen Haustür einen hohen Einsatz von Dünger, Pestiziden und Wasser. "Die Rasen tragen zum Klimawandel bei, denn diese Chemikalien enthalten fossile Brennstoffe und erhöhen die CO2-Emission", so der Aktivist Stephen Saffier. Er koordiniert das 'At Home'-Programm der Umweltorganisation 'National Audubon Society', einer der Wortführer der 'Gärten statt Rasen'-Bewegung. Sie findet immer mehr Anhänger, neben Hausbesitzern begeistern sich inzwischen auch Firmen und Schulen für ihre Kampagne.

"Wir nennen unsere Aktion 'Rasenvernichtung'", berichtete Steve Mann, der in Kansas City im Bundesstaat Missouri eine Ortsgruppe der Organisation 'Food Not Lawns' mitgegründet hat. Die Gruppe fordert ihre Nachbarn auf, ihren Rasen umzugraben und dort Gemüse sowie Obst- und Nussbäume anzupflanzen. Seit 2007 haben sich 250 Interessenten beraten lassen. "Man stelle sich nur vor, dass man gleich um die Ecke beim Nachbarn Tomaten oder frischen Salat kaufen kann", erklärte Mann. Falls die städtischen Baubehörden mitspielen, könnte man mitten in der Stadt größere Nutzgärten anlegen. Allerdings wehrt sich die lokale Immobilienwirtschaft entschieden gegen solche Pläne.

Ein Umdenken in Sachen Rasenkultur scheint dringend geboten, denn nach einer Analyse der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA wird in den USA keine Kulturfläche so intensiv bewässert wie Rasen. Die einschlägige Wirtschaft macht jährlich 35 Milliarden US-Dollar Umsatz. Das 'Lawn Institute', das die Interessen der Rasenindustrie vertritt, schätzt die in den USA mit Rasen bepflanzte Fläche auf mehr als 100.000 Quadratkilometer. Keine grüne Nutzfläche wird so intensiv bewässert wie die Rasenanlagen, die einheimisches Grasland, Bäume und Hecken verdrängt haben. "Die natürlichen Zyklen der Ökosysteme fehlen hier völlig", stellte Saffier fest.


Vögel fliehen vor der chemischen Keule

In den USA versprühen rund 78 Millionen Haushalte nach Angaben der Umweltorganisation 'Beyond Pesticides' alljährlich mehr als 40.000 Kilo Pestizide und Unkrautvernichtungsmittel auf ihren Rasen, pro Hektar mehr als auf jeden Acker.

Nicht zuletzt diese für Mensch und Tier schädliche chemische Keule hat die Vögel aus den Vorstädten vertrieben. Ihnen fehlt die Nahrung, denn nach Raupen, Käfern und anderen Insekten suchen sie auf dem gepflegten Rasengrün vergebens. Die Vogelschutzorganisation 'Audobon' spricht von einem bedenklichen Rückgang der Vogelpopulation.

Sie hält 200 der 800 in den USA 800 am weitesten verbreiteten einheimischen Vogelarten für gefährdet. Im Mittelwesten hat sich der Bestand an Feldlerchen und anderen für das Grasland typischen Vogelarten um 60 Prozent verringert, und auch die Zahl der Waldvögel, etwa der Scharlachroten Prachtmeisen, hat stark abgenommen.

Ursprünglich signalisierten die nach europäischem Vorbild angelegten Vorzeigerasen den Wohlstand ihres Besitzers, der es sich leisten konnte, auf seinem Grundstück Gras statt Nahrungsmittel anzubauen. "Bis heute ist der Rasen ein Statussymbol, an dem man um jeden Preis festhält, selbst wenn man ihn sich eigentlich nicht leisten kann", kritisierte Julian Agyeman, Vorsitzender der Abteilung für urbane und ökologische Politik und Planung der privaten Tufts-Universität in der Nähe von Boston.

"In Sachen Rasenkultur wird es Zeit für einen Paradigmenwechsel. Statt des optisch perfekten Zierrasens als Statussymbol sollte man umweltfreundliche Wiesen anlegen", sagte Penny Lewis IPS. Die Aktivistin ist Vorsitzende des Verbandes für Ökologischen Landschaftsbau, in dem Fachleute und Hauseigentümer zusammen arbeiten. Ende/IPS/mp/2010)


Links:
http://www.audubon.org/
http://www.foodnotlawns.com/
http://www.ecolandscaping.org/
http://www.beyondpesticides.org
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=51805

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 20. Juli 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juli 2010