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GESCHICHTE/026: Ostdeutsche Geschichte bewahren... Das Studienarchiv Umweltgeschichte (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 180 - Juni / Juli 2014
Die Berliner Umweltzeitung

Das Studienarchiv Umweltgeschichte
Ort zur Bewahrung und Aufarbeitung ostdeutscher Landschafts- und Umweltgeschichte

von Hermann Behrens und Jens Hoffmann



Seit 1991 betreibt das Institut für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung (IUGR) das Studienarchiv Umweltgeschichte, eine Sammlung, in der Zeugnisse der Landschaftsentwicklung, der Umweltforschung und -politik, des Naturschutzes sowie der Heimatgeschichte und Denkmalpflege auf dem Gebiet der ostdeutschen Bundesländer inventarisiert und aufgearbeitet werden. Das Studienarchiv Umweltgeschichte befindet sich rechtlich in der Trägerschaft des gemeinnützigen Vereins IUGR. Dieser ist seit Juni 2001 ein Institut an der Hochschule Neubrandenburg.

Hintergrund der Entstehung des IUGR und seines Studienarchivs war die Erfahrung, dass zur Wendezeit (1989/90) in vielen Orten der DDR Einrichtungen und Gruppierungen aufgelöst oder in andere Zusammenhänge überführt worden sind. Damit ist oft verbunden die Frage nach dem Verbleib der Unterlagen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte. Das Studienarchiv verstand sich als Antwort darauf und sollte als Ort der Bewahrung möglichst viele Unterlagen vor der teilweisen oder kompletten Vernichtung bewahren.

In der Zeit seines Bestehens hat sich das Studienarchiv zur umfangreichsten Sammlung privater Vor- und Nachlässe zur ostdeutschen Landschafts- und Umweltgeschichte entwickelt. Die Sammlung enthält Bestände von aktuell 545 Privatpersonen, Einrichtungen und Gruppen, die hauptberuflich und/oder ehrenamtlich in den oben genannten Bereichen aktiv waren. Dazu gehören ehemalige Mitglieder der Umweltbibliothek Berlin, der Gesellschaft für Natur und Umwelt und der Natur- und Heimatfreunde im Kulturbund der DDR, der Gesellschaft für Heimatgeschichte im Kulturbund, der Gesellschaft für Denkmalpflege im Kulturbund, der Akademie der (Landwirtschafts-)Wissenschaften der DDR, des Instituts für Landschaftsforschung und Naturschutz (ILN), von Wasserwirtschaftsbetrieben und Meliorationskombinaten oder universitären Einrichtungen.

Die Zahl der Personen, die Unterlagen an das Studienarchiv übergeben, wächst jährlich weiter an, was als Beleg dafür verstanden werden kann, dass das ursprüngliche Ziel der Bewahrung von Quellen zur Landschafts- und Umweltgeschichte eine andauernde Akzeptanz erfährt.


Umfangreicher Bibliotheks- und Archivalienbestand

Das Studienarchiv Umweltgeschichte umfasst zum einen eine umfangreiche Bibliothek mit aktuell 21.000 Monografie-Bänden sowie mit etwa 1.000 Titeln von Zeitschriften und zeitschriftenartigen Reihen (circa 30.000 Einzelhefte).

Zum anderen gehört zum Studienarchiv ein ebenfalls umfangreicher Bestand an Archivalien (Schrift- und Sammlungsgut), der insgesamt etwa 330 Einzelbestände von Personen und Gruppen mit einem Gesamtumfang von 300 laufenden Metern umfasst. Die Archivalien decken das gesamte Spektrum hauptberuflicher, ehrenamtlicher sowie oppositioneller Arbeit in den oben benannten Bereichen ab. Sie umfassen hauptsächlich die Zeiträume von 1945-1949: Sowjetische Besatzungszone, 1949-1990: DDR, von 1990 bis heute: hier ausschließlich die ostdeutschen Bundesländer. Ein Großteil der Archivbestände des Studienarchivs konnte in den vergangenen Jahren durch Förderprojekte erschlossen werden und steht den Nutzerinnen und Nutzern online und vor Ort für Recherchen zur Verfügung. Das Studienarchiv Umweltgeschichte wird regelmäßig für Zwecke von Forschung und Lehre genutzt.

Der besondere Wert der im Studienarchiv enthaltenen Archivalien liegt in ihrer Seltenheit beziehungsweise Einmaligkeit. Ein großer Teil der hier verwahrten Materialien ist nur im Studienarchiv Umweltgeschichte vorhanden. Dies gilt insbesondere für persönliche Unterlagen der einzelnen Spenderinnen und Spender sowie für Unterlagen aus den ersten Jahren nach 1945. Generell muss davon ausgegangen werden, dass ein großer Teil des Schriftguts, das Auskunft zur ostdeutschen Landschafts- und Umweltgeschichte geben kann, schlicht weggeworfen wurde oder wird. Dies gilt vor allem für das Schriftgut von Privatpersonen, dessen weitere Verwendung in den Händen der Erben liegt. In vielen Fällen als nicht bewahrenswert angesehen wird. Rückmeldungen von Spenderinnen und Spendern machen immer wieder deutlich, dass diese froh darüber sind, das eine Einrichtung wie das Studienarchiv Umweltgeschichte die Aufgabe der Bewahrung und Aufarbeitung solcher Archivalien und der sich damit verbindenden persönlichen Lebensläufe übernimmt.

Weiterhin leitet sich der Wert der Archivalien aus der Konzentration von Unterlagen zahlreicher wichtiger Privatpersonen ab, die in diesem Maße in keinem anderen Archiv der Bundesrepublik gegeben ist. Das Studienarchiv Umweltgeschichte hat sich für viele zu dem legitimen Ort der Bewahrung ostdeutscher Landschafts- und Umweltgeschichte entwickelt. Beleg dafür ist unter anderem die große und wachsende Zahl der Spender und Spenderinnen und deren enge Verbindung zum IUGR und seinem Studienarchiv.


Studienarchiv als Grundlage eigener Forschungsarbeiten

Charakteristisch für die Arbeit des Studienarchivs Umweltgeschichte ist, dass sich diese nicht auf das bloße Sammeln und Archivieren beschränkt. Zum einen ist das Studienarchiv Grundlage für eigene Forschungsarbeiten zur ostdeutschen Landschafts- und Umweltgeschichte. Eine ganze Reihe von Symposien, Fachtagungen und Veröffentlichungen sind Beleg für einen aktiven Umgang mit dem Studienarchiv und seinem Umfeld. Zum anderen wird durch verschiedene Aktivitäten ein umfangreiches Netzwerk von Spendern, Unterstützern, kooperierenden Einrichtungen und aktiven Mitstreitern betreut. Einmal jährlich gibt das IUGR mit der Reihe "Studienarchiv Umweltgeschichte" eine eigene Zeitschrift heraus. Diese enthält zum einen einzelne Fachbeiträge und informiert zum anderen über Aktivitäten des Instituts sowie in Form eines Archivberichts über die Zugänge in das Studienarchiv Umweltgeschichte. Die Zeitschrift wird an circa 600 Adressaten versandt und steht auf der Homepage zum Download zur Verfügung.

Das IUGR bittet Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die in Einrichtungen, Gruppierungen und Institutionen tätig waren, deren Arbeit unter anderem auf Themen wie Land- und Forstwirtschaft, Melioration, Wasserwirtschaft, technischen Umweltschutz, Naturschutz, Heimat- und Denkmalpflege, Stadt-, Dorf- und Territorialplanung in Ostdeutschland gerichtet war, rechtzeitig zu überlegen, was mit den Zeugnissen und Dokumenten ihrer ehrenamtlichen, freiwilligen oder beruflichen Tätigkeit geschehen soll. Darüber hinaus bitten wir alle, die in der Wende- und Nachwendezeit in den benannten Bereichen aktiv waren, über den Verbleib ihrer Unterlagen nachzudenken. Von besonderem Interesse sind hier Dokumente zum Aufbau von Verwaltungen, Verbänden und Institutionen und zu den hier bearbeiteten Problemstellungen.

Werfen Sie nichts weg und helfen Sie uns, einen Teil ostdeutscher Geschichte zu bewahren und aufzuarbeiten! Wer dem Studienarchiv Umweltgeschichte Unterlagen übergeben möchte, kann sich an die Mitarbeiter im Studienarchiv wenden. Wir stehen für Auskünfte und Beratung gern zur Verfügung.

Hermann Behrens, Jens Hoffmann
behrens[at]hs-nb.de, jenshoffmann[at]hs-nb.de
IUGR e.V. an der Hochschule Neubrandenburg

Weitere Informationen:
Institut für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung e.V.
an der Hochschule Neubrandenburg
Tel. 0395/5693-4500 oder -8201
info[at]iugr.net
www.iugr.net

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Quelle:
DER RABE RALF - 25. Jahrgang, Nr. 180 - Juni/Juli 2014, S. 23
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2014