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MELDUNG/243: Weitere Funde giftiger Sprengstoffe am Ostseestrand (NABU SH)


NABU Landesverband Schleswig-Holstein - 21. November 2013 - Umwelt/Meeresschutz

Weitere Funde giftiger Sprengstoffe am Ostseestrand

NABU fordert Gefahrenabwehrbehörde erneut zum Handeln auf



Kiel, 21. November 2013 - Gehören Sprengstoffe bald zum Alltag von Strandbesuchern? Nach den früheren Funden hochgiftiger Inhaltsstoffe von Weltkriegs-Munition im August 2012 und im Mai 2013 an den Stränden von Heidkate und Kalifornien wurden dem NABU jetzt auch alarmierende Hinweise aus der Region Schwedeneck / Eckernförder Bucht bekannt. Zwei neue Sprengstoff-Nachweise belegen, dass es sich nicht - wie vom zuständigen Landeskriminalamt dargestellt - um 'seltene Einzelfälle' handelt, sondern die Gefahr akut existiert.

Ein Strandbesucher aus Neumünster hatte - wie erst jetzt bekannt wurde - bereits im April 2013 zwischen Dänisch-Nienhof und Surendorf ein 'interessant aussehendes', ziegelsteinartiges Objekt aufgehoben und mitgenommen. Die gelben Verfärbungen an der Hand führten durch eigene Recherchen auf die Internetseiten des NABU Schleswig-Holstein, auf denen von der Kontamination eines kleinen Jungen in Heidkate berichtet wurde. Mittlerweile hat der aufmerksame Sammler im Oktober 2013 das gleiche Material auch am Strandabschnitt zwischen Stohl und Bülk gefunden. Nach Informationen des NABU ergab die vom Kampfmittelräumdienst in Auftrag gegebene kriminaltechnische Analyse des zweiten Fundes als Inhaltsstoffe TNT, Hexanitrodiphenylamin, Ammoniumnitrat und Aluminiumpulver, allesamt explosiver Bestandteil von Großmunition wie Minen, Torpedos oder Wasserbomben. Das tückische ist, dass diese Sprengstoffe auch hochgiftig und krebserregend sind. Ein Hautkontakt ist unbedingt zu vermeiden.

Der NABU sieht sich durch die erneuten Funde in seiner Forderung bestätigt, zunächst mindestens die küstennah versenkte Altmunition zu bergen, um eine Gefahr für Mensch und Umwelt abzuwenden. Sonst könnten sich die zunehmenden Funde zukünftig auch zu einer erheblichen Gefahr für die Tourismuswirtschaft an der Ostsee entwickeln.

Aus diesem Grunde ist für den NABU ein strategisches Umdenken beim Umgang mit Munitionsaltlasten im Meer dringend erforderlich: Die nach den beiden Weltkriegen in Nord- und Ostsee versenkten Munitionskörper beginnen sich durch Korrosion im salzigen Meerwasser aufzulösen. Die Folge: Die leck werdenden, eisernen Munitionsbehälter geben ihre hoch giftigen Inhaltstoffe frei. Suche und Ortung der gefährlichen Hinterlassenschaften aus Kriegszeiten sind dann jedoch mit den heute verfügbaren Ortungsmethoden nicht mehr möglich, weil das Aufspüren auf der Detektion magnetischer Anomalien der eisernen Munitionskörper basiert. Sprengstoffklumpen ohne Hülle sind demgegenüber nicht mehr auffindbar - bei einer in Nord- und Ostsee versenkten Menge von rund 1.6 Millionen Tonnen eine sich zuspitzende Bedrohung. Die Lösung des drängenden Problems zu verschieben war zwar in der Vergangenheit für die für Behörden und Politik zunächst die einfachste Variante, für zukünftige Generationen erweist sie sich jetzt aber als die schlechteste. Noch besteht die Möglichkeit, die sich anbahnende Umweltkatastrophe abzuwenden. Aus diesem Grunde bekräftigt der NABU einmal mehr seine Forderung, schnellst möglichst den Einstieg in die Sanierung belasteter Flächen zu beginnen.


Hintergrundinformationen

Seit 2012 wurden bei der gezielten Munitionssuche von Bundesmarine und Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord (WSD) im bekannten Munitionsversenkungsgebiet 'Kolberger Heide' rund 4.000 Großsprengkörper gefunden. Das Versenkungsgebiet liegt vor dem beliebten Badeort 'Heidkate' an der Kieler Außenförde. Ob der nun am Strand gefundene Sprengstoff aus diesen überwiegend dünnwandigen und schnell durchrostenden Munitionskörpern stammt oder gar aus anderen, bisher unbekannten Versenkungsstellen, ist unbekannt.

Der Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Munition im Meer" weist für das Gebiet 'Kolberger Heide' vor Heidkate die Nachkriegs-Versenkung von bis zu 8.000 Torpedoköpfen, Wasserbomben und bis zu 10.000 Seeminen aus (Bericht-Bezugsquelle: www.munition-im-meer.de). Nur ein Teil wurde geborgen oder durch die Bundesmarine und den Kampfmittelräumdienst anlässlich der Segelolympiade 1972 gesprengt, ein weiterer Teil nun wiedergefunden. Die genaue Position jedes einzelnen Sprengkörpers mit je ca. 100 bis 500 kg hochgiftiger Schießwolle ist heute bekannt.

Nach Ansicht des NABU bieten diese Bedingungen die Chance, heute zur Verfügung stehende, moderne Bergungstechnologien vor Ort zu testen und weiterzuentwickeln. Schleswig-holsteinische Firmen haben dazu bereits erhebliche Vorarbeiten in der Entwicklung und Umsetzung geleistet. Konzepte für Bergungstechnologien werden auf www.miremar.de dargestellt, basierend auf den Expertenvorträgen eines 2011 vom NABU veranstalteten internationalen Symposiums.

Im Internet in Kürze zu finden unter www.NABU-SH.de

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Quelle:
Presseinformation, 21.11.2013
Herausgeber: Naturschutzbund Deutschland e.V.
NABU Schleswig-Holstein
Färberstr. 51, 24534 Neumünster
Tel.: 04321/53734, Fax: 04321/59 81
E-mail: info@NABU-SH.de
Internet: www.NABU-SH.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. November 2013