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RECHT/150: Forschung am UFZ - Umweltrecht unter Anpassungsdruck? (UFZ-Spezial)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Spezial Dezember 2009: In Sachen Klimawandel

Umweltrecht unter Anpassungsdruck?


Der Klimawandel zwingt zur Anpassung - auch in zentralen Bereichen des Umweltschutzes wie dem Naturschutz und der Wasserwirtschaft. Wird diese Anpassungsaufgabe wahrgenommen? Ist unser Umweltrecht den Klimafolgen und Anpassungserfordernissen gewachsen? Mit Fragen wie diesen befasst sich eine Forschergruppe des UFZ.

"Umweltrechtliche Regeln und deren Durchsetzung sind wichtige Mittel, Verhalten zu steuern", erläutert Prof. Dr. Wolfgang Köck. Zu den zentralen Steuerungsinstrumenten des Umweltrechts gehören z. B. die Umweltplanung, um staatliche Entscheidungen vorzubereiten, oder die präventive Kontrolle und Genehmigung umwelterheblicher Vorhaben. Beide Instrumente müssen nach Auffassung der UFZ-Forscher ertüchtigt werden. Das heißt, Planungs- und Genehmigungssysteme müssen auf die Anpassungsaufgabe eingestellt werden, die Ergebnisse sind bei der Entscheidung zu berücksichtigen und die getroffene Entscheidung muss fortwährend beobachtet und gegebenenfalls nachgebessert werden, wenn neue Erkenntnisse vorliegen. "Ein Umweltrecht, das den Erfordernissen der Adaptation gewachsen sein soll, muss sich als ein Risikorecht verstehen", fordert Köck. Es kann dabei von anderen Rechtsgebieten wie dem Chemikalienrecht oder dem Gentechnikrecht, die den Umgang mit Unsicherheit institutionalisiert haben, lernen.

Die Anpassungsaufgabe allein über die Instrumente des Umweltrechts zu bewältigen, wird nicht ausreichen. Anpassung wird auch zu einer Herausforderung für die rechtlich verankerten Ziele der Umweltpolitik. Eine rechtsverbindliche Zielfestlegung des Naturschutzes beispielsweise ist der Aufbau eines Netzes von Vorranggebieten für den Naturschutz (NATURA 2000). Inzwischen sind auf der Basis naturschutzfachlicher Expertise allein in Deutschland mehr als 4.600 Gebiete für das NATURA-2000-Netz vorgesehen, die um bestimmter Lebensraumtypen und Arten willen staatlich zu schützen sind. Ist diese Zielstellung unter den Bedingungen des Klimawandels noch zu halten? Muss das mühsam erarbeitete System der Vorranggebiete aufgegeben und immer wieder neu gestrickt werden? Oder müssen alle Gebiete so robust gemacht werden, dass sie auf Dauer ihre Funktionen erfüllen können? "Weder das eine noch das andere ist richtig", ist Köck überzeugt. Es ist wichtig, die NATURA-2000-Gebiete robuster zu machen, also in den Naturschutz zu investieren, damit gestresste Systeme länger durchhalten. Aber das funktioniert nur in Grenzen. Unter Umständen muss auch das Ziel selbst geändert werden. Das gegenwärtige NATURA-2000-Schutzrecht zwingt jedoch dazu, Managementmaßnahmen zu ergreifen, um genau den Habitattyp und die Arten zu erhalten, derentwegen das Gebiet in das Netz aufgenommen worden ist. Das kann ein Kampf gegen Windmühlen sein. Die entscheidende Frage ist: Wann ist die Schwelle erreicht, an der es auch volkswirtschaftlich unvernünftig wird, solche Gebiete bestimmter Arten wegen weiter zu erhalten? Dafür müssen Kriterien gefunden werden, die auf ökonomischer und naturschutzfachlicher Expertise beruhen. Es sollte wichtiger sein, vorhandene Vorrangflächen zu schützen, als jede einzelne Art, die möglicherweise durch Klimaveränderungen aus dem immer noch wertvollen Habitat verschwindet. Dazu sind leistungsfähige Verbundstrukturen zwischen den Flächen notwendig, die dem Wanderungsverhalten vieler Arten entgegen kommen.

Ein anderes Beispiel dafür, dass die Anpassungsaufgabe auf Umweltschutzziele einwirkt, ist der Gewässerschutz in Gestalt der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Ein Ziel der WRRL ist es, für Oberflächengewässer bis Ende 2015 einen guten chemischen und ökologischen Gewässerzustand zu erhalten bzw. wieder herzustellen. "Was ein guter Zustand ist, leitet sich vom Referenzzustand ab", erklärt Dr. Moritz Reese. "Dieser wird anhand der Referenzbedingungen eines naturnahen Gewässers bestimmt." Gegenwärtig werden die Anforderungen an den guten Zustand auf der Grundlage der Referenzanalyse des Jahres 2004 festgelegt. "Der Klimawandel", so Reese, "wird uns langfristig dazu nötigen, die Referenzzustände neu zu bestimmen und damit auch das, was ein 'guter Zustand' ist". Nachbesserungsbedarf besteht nach Auffassung von Reese auch im Hinblick auf eine Mengenplanung arf besteht nach Auffassung von Reese auch im Hinblick auf eine Mengenplanung zur Gewährleistung der Wasserverfügbarkeit. Der "gute mengenmäßige Zustand" ist gegenwärtig noch kein Ziel des europäischen Gewässerschutzes für Oberflächengewässer. Klimawandel und Anpassungsdruck werden dazu zwingen, dieser Problematik künftig jedenfalls regional mehr Aufmerksamkeit zu widmen.   Doris Böhme


UFZ-Ansprechpartner:
• Prof. Dr. Wolfgang Köck
Dept. Umwelt- und Planungsrecht
Telefon: 0341/235-1232
e-mail:
wolfgang.koeck@ufz.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Die Alpen-Smaragdlibelle (Somatochlora alpestris) ist zusammen mit der Alpen-Mosaikjungfer (Aeshna caerulea) die einzige hochalpine Libellenart. Ein Verbreitungs- und Schutzgebiet der Alpen-Smaragdlibelle ist der Hochharz in Sachsen-Anhalt. Dort ist sie in Höhenlagen ab etwa 800 Meter zu finden. Die Klimaerwärmung könnte ihren bevorzugten Lebensraum auf noch höhere Lagen einschränken.


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Quelle:
UFZ-Spezial Dezember 2009: In Sachen Klimawandel, S. 29
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Dezember 2009