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STADT/267: Nachnutzung Tegel - Berlin plant am Bedarf vorbei (BUND BE)


BUND Landesverband Berlin e.V. - Pressemitteilung - Berlin, 9. Juli 2010

BUND: Natur, Stadtklima und Erholung sollen für überflüssige Gewerbefläche geopfert werden


Der Senat plant für die Nachnutzung des Flughafen Tegels ein riesiges Gewerbegebiet, das die für Erholung, Stadtklima und Naturschutz wertvollen Flächen zerstört. Sinnvoll ist diese überdimensionierte Ausweisung nicht, da es keinen nachgewiesenen Bedarf an Gewerbeflächen gibt. Berlin hat nach Aussagen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung genügend Flächenreserven für Gewerbeansiedlung und der Mangel an industriellen Arbeitsplätzen ist nicht auf mangelnde Flächen zurückzuführen.

Klimatische Auswirkungen

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) mit den in ihr zusammengeschlossenen Naturschutzverbänden können die Darstellung des Terminalgebäudes und der jetzigen Gebäude und versiegelten Flächen in dessen Umgebung als Gewerbegebiet nachvollziehen und sehen dies auch als angemessen an. Sie halten aber dessen Ausweitung auf unversiegelte Flächen und bis an den Kurt-Schuhmacher-Damm hin für unverhältnismäßig. Das Flugfeld ist ein wichtiges Kaltluftentstehungsgebiet, das durch diese großflächige Bebauung in seiner Funktion sicherlich erheblich beeinträchtigt werden wird. Die Kaltluftleitbahnen in die Stadt werden durch die geplante Bebauung nachhaltig beeinträchtigt.

Grundwasserschutz

Die Grundwasserneubildung wird durch die Neuversiegelung (insgesamt etwa 90 ha) erheblich vermindert. Eine Neuversiegelung solchen Ausmaßes lehnt der BUND ab. Die großräumige Versiegelung in unmittelbarer Nähe der Wasserschutzzone des Wasserwerks Tegels beein¬trächtigt die Grundwasserbildung dieses für die Stadt wesentlichen Wasserwerkes; wesentlich deswegen, weil es eines der wenigen Wasserwerke ist, das von den zu erwartenden hohen Sulfatbelastungen der Spree unabhängig ist. Im Zusammenhang mit der Ausweisung von Bauflächen ist die Berücksichtigung der mit dem Genehmigungsverfahren neu zu definierenden Wasserschutzgebietsgrenzen unbedingt notwendig. Obwohl das Grundwasser nah an der Oberfläche steht und die Böden des Flugplatzes hier nur eine schlechte Pufferwirkung haben, sieht der Senat gerade "störanfällige Betriebe" als mögliche und bevorzugte Nutzer der Flächen an.

Vernachlässigter Naturschutz

Die Naturschutzverbände lehnen die Darstellung der beiden Sonderflächen Gewerbe auf dem jetzigen Vorfeld ab. Sie stellen den größten Eingriff in Natur und Landschaft dar: Die Flächen stellen wertvolle Lebensräume für die Vogelwelt dar und beherbergen nach § 26a NatSch G Bln geschützte Trocken- und Magerrasen mit einer Reihe von Zielarten bzw. Rote-Liste-Arten wie Feld- und Heidelerche und die äußerst seltenen Steinschmätzer, sowie den Kiesbank-Grashüpfer, Mauerfuchs, Strohhütchen und Schwalbenschwanz. Auch die wertvollen Heidebestände würden durch das Gewerbegebiet zerstört werden.

Abwägungsfehler

Der versiegelte Bereich des jetzigen Flughafengeländes reicht mit seinen ca. 100 ha Größe als Angebot für neue Gewerbeansiedlung völlig aus. Der senatseigene Stadtentwicklungsplan "Gewerbe" formuliert als vordringliches Ziel die Sicherung und Qualifizierung vorhandener Gewerbeflächen. Berlin hat ein noch nicht aus¬geschöpftes Potential an Gewerbe- und Industrieflächen. Die derzeit noch vorhandenen rund 2.800 ha Fläche für Industrie- und Gewerbeansiedlungen, stehen für eine Entwicklung bis mindestens 2035 zur Verfügung. Hinzu kommen weitere 1.350 ha Gewerbeflächen rund um den Flughafen BBI. Angesichts dieser verfügbaren Flächen ist es fraglich, ob in naher Zukunft überhaupt ein Bedarf an zusätzlichen Gewerbeflächen in Tegel besteht. Diesem mangelnden Bedarf steht die massive Beeinträchtigung von Natur und Umwelt gegenüber. Der ausgelegte Flächennutzungsplan macht nicht einmal den Ansatz einer wirklichen Umweltprüfung, indem geprüft wird, ob sich der Flächenbedarf an anderer Stelle ohne so große Umweltbeeinträchtigungen decken ließe.

So hebt die Senatsverwaltung sogar noch hervor, dass Unternehmen, die sich für Umweltschutz und Klimagerechtigkeit einsetzen, hier eine positive Vermarktungsstrategie erwartet. "Dann wäre es schon schön, wenn sich der Senat selbst auch für Umwelt und Klimagerechtigkeit einsetzen würde. Das kann der BUND hier nicht erkennen", so Herbert Lohner, Naturschutzreferent des BUND Berlin. "Es ist ein uns teuer kommender Irrglauben, dass Berlin für Investoren noch ein x-tes altherkömmliches Gewerbegebiet benötigt."


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Quelle:
Presseinformation Info 24/Berlin, 9. Juli 2010
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
Landesverband Berlin
Crellestraße 35, D-10827 Berlin
Tel. 030/78 79 00-0, Fax: 030/78 79 00-18
E-Mail: kontakt@bund-berlin.de
Internet: www.bund-berlin.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2010