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TOURISMUS/054: Der touristische Fußabdruck - Nachhaltig reisen, aber wie? (WWF Magazin)


WWF Magazin 1/2010
WWF Deutschland - World Wide Fund For Nature

Nachhaltig reisen - aber wie?

Auch Sie können dazu beitragen, die Umweltbelastung durch Tourismus zu verringern

Von Petra Bollich und Martina Kohl, WWF


Endlose Sandstrände, schneebedeckte Berge, tiefblaue Meere und Seen ziehen seit jeher Erholungssuchende an. Längst sind Fernreisen durch Dumpingangebote auch für Otto-Normalverbraucher erschwinglich. Auf der Strecke jedoch bleibt oft die Natur.

Seit Jahren verteidigen die Deutschen mit über 60 Millionen Urlaubsreisen jährlich ihren Titel als "Reiseweltmeister". Trotz Wirtschaftskrise: Der Druck auf die letzten Naturoasen weltweit nimmt weiter zu. Touristische Topziele wie die Mittelmeerregion machen schon lange nicht mehr nur wegen ihrer landschaftlichen Schönheit Schlagzeilen, sondern auch wegen schwerwiegender Umweltbelastungen. Verbaute Küsten, illegale Mülldeponien und ökologisch umgekippte Seen und Lagunen in beliebten Urlaubsregionen sind deutliche Zeichen einer verfehlten Entwicklung. Hinzu kommen weitere Umweltbelastungen, die weniger greifbar sind: Der Tourismus ist weltweit für rund fünf Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich.


Der touristische Klima-Fußabdruck

Nach Angaben der Forschungsgemeinschaft "Urlaub und Reisen" reisen die Deutschen seit Jahren relativ gleich zu je einem Drittel im eigenen Land, in die Mittelmeerregion sowie in den Rest der Welt. Doch was bedeutet dieses Reiseverhalten für Natur und Umwelt?

Der WWF hat in seiner Studie "Der touristische Klima-Fußabdruck 2009" untersucht, wie groß die CO2-Emissionen typischer Reisen der Deutschen sind. Solche klimaschädlichen Treibhausgase entstehen bei einer Urlaubstour immer und überall - bei der An- und Abreise, in der Unterkunft, bei der Verpflegung und den Aktivitäten vor Ort.

Ein typischer zweiwöchiger Mallorca-Urlaub zum Beispiel verursacht pro Person rund eine Tonne CO2 und schädigt das Klima damit ebenso sehr wie ein Jahr Autofahren (bei durchschnittlich 11.000 Kilometer mit 1,3 Personen pro Fahrzeug und 6,5 Liter Treibstoff auf 100 Kilometern). Am stärksten fällt die An- und Abreise mit dem Flugzeug ins Gewicht: Pro Person werden dabei 925 Kilogramm CO2 in die Luft gepustet. Würden alle Menschen wie die Deutschen reisen, vervierfachten sich die weltweiten Reiseemissionen.


Beispiel Thailand - Abwasserbelastung inklusive

Am Urlaubsort gehen die Umweltbelastungen weiter. Dass mit der Buchung eines erstklassigen Hotels in Thailand eine Abwasserbehandlung nach deutschem Standard "all inclusive" sei, ist eher Wunsch denn Realität. Häufig fließen Abwässer unbehandelt ins Meer oder versickern ins Grundwasser. Geruchsbelästigungen für Einheimische und Urlauber sind keine Seltenheit. Die Folgen für die Umwelt sind jedoch weitaus schlimmer: Die Abwässer sorgen für eine unkontrollierte Überdüngung der Gewässer: Algen wuchern und entziehen dem Meer den lebensnotwendigen Sauerstoff. Korallen sterben, Keime breiten sich aus. Das Ökosystem Meer wird instabil.

Das alles ist nicht allein ein thailändisches Phänomen. Weltweit werden heute noch Hotelanlagen errichtet, ohne entsprechende Kapazitäten zur Entsorgung von Brauchwasser und Müll bereit zu halten.


Beispiel Mittelmeer - zementierte Urlaubsträume

Nur ein paar Schritte vom Hotelzimmer bis zum Meer: Was auf den ersten Blick verführerisch klingt, ist nicht selten Ergebnis illegaler Aktivitäten. Gigantische touristische Anlagen und Ressorts werden oft gerade an solchen Strandabschnitten errichtet, die zur Bewahrung der Umwelt und der Natur klar als Schutzgebiet deklariert wurden. Die Rohbauten entstehen ohne Lizenzen und schaffen in Beton gegossene Tatsachen, deren Abriss im Nachhinein viel zu kostspielig würde. Das schnelle Geld ist zu verlockend und Investoren verschwinden nach Vollendung ihrer Bauwerke mit satter Rendite.

Dem Bettenburgenbau geopfert werden zum Beispiel Wälder und Feuchtgebiete oder wichtige Brutplätze von Meeresschildkröten. Anderswo wird Meeressand abgegraben, um Baumaterial zu gewinnen.


Das tut der WWF

Doch auch das ist eine Tatsache: Ohne zahlende Touristen wären viele Naturregionen längst für andere Nutzungen zerstört worden. Tourismus als Lebensgrundlage der lokalen Bevölkerung schafft alternative Einkommen und Verständnis für Naturschutz. Wertvolle Lebensräume für Flora und Fauna können dadurch erhalten werden. Deshalb setzt sich der WWF für einen nachhaltigen, das heißt umwelt- und sozialverträglichen Tourismus ein und geht dabei mit guten Beispielen voran.

• Umweltmanagement in Hotels verbessern
In einem Pilotprojekt an der Riviera Maya in Mexiko arbeitet die Umweltstiftung gemeinsam mit der Tour Operators' Initiative for Sustainable Tourism Development (TOI) und der lokalen Organisation MARTI (Mesoamercian Reef Tourism Initiative) mit großen Hotelanlagenbetreibern an einer Reduzierung des Wasser- und Energieverbrauchs und an der langfristigen Etablierung eines Umweltmanagements für einen effizienteren und sparsameren Umgang mit allen Ressourcen. Zusammen mit der dortigen Tourismusindustrie kümmert sich der WWF auch um den Erhalt der für den Küstenschutz dringend notwendigen Mangrovenwälder Mexikos. Sie sollen nicht mehr für touristische Anlagen abgeholzt und dafür geschützt werden.

• Nachhaltigen Tourismus zertifizieren
Damit Verbraucher künftig schon bei der Urlaubsplanung umweltverträgliche Reiseangebote finden und auswählen können, setzt sich der WWF für die Entwicklung und Einführung eines weltweit gültigen Siegels für nachhaltigen Tourismus ein. Der Tourism Sustainability Council (TSC) beinhaltet - ähnlich wie der FSC für Holz oder der MSC für Fisch - eine Liste international gültiger Mindestkriterien für nachhaltigen Tourismus. Der TSC prüft touristische Umweltzeichen auf der Grundlage dieser Umwelt- und Sozialkriterien und vereint sie unter einem Dach. Verbraucher können nach Einführung des Siegels im Frühjahr 2010 auf einen Blick erkennen, dass der gewählte Anbieter mit dem TSC-Zeichen ökologische Mindeststandards erfüllt.

• Mehr Transparenz durchsetzen
Dass nachhaltige Reiseangebote vom Verbraucher gewünscht werden, zeigt eine aktuelle Untersuchung der Forschungsgemeinschaft "Urlaub und Reisen" im Auftrag des WWF: Jeder fünfte Deutsche will bereits künftig bei der Reisebuchung auf Umweltstandards achten. Um diese Entscheidungen bewusster treffen zu können, fordert der WWF von den Reiseanbietern eine transparente Darstellung des Klimafußabdrucks der einzelnen Reisen und eine genaue Kennzeichnung der Nachhaltigkeit ihrer Produkte.

http://www.wwf.de/downloads/wwf-magazin/januar-2010/touristischer-fussabdruck/


Weitere Informationen zum nachhaltigen Tourismus sowie die Studie "Der touristische Klima-Fußabdruck 2009" und den aktuellen Katalog der Reisen zu WWF-Projekten erhalten Sie als kostenlosen Download unter www.wwf.de/tourismus im Internet.


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Quelle:
WWF Magazin 1/2010, Seite 19-21
Herausgeber:
WWF Deutschland
Rebstöcker Str. 55, 60326 Frankfurt am Main
Tel.: 069/7 91 44-0, Fax: 7 91 44-112
E-Mail: info@wwf.de
Internet: http://www.wwf.de

Die Zeitschrift für Mitglieder und Freunde der
Umweltstiftung WWF Deutschland erscheint vierteljährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2010