Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → FAKTEN

VERBAND/382: Jahresbericht und Bilanz 2009 des NABU Schleswig-Holstein (NABU SH)


NABU Landesverband Schleswig-Holstein - 12. Januar 2010

Neue Landesregierung muss altes Naturschutzrecht evaluieren!

Jahresbericht und Bilanz 2009 des NABU Schleswig-Holstein


Neumünster, 12. Januar 2010: Auch das Jahr 2009 brachte für den Natur- und Umweltschutz im Land zwischen den Meeren kaum Fortschritte. Im Gegenteil: Die negativen Auswirkungen verfehlter Weichenstellungen in den Jahren der ersten schwarz-roten schleswig-holsteinischen Landesregierung zeichnen sich vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedrohung der biologischen Vielfalt im Land immer deutlicher ab - seien es beispielhaft der mangelhafte Knickschutz, der weiter fortschreitende massive Rückgang wertvollen Grünlands, die in Teilen tierschutzwidrige Praxis der Jagdausübung oder die oft mangelnde Durchsetzung des Naturschutzrechts durch staatliche Behörden, das heute zur Sicherung des Naturerbes weitgehend auf durch Naturschutzverbände initiierte Klageverfahren angewiesen ist.

Das von der CDU ständig bemühte Primat der reinen "Freiwilligkeit" - längst an Brennpunkten des Naturschutzes wie auf Eiderstedt oder beim Schutz unserer Knicklandschaft an der Realität gescheitert - hemmt nachhaltig den Fortschritt bei der Sicherung des schleswig-holsteinischen Naturerbes. Die alte Landesregierung weigerte sich zudem, Konsequenzen des in den letzten Jahren vollzogene Abbaus von Vorschriften und Standards im Naturschutzrecht in der Praxis ergebnisoffen zu evaluieren. Vorschläge u.a. des NABU, die Auswirkungen der Aufhebung des Knickerlasses prüfen zu lassen, wurden vom Landwirtschaftsministerium MLUR auf Druck des Bauernverbandes abgelehnt.


Der Rückblick im Einzelnen:

Der NABU als Anwalt der Natur

Der NABU ist zusammen mit seinen Partnern gesetzlich befugt, die Beachtung des Naturschutzrechtes notfalls auch gerichtlich durchzusetzen. Gewinnt der NABU ein Verfahren, so ist damit vor Gericht bewiesen, dass Vorhabensträger und Genehmigungsbehörde bestehendes Recht missachtet haben.

Die gerichtliche Auseinandersetzung um die Muschelzucht im Naturschutzgebiet 'Beltringharder Koog' und die Klage gegen das Tourismusprojekt 'Port Olpenitz' an der Schlei konnten der NABU und seine Mitstreiter erfolgreich abschließen. Die für Seevögel wertvolle Halbinsel an der Mündung der Schlei wurde vor einer Bebauung gerettet, im Beltringharder Koog darf Natur auch weiterhin Natur bleiben. Das OVG Schleswig erkannte zudem Teile des Umweltrechtsbehelfsgesetzes des Bundes als rechtswidrig an. In der Folge ist heute auch eine Klage gegen die Natur negativ beeinflussende Bebauungspläne möglich. Die geplante Feste Beltquerung, die Elbvertiefung, der Bau der A20 bei Bad Segeberg und weitere naturschutzfeindliche Infrastrukturprojekte werden vom NABU weiterhin kritisch beurteilt.

Der NABU begrüßte die Auszeichnung des Wattenmeers als "Weltnaturerbe" durch die UNESCO. Er wertet dies auch als eine deutliche Anerkennung der langjährigen Arbeit aller im Nationalpark aktiven Organisationen und Institutionen.

Auf Eiderstedt hat der NABU Umweltschadensklage gegen den zuständigen Deich- und Hauptsielverband einreichen müssen, um die Situation für die durch massive Entwässerungen des Gebietes nunmehr hoch bedrohte Trauerseeschwalbe doch noch zu verbessern. Gespräche vor Ort und mit dem MLUR haben bis heute keinen angemessenen Schutz für das EU-Vogelschutzgebiet durchsetzen können.

Mit großer Sorge sieht der NABU sich immer stärker abzeichnende Tendenzen, massiv Eignungsflächen für die Windenenergienutzung auch in naturschutzrelevanten Flächen auszuweisen. Hierdurch werden nicht nur seltene heimische Großvogelarten wie Seeadler, Uhu und Rotmilan bedroht, sondern auch weitere Barrieren im Verlauf internationaler Vogelzugrouten errichtet. Der CCS-Technologie (Verpressung von CO2 in den Untergrund) hat der NABU eine deutliche Absage erteilt. Bei der Ausweisung von Flächen für die Photovoltaik fordert der NABU das Land auf, alte Fehler nicht zu wiederholen und verstärkt auf die Nutzung landeseigener und kommunaler Dachflächen zu setzen und damit den Druck von der offenen Landschaft zu nehmen. Alle schleswig-holsteinischen Atomkraftwerke sollen nach Auffassung des NABU dauerhaft stillgelegt werden. Der Bau weiterer Agrargasanlagen hat landesweit zu einer erheblichen Nutzungsintensivierung und Monotonisierung der Landschaft infolge des zunehmenden Anbaus von Energiemais geführt. Auch hier ist das Maß des für unsere Natur Erträglichen längst deutlich überschritten.

Gewässerschutz vorangebracht

Die NABU-Landesstelle Wasser in Plön begleitet seit mehreren Jahren in Schleswig-Holstein die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie EG-WRRL. Vielen NABU-Gruppen und zahlreichen Aktiven vor Ort standen die Fachleute der Einrichtung für Fragen und Hilfestellungen zur Verfügung. Die Mitarbeiter haben so einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Gewässerschutzes im Lande geleistet. Diese Arbeit findet abgestimmt mit den Partnern von BUND, LNV und WWF statt. Ein aktueller Schwerpunkt der Arbeit ist weiterhin der Einsatz für eine auch natur- und artenschutzrechtlichen Anforderungen genügende Gewässerunterhaltung. Die vom MLUR weiterhin verfolgte Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Umsetzung der Richtlinie wird vom NABU positiv beurteilt.

Engagement vor Ort

In bewährter Weise gestaltete der NABU wieder die haupt- und ehrenamtliche Betreuung seiner 45 Naturschutzgebiete mit einer Fläche von rd. 40.000 ha, zu denen im Jahr 2010 fünf EU-Vogelschutzgebiete hinzukommen werden. Die NABU-Naturzentren und -Naturstationen im Land leisteten wie die NABU-Gruppen im vergangenen Jahr erneut einen großen Beitrag, Interessierte an die Natur heranzuführen. Im vergangenen Jahr bot der NABU in seiner Termindatenbank im Internet landesweit Interessierten genau 1.000 naturkundliche Veranstaltungen an.

Neu herausgebracht hat der NABU eine Info-Broschüre über Schweinswal, Seehund und Kegelrobbe, für deren Schutz u. a. vor Lärm aus Sprengungen, Sportbootveranstaltungen und Rammungen im Meer sich der NABU in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft zur Rettung der Delphine und der Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere einsetzt. Bei zukünftigen Sprengungen werden mit Unterstützung des schleswig-holsteinischen Innenministeriums dank finanzieller Unterstützung des Bundes zukünftig in der Regel Blasenvorhänge eingesetzt werden.

Viele NABU-Gruppen haben landesweit durch konkrete Naturschutz- und Artenhilfsprojekte die Lebensbedingungen gefährdeter Tier- und Pflanzenarten verbessert. Hierzu zählen die Pflege von Orchideenwiesen ebenso wie die Anlage von Amphibienlaichgewässern oder bunten Knicks.

Die NABU-Aktion 'Stunde der Gartenvögel' erbrachte im vergangenen Jahr neue Ergebnisse zum Einfluss stärkerer Winter. Ob das zunächst in Schleswig-Holstein und dann bundesweit beobachtete massive Sterben von Grünfinken in der zweiten Jahreshälfte 2009 erkennbare Konsequenzen für den Bestand der Art hat, wird wohl erst die Stunde der Gartenvögel im Mai 2010 zeigen. Den 'Naturgeburtstag' der Naturschutzjugend NAJU buchten rd. 50 Geburtstagskinder mit ihren Gästen.

In die NABU-Schlagzeilen kam ein qualvoll in einer Schlagfalle verendeter Steinmarder: Der NABU untermauerte - auch nachdem weitere Fälle der tierschutzwidrigen Verfolgung von Tieren bekannt wurden - seine Kritik an dem sinnlosen, vom MLUR gebilligten grausamen Töten von Mauswiesel, Marder und Waschbär in Fallen. Das geplante Betretungsverbot für Wälder wie die überflüssige Novellierung des Landeswaldgesetzes standen nicht nur beim NABU in der Kritik.

Mit der 1.000sten Plakette des "Fledermausfreundlichen Hauses" setzten der NABU und die Stiftung Naturschutz eine Erfolgsstory des Artenschutzes fort - und weitere Auszeichnungen werden sicher in 2010 folgen. Seine Schatten wirft bereits heute der Kormoran als Vogel des Jahres 2010 voraus - der NABU setzt sich dafür ein, dass dem vielfach Verfolgten ein gerechterer Umgang zu Teil wird. Der Weißstorch hatte 2009 ein schlechtes Brutjahr. Nur 204 Paare schritten bei uns zur Brut, wie die AG Storchenschutz im NABU registrieren musste.

Evaluierung notwendig

Ob sich nach der vorgezogenen Landtagswahl mit einer neuen Ministerin an der Spitze der Umweltverwaltung Entscheidendes positiv verändern wird, kann erst die Zukunft zeigen. Der NABU wird auch weiterhin ein kritisches Auge auf alle Entwicklungen haben und Erfolge für den Umwelt- und Naturschutz loben, aber auch deutlich Fehlentwicklungen kritisieren. Die Evaluierung der praktischen Konsequenzen beim Abbau der rechtlich verankerten Naturschutzstandards ist dabei eine Aufgabe, die von MLUR und neuer Landesregierung zuvorderst angefasst werden muss. Der von den Regierungsfraktionen von CDU und FDP kurz vor Weihnachten in den Landtag eingebrachte Entwurf für ein neues Landesnaturschutzgesetz lässt hier für die Zukunft allerdings wenig erwarten.

Weitere Informationen im Internet unter www.NABU-SH.de


*


Quelle:
Presseinformation, 12. Januar 2010
Herausgeber: Naturschutzbund Deutschland e.V.
NABU Schleswig-Holstein
Färberstr. 51, 24534 Neumünster
Tel.: 04321/53734, Fax: 04321/59 81
E-mail: info@NABU-SH.de
Internet: www.NABU-SH.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2010