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VERKEHR/767: Problemfall Deutsche Bahn - Eine Bahn für alle (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 2/2010
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

ZUR ZEIT
Problemfall Deutsche Bahn
Eine Bahn für alle

Von Werner Reh


Selten wurde so viel über die Bahn geschimpft wie in den letzten zwölf Monaten: Mit Verspätungen, Materialschäden, schlechter Wartung, Winterschäden, hohen Preisen und einem nicht für möglich gehaltenen S-Bahnchaos in der Hauptstadt wurden alle Bahnfreunde auf eine harte Probe gestellt.

Einige der jüngsten Probleme - wie der monatelange Ausfall der Berliner S-Bahn - sind eindeutig dem Privatisierungskurs von Ex-Bahnchef Mehdorn geschuldet. Hohe Gewinne sollten die Braut für den geplanten Börsengang aufhübschen, mit fatalen Folgen. Der seit Mai 2009 amtierende Vorsitzende Rüdiger Grube muss die Suppe nun auslöffeln. Und er wird sich entscheiden müssen, ob er einen globalen Logistikkonzern anstrebt oder den deutschen Schienenverkehr grundlegend verbessern will.

Sicher gab es in den letzten Jahren Fortschritte bei der Bahn. Was aber ist nötig, um den Anteil des Schienenverkehrs - wie klimapolitisch geboten - binnen 15 Jahren zu verdoppeln? Der BUND fordert zuallererst den Kurs der Kapitalprivatisierung der Bahn zu stoppen. Ein »Vorratsbeschluss« des letzten Bundestages erlaubt es, die Privatisierung jederzeit ohne Zustimmung des Bundestags umzusetzen - so, wie es der Koalitionsvertrag von Union und FDP vorsieht; gegen die Privatisierung kämpft der BUND mit Gewerkschaften, Attac und anderen im Bündnis »Bahn für Alle«.

Zudem müssen die Rückstände bei der Wartung rasch aufgeholt, reparaturbedürftige Gleisabschnitte (die Züge langsamer passieren müssen) beseitigt, alle staatlichen Zuschüsse an Leistungsqualität und Pünktlichkeit gebunden und ab einer Stunde Verspätung die Fahrpreise voll erstattet werden.


Politik statt Prestige

Obwohl die Bundesregierung 100% der Aktien der DB AG besitzt, übt sie keinen strategischen Einfluss auf deren Politik aus. Ihre Vertreter im Aufsichtsrat stimmen häufig uneinheitlich. Die Politik interveniert zwar für einzelne Prestigeprojekte, über die Richtung aber entscheidet die Bahn allein. Bundespolitik und -verwaltung müssen endlich eine eigene Bahnkompetenz aufbauen. Sie müssen einen klaren Rahmen setzen, Planungsentscheidungen treffen und die Verwendung ihrer Haushaltsmittel viel strenger kontrollieren.

Statt in Prestigeprojekte muss die Bahn in effiziente Schienenprojekte für den Güterverkehr investieren. Über acht Mrd. Euro kostet die Hochgeschwindigkeitsstrecke Nürnberg - Erfurt, wohl vier bis sechs Mrd. Euro die Verbindung Ulm - Wendlingen. Auch der Umbau des Stuttgarter Bahnhofs (»Stuttgart 21«) geht auf Kosten anderer Vorhaben. Solche Prestigebauten blockieren auf Jahrzehnte Investitionen in effiziente und umweltpolitisch sinnvolle Schienenprojekte.

Deutlich mehr Kapazitäten benötigen wir für den Weitertransport der in den Seehäfen anlandenden Güter. Investiert werden muss in Knotenpunkte, in Ausweichstrecken für den Schienengüterverkehr, in ausreichend lange Überholgleise und in moderne Leitsysteme zur Verringerung der Mindestabstände zwischen den Zügen. So könnte viel Straßenverkehr auf die Schiene verlagert und damit viel CO2 gespart werden.


Mehr Takt

Obwohl die Bahn im Personenverkehr Milliarden in extrem teure Hochgeschwindigkeitsstrecken steckte, ist es ihr nicht gelungen, den Auto- oder Flugverkehr nennenswert auf die Schiene zu verlagern. Was nützen hohe Spitzengeschwindigkeiten, wenn wir die gesparte Zeit am nächsten Knotenpunkt wieder verlieren? Eine kluge Infrastrukturpolitik konzentriert sich darauf, den Fahrplan netzweit zu optimieren.

Last but not least sind allen Verkehrsträgern - ob dem Flug-, Auto- oder Bahnverkehr - ihre Umwelt- und Gesundheitskosten anzulasten, statt sie weiter auf die Allgemeinheit abzuwälzen.

Mit all diesen Maßnahmen bekämen wir nicht nur eine bessere Bahn. Wir hätten aus dem befürchteten Plus der CO2-Emissionen im Verkehr (20% bis 2025) auch ein beträchtliches Minus gemacht.

Werner Reh ist der Verkehrsexperte des BUND.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Bahnwerbung von 1966 - es war einmal


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Quelle:
BDmagazin 2/2010, S. 28
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
Tel. 030/27586-457, Fax. 030/27586-440
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Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
des BUND und erscheint viermal im Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juli 2010