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WALD/094: Kerngesund! Waldschadensbericht 2013 (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 121/2.2014

Wald
Kerngesund!

von Rudolf Fenner



"Der Wald ist heute ein im Kern gesundes Ökosystem." Ein geradezu genialer Satz, der da unserem neuen Forstminister Christian Schmidt im Interview mit der Welt am Sonntag geglückt ist. "Im Kern gesund" bedeutet natürlich eigentlich, der Wald sei mehr oder weniger krank, habe aber noch einen größeren oder kleineren gesunden Kern. Genial daran ist, dass wohl bei den allermeisten Menschen statt der Originalformulierung das einfachere, scheinbar identische Wort "kerngesund" hängenbleibt. Das wird allerdings inzwischen in unserem Sprachgebrauch zur Charakterisierung einer geradezu prallen Gesundheit eingesetzt. Und - schwupp - schon strotzt heute unser Wald vor Gesundheit. Genauso ist es offensichtlich auch den beiden WamS-JournalistInnen gegangen, die ihren Text mit der Aussage anmoderieren, der neue Agrarminister bringe "gute Nachrichten mit: Der deutsche Wald ist wieder kerngesund."

Schönfärberei des Forstministers

Etwas nüchterner klingt es dann in der offiziellen Pressemitteilung seines Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft anlässlich der Veröffentlichung des Waldschadensberichts 2013 am Tag nach diesem Interview: "Der Zustand des Waldes hat sich weiter verbessert". Doch auch das ist mehr als Schönfärberei, denn der Anteil an geschädigten Baumkronen hat nicht etwa abgenommen, nein, er ist gestiegen - von 61 Prozent im Jahre 2012 auf 62 Prozent im letzten Jahr. Das ist zwar nicht viel, und es war nach dem Trockenjahr 2003 auch schon mal deutlich schlimmer, aber unter Erholung lässt sich ein Anstieg im Krankenstand der Waldbäume - und sei er noch so gering - nun wahrlich nicht verbuchen.

Doch ungeachtet dessen - der interviewte Minister freut sich, "dass es dem deutschen Wald besser geht. ... Die Luftreinhaltung funktioniert. Das ist eine bemerkenswerte Entwicklung, wenn man sich erinnert, dass Waldsterben in den 80er-Jahren das Stichwort schlechthin war."

So, so, besser als damals soll es ihm also heute gehen, dem Wald! Nachschauen in den eigenen Statistiken wäre da sicherlich ratsamer gewesen, als sich dreißig Jahre diffus zurück zu erinnern: Damals in den Achtzigern, als das "Waldsterben" das dominierende Sorgenthema in Deutschland war, wurden immerhin noch über 40 Prozent der Waldbäume als ungeschädigt kartiert. Heute liegt dieser gesund erscheinende Waldanteil durchweg unter der 40-Prozent-Linie. Kurz, aber eindeutig: Dem Wald geht es heute schlechter als damals! Nicht Freude - ein Aufschrei des neuen Ministers wäre angebrachter gewesen.

Und dass "die Luftreinhaltung funktioniert", diese Aussage von Herrn Schmidt ist in ihrer Pauschalität schlicht falsch und aus dem Munde eines Landwirtschaftsminister sogar höchst pikant. Denn: Einigermaßen funktioniert hat die Luftreinaltung nur bei den Schwefeldioxid-Abgasen dank der Entschwefelungsanlagen. Teilweise, aber bei weitem nicht genug, hat es bei den verschiedenen Stickstoffabgasen funktioniert, bei den Benzinmotoren etwa dank des Katalysators oder bei den Entstickungsanlagen in den Kraftwerken. Wo die Luftreinhaltung aber so gut wie gar nicht funktioniert hat, ist in der Landwirtschaft, genauer im Bereich der landwirtschaftlichen Tierproduktion. Ammoniak-Ausdünstungen aus Tierställen und ausgebrachter Gülle sind heute die Stickstoff-Emissionsquelle Nr 1, weit höher als die, die noch immer als Stickoxide aus dem Straßenverkehr abgegast werden.

Luftschadstoffe und Klimawandel setzen dem Wald zu

Von wegen also: "Die Luftreinhaltung funktioniert"! Und am schlechtesten funktioniert sie im Zuständigkeitsbereichs des Forst- und Landwirtschaftsministers. Klassischer Interessenkonflikt also! Und: Höchste Zeit, dass die Zuständigkeit für den Wald weg vom Landwirtschaftsministerium und hin zum Umweltministerium kommt. Genau das schlägt im übrigen auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) vor, der die Bundesregierung berät - bislang folgenlos. Schon einmal, 2003, hatte eine Landwirtschaftsministerin - die Grüne Renate Künast war's - stolz verkündet: "Wir haben den Trend umgekehrt!" Und sie meinte, das Sterben der Wälder sei nun überwunden. Schon ein Jahr später musste sie die alarmierendste Schadensstatistik seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahre 1984 vermelden: "Dem deutschen Wald geht es so schlecht wie nie zuvor".

Auslöser damals war der ungewöhnlich trockene Sommer 2003. Der katapultierte den Anteil an erkennbaren Waldschäden auf über 70 Prozent und machte damit auch deutlich, dass der an Luftschadstoffen leidende Wald nun auch zunehmend von den Folgen der Klimaveränderung malträtiert wird. Besonders hart hatte es die heimischsten aller Waldbäume - die Buchen und Eichen getroffen. Deren Schadensquote lag deutlich über 80 Prozent. Und erholt haben sich diese beiden Baumarten seitdem - zehn Jahre ist das nun her - kaum. Fast müsste man sagen: gar nicht. Bei der Buche wurden im letzten Jahr 77 Prozent geschädigter Baumkronen registriert, bei der Eiche sind es immer noch über 80 Prozent. Und trotzdem brachte Minister Schmidt den Satz über die Lippen, dass der Zustand der Eichen "sich im vergangenen Jahr am deutlichsten verbessert" habe.

Noch so ein trockener Sommer wie vor elf Jahren, und unseren neuen Forstminister ereilt das Künast`sche Schicksal, das auch ihn dann zwingt, vom leichtfertigen Schönredner zum Verkünder mitverschuldeter Katastrophen zu mutieren.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Grafik der Originalpublikation:

Die Fieberkurve des Waldes - Geschädigte Bäume in Deutschland
Mehr als 60 Prozent unserer Waldbäume sind geschädigt. Trotzdem fantasiert der zuständige Forstminister, dass es dem deutschen Wald besserginge

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 121/2.2014, Seite 26-27
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2014