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FRAGEN/013: 25 Jahre Ozonwarnung - "Spitzenwerte wie damals sind heute selten" (FZJ)


Forschungszentrum Jülich GmbH - 26. Juli 2019

25 Jahre Ozonwarnung: "Spitzenwerte wie damals sind heute selten"


Auch damals, vor 25 Jahren, am 26. Juli 1994, waren die Temperaturen und Ozonwerte hoch. Es war ein Dienstag und der Tag, an dem die rot-grüne Landesregierung in Hessen erstmals in Deutschland einen Ozonalarm ausrief. Franz Rohrer und Dieter Klemp vom Institut für Energie- und Klimaforschung am Forschungszentrum Jülich erklären im Interview, warum Spitzenwerte von über 300 Mikrogramm pro Kubikmeter, wie sie damals gemessen wurden, kaum noch auftreten. Und warum ausgerechnet die Stickoxide aus dem Autoverkehr dafür sorgen, dass die Ozonkonzentration in den Städten heute so viel niedriger ausfällt.


Abb.: © Forschungszentrum Jülich / Franz Rohrer

Jahresmittelwerte für O3 (Ozon) und Ox (Ox=O3+NO2) an den Stationen des Umweltbundesamtes/LANUV in Simmerath (DENW064) und in Köln-Chorweiler (DENW053). Gepunktete vertikale Linien markieren außergewöhnlich heiße Jahre mit einer mittleren Temperatur während der Sommermonate von über 18°C in Deutschland.
Abb.: © Forschungszentrum Jülich / Franz Rohrer

Dieter Klemp kann sich an das historische Ereignis noch gut erinnern. Er war damals damit beschäftigt, Ozon und andere Schadstoffwerte in der Luft zu messen. Auch heute ist er immer noch häufig mit dem mittlerweile mobilen Messlabor, dem MOBILAB, unterwegs, um die Luftqualität in Städten und Ballungsräumen zu beurteilen.

Wie haben Sie den Tag damals vor 25 Jahren erlebt?

Dieter Klemp: Wir haben damals, am 26. Juli im Sommer 1994, in Wuppertal mit unserer Laborausrüstung vom Forschungszentrum gemessen, die damals noch nicht mobil war. Das Labor stand im Stadtgebiet bei der Universität. Und dort haben wir damals eine Ozon-Sommersmog-Periode beobachtet, bei der man von Tag zu Tag einen Anstieg von 10 bis 20 Mikrogramm verzeichnen konnte. Das Ozon ging hoch bis auf 260 Mikrogramm pro Kubikmeter. So viel erreicht man heute praktisch nicht mehr.


Abb.: © Forschungszentrum Jülich / Franz Rohrer

Im Vergleich zu der Situation in Simmerath ist hier die Konzentration von Ozon direkt an der Westküste Irlands an der Global Atmospheric Watch (GAW) Station Mace Head eingezeichnet. Die Konzentration von NO2 ist dort zu vernachlässigen. Die gepunkteten vertikalen Linien markieren wieder Jahre mit einer mittleren Temperatur während der Sommermonate von über 18°C in Deutschland.
Abb.: © Forschungszentrum Jülich / Franz Rohrer

Wie hat sich die Situation seither verändert?

Franz Rohrer: Die Spitzenwerte werden heute nicht mehr in dieser Weise beobachtet, wie es damals der Fall war. Der Grund dafür sind vor allem die Katalysatoren, die damals für Autos und LKWs eingeführt wurden. Die haben den Ausstoß von Kohlenwasserstoffen stark reduziert. Die Kohlenwasserstoffe sind so etwas wie der Brennstoff für die Ozonbildung. Und weil deren Konzentration in der Umwelt innerhalb von 25 Jahren um mehr als einen Faktor 15 gesunken ist, haben wir es heute mit einem viel kleineren Ozon-Problem zu tun.


Abb.: © Forschungszentrum Jülich / Franz Rohrer

Gegenüberstellung der Stundenmittelwerte für O3 (Ozon) an der Station Niederzier des Umweltbundesamtes/LANUV (DENW074) für 1994 und 2019, jeweils für Ende Juli. Die gestrichelte Linie markiert einen Ozonwert von 120 µg/m3. In Rot hervorgehoben sind jeweils die Daten des 26. Juli.
Abb.: © Forschungszentrum Jülich / Franz Rohrer

Verstärkt wird der Effekt noch dadurch, dass die Stickoxide trotz Katalysator wegen der Dieselproblematik nicht genauso stark gesunken sind. Grund dafür ist, dass der Anteil von Diesel-PKW an der Fahrzeugflotte insgesamt größer geworden ist und den Effekt der starken Stickoxidminderung bei Benzin-PKW fast ausgeglichen hat.

Wie hängen Stickoxide und Ozon zusammen?

F.R.: In der Nähe von dichtem Verkehr an den Straßen gibt es eine besondere, sozusagen lokale Situation. Das vom Verkehr freigesetzte Stickstoffmonoxid (NO) wandelt sehr schnell Ozon in Stickstoffdioxid (NO2) um. Es nimmt das Ozon praktisch lokal aus der Luft. Das führt dazu, dass die Ozon-Konzentration in Städten extrem niedrige Werte annehmen kann. An den Messstationen vieler Verkehrsstraßen gibt's deswegen sogar überhaupt keine Ozonmessungen mehr. Das Ozon ist dort einfach schon lange Zeit unter der Messgrenze.

Umgekehrt gilt: Geht der Stickstoffmonoxid-Eintrag zurück, dann wird lokal auch weniger Ozon aus der Luft entfernt. Dann steigen - nicht unbedingt die Spitzenwerte, aber die Mittelwerte von Ozon - wieder an. Und genau diese Situation erlebt man gerade in einigen Städten.

Können Sie vielleicht ein Beispiel nennen?

F.R.: Mithilfe des frei zugänglichen Webtools des Forschungszentrums "JOIN" (https://join.fz-juelich.de) kann man das gut erläutern. Ich habe mir damit die Stations-Daten von Simmerath herausgezogen. Das ist eine sogenannte Hintergrundstation, die kaum durch Abgase aus dem Verkehr beeinflusst wird. Dort war die beobachtete Ozon-Konzentration in den letzten 25 Jahren weitgehend konstant. "Ausreißer" sind vor allem durch Jahre mit hoher Temperatur zu erklären, bei denen durch die beschleunigte Photochemie mehr Ozon entsteht. Das war beispielsweise 2003 oder letztes Jahr, 2018, der Fall. Wenn man sich jetzt eine andere Station anschaut, die am Stadtrand gelegen ist wie Köln-Chorweiler, dann sieht man, dass die Ozon-Werte der letzten Jahre dort hochgehen.

D.K.: Der Grund für den Anstieg in Chorweiler ist aber nicht, dass von außen mehr Ozon eingetragen wird. Das belegt die Hintergrund-Konzentration in Simmerath, denn die ist erstens größer und zweitens hat sie sich ja kaum verändert. Entscheidend ist, dass die Stickoxid-Emissionen aus dem Verkehr zurückgegangen sind. An der Station Chorweiler sind es etwa 30 Prozent weniger Stickoxide seit 1990. Entsprechend wird weniger Ozon umgewandelt und die Ozonkonzentration steigt an.

Was das bedeutet, erkennt man, wenn man neben dem Ozon die Stickstoffdioxid-Konzentration berücksichtigt. NO2 enthält ja praktisch das Ozon, das lokal umgewandelt wurde. Dabei sieht man: Die Summe von Ozon und Stickstoffdioxid erhöhte sich in Chorweiler über die Jahre nicht, genauso wenig wie an einer Hintergrundstation wie Simmerath.

Woher kommt das gemessene Ozon?

F.R.: Oft wird vergessen, dass Ozon extrem lange in den unteren Schichten der Atmosphäre, der Troposphäre, erhalten bleibt, und zwar bis zu einem Monat! In dieser Zeit kreist es in unseren Breiten mit den typischen Westwinden mehrmals um den Globus. Der größte Teil des Ozons wird gar nicht hier in Deutschland gebildet, sondern strömt direkt aus den USA über den Atlantik herüber. Dafür braucht es nur wenige Tage. Auch Ozon aus China und Indien zieht westwärts in die USA, und kommt danach zu uns. Und geht dann natürlich von uns wieder Richtung Asien und so weiter.

Wie entsteht dieses Ozon?

F.R.: Ozon bildet sich aus dem photochemischen Abbau der Kohlenwasserstoffe, die meist aus dem Straßenverkehr, aber auch aus Industrie und von Pflanzen stammen. Weitere wichtige Quellen heutzutage sind übrigens Parfüms, Shampoos und Deos. Die stehen heute in amerikanischen Städten oft an erster Stelle, weil die dortigen Verkehrsemissionen stark gesunken sind.

In diesem Kontext spielen verschiedene Prozesse eine Rolle. Ein bisschen von dem Ozon, das aus den USA herüberkommt, wird durch den Kontakt mit dem Boden abgebaut. Daneben gibt es die genannten photochemischen Prozesse. Durch die kommt wieder ein wenig Ozon hinzu. Im Großen und Ganzen ist es meiner Meinung nach aber so, dass Ozon in Europa im Jahresmittel gesehen heute stärker abgebaut wird als neu entsteht.

Das sieht man sehr schön, wenn man sich den Ozontrend an der Westküste Europas an der GAW Station Mace Head anschaut. Dort ist die NO2-Konzentration so niedrig, dass sie praktisch zu vernachlässigen ist. Man kann dort daher das Ozon beobachten, das über den Atlantik von USA nach Europa herüberkommt. Und das nahm in den letzten Jahren in Mace Head etwas zu.

Warum hat man heute an heißen Tagen teilweise immer noch recht hohe Werte?

F.R.: Wenn bestimmte Wetterlagen, sogenannte stagnierende Hochdruckgebiete, die Schadstoffe über eine gewisse Zeit an einem Ort zusammenhalten, dann kann es immer noch sein, dass dort für diese relativ kurze Zeitspanne von ein paar Tagen Ozon gebildet wird und von Tag zu Tag ansteigt. Kurzfristig anberaumte Fahrverbote in so einer Situation bringen dann aber nichts mehr. Die Suppe mit all ihren Zutaten ist dann schon da, und sie ist dann schon am Kochen. Für das Jahresmittel spielen solche Spitzenwerte in der Regel übrigens keine Rolle. Meistens dauert es nur ein paar Tage. Sobald das stagnierende Hochdruckgebiet sich auflöst und die Durchmischung der Luft wieder stattfindet, normalisieren sich die Werte.

Jetzt im Augenblick beginnt gerade wieder so eine Periode mit hohen Temperaturen. Das Beispiel zeigt den Anstieg der derzeitigen Ozonkonzentration an der Messstation Niederzier, die direkt neben dem Forschungszentrum Jülich steht. Zum Vergleich wird auch die dortige Situation 1994 gezeigt, die die generell höheren Werte vor 25 Jahren in dieser Gegend verdeutlicht.

Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft: Bekommt das Ozon-Problem mittel- und langfristig wieder mehr Gewicht?

F.R.: Ich vermute, dass die Verkehrsemissionen langfristig sinken werden, wahrscheinlich sogar in den nächsten 25 Jahren auf einen winzigen Bruchteil zurückgehen. Daher glaube ich, dass wir dann auch kein Problem mehr mit dem Ozon haben werden. Das gilt aber nur, wenn kein anderer Kohlenwasserstoff-Emittent dazukommt. Denn dann gingen die Werte direkt wieder hoch. Es wird vor allem auch darauf ankommen, wie sich die Emissionen in anderen Ländern wie Indien und China verändern. Wenn sich die Wirtschaft in Indien weiter so entwickelt, und mehr Wirtschaft bedeutet heute immer auch mehr Energieerzeugung aus fossilen Energieträgern, dann führt das vermutlich zu mehr Ozon. Und das kommt letztlich hier an, auch wenn es einmal um den Globus muss.

D.K.: Andererseits muss man aber schon sagen, dass man in den letzten 25 Jahren eine Menge erreicht hat, vor allem bedingt durch die Fahrzeug-Katalysatoren. Das gilt zumindest für Ozon. In Bezug auf die Stickoxide hat es bisher nicht so viel gebracht. Trotzdem war die Einführung des Katalysators natürlich eine tolle Erfolgsgeschichte. Und in der Zukunft kann sich auch noch viel verändern.


Das Forschungszentrum Jülich leistet wirksame Beiträge zur Lösung großer gesellschaftlicher Herausforderungen in den Bereichen Information, Energie und Bioökonomie. Es konzentriert sich auf die Zukunft der Informationstechnologien und -verarbeitung, komplexe Vorgänge im menschlichen Gehirn, den Wandel des Energiesystems und eine nachhaltige Bioökonomie. Das Forschungszentrum entwickelt die Simulations- und Datenwissenschaften als Schlüsselmethode der Forschung weiter und nutzt große, oft einzigartige wissenschaftliche Infrastrukturen. Dabei arbeitet es themen- und disziplinenübergreifend und nutzt Synergien zwischen den Forschungsgebieten.



Weitere Informationen:

Interview online
https://www.fz-juelich.de/portal/DE/Presse/Pressemitteilungen/PM_node.html

Beitrag "Dieselfahrverbote mit Nebenwirkungen" in effzett - Das Magazin aus dem Forschungszentrum Jülich, Ausgabe 1-2018
http://effzett.fz-juelich.de/1-18/dieselfahrverbote-mit- nebenwirkungen/

Institut für Energie- und Klimaforschung, Troposphäre (IEK-8)
https://www.fz-juelich.de/iek/iek-8/DE/Home/home_node.html

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Quelle:
Pressemitteilung, 26.07.2019
Herausgeber: Forschungszentrum Jülich GmbH, 52425 Jülich
Mitglied der Hermann von Helmholtz Gemeinschaft
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Internet: www.fz-juelich.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. August 2019

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