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ÖKOSYSTEME/090: Pflanzen sind ihre Welt (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Oktober 2016

Pflanzen sind ihre Welt

Von Tom Leonhardt


Die US-Amerikanerin Prof. Dr. Tiffany Knight erforscht, wie sich pflanzliche Ökosysteme über lange Zeiträume verändern und ob ein Verlust der Artenvielfalt auch zu einer Beeinträchtigung des Ökosystems führen kann. Dazu benutzt sie Daten von Naturforschern aus dem 19. Jahrhundert, bereist Inseln und plant Expeditionen. Im Februar 2016 ist die renommierte Biodiversitätsforscherin aus den USA nach Mitteldeutschland gewechselt. Möglich wurde das durch eine Alexander von Humboldt-Professur, die das UFZ gemeinsam mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg eingeworben hat. Die Forscherin wurde zudem für die Helmholtz-Rekrutierungsinitiative ausgewählt.


Unter Pflanzen fühlt sich Tiffany Knight wohl. In einem Gewächshaus im Botanischen Garten der Universität Halle-Wittenberg schaut sich die US-Amerikanerin die vielen verschiedenen Arten fasziniert an. "Diese Art ist einzigartig!", ruft sie, schaut kurz auf und widmet sich dann wieder dem vielfältigen Grün. Pflanzen sind sehr wichtig für die Menschen und die Umwelt: "Sie wandeln Kohlendioxid in Sauerstoff um, regulieren unser Klima und erbringen für die Menschheit notwendige Dienste." Deshalb sei es spannend und wichtig, die Entwicklung der Artenvielfalt von Pflanzen auf der ganzen Welt zu erforschen.

Tiffany Knight ist seit dem 1. Februar Professorin für "Räumliche Interaktionsökologie" an der halleschen Universität und leitet gleichzeitig eine Gruppe im UFZ-Department Biozönoseforschung. Ihr Arbeitsort wird vor allem das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) sein.

Seit ihrem Studium der Biologie an der Florida State University ist die Forscherin fasziniert von Pflanzen. 2003 wurde sie an der Universität Pittsburg mit einer Arbeit über Pflanzenpopulationsökologie promoviert. Darauf folgten Aufenthalte als PostDoc an der University of Florida und dem kalifornischen National Center for Ecological Analysis and Synthesis. 2005 erhielt Knight an der Washington University in St. Louis zunächst eine Stelle als Assistant Professor, später als Associate Professor.

Die Wissenschaftlerin erforscht vor allem die Entwicklung der Artenvielfalt von Pflanzen über lange Zeiträume. "Tiere, Insekten und Mikroorganismen interessieren mich eigentlich nur dann, wenn sie einen Einfluss auf meine Pflanzen haben", erklärt die Biologin.

Mehr als hundert Jahre alte Quellen

2013 hatte sie als Wissenschaftlerin an der Washington University mit einer Studie für Aufsehen gesorgt, die die Entwicklung eines Landstrichs in der Nähe der Kleinstadt Carlinville im US-Bundesstaat Illinois über die letzten rund 120 Jahre untersucht. Knight wollte die Entwicklung der Artenvielfalt innerhalb dieses Zeitraums untersuchen. Bei ihren Recherchen ist sie dabei auf die Arbeit von Charles Robertson gestoßen, einem Naturforscher, der Ende des 19. Jahrhunderts die Interaktionen zwischen Pflanzen und Bestäubern, also vor allem Bienen, in Carlinville untersuchte. "Robertson hat in etwa 20 Jahren mehr als 450 Pflanzenarten und ihre Bestäuber untersucht. Dabei hat er einige Insektenarten neu entdeckt und erstmals beschrieben", berichtet Knight. Robertsons Arbeit stellte die Grundlage für Knights Forschung dar: Sie wollte vergleichen, ob es heutzutage immer noch genauso viele Arten gibt wie damals. Für ihre Forschung konzentrierten sich Knight und ihre Kollegen auf eine bestimmte Pflanzengemeinschaft, die Ephemere. Dabei handelt es sich um Pflanzen, die nur für eine kurze Zeit im Frühling nach der Schneeschmelze blühen. Rund 109 Bienenarten hatte Robertson bei den Ephemeren damals beobachtet. "Wir konnten 120 Jahre später aber nur noch etwa die Hälfte der Bienenarten finden", berichtet Knight.

Dieser starke Rückgang der Artenvielfalt hat Folgen für das lokale Ökosystem: "Ende des 19. Jahrhunderts gab es noch viele Redundanzen. Wenn zum Beispiel eine Art verschwunden wäre, hätten andere Arten die Bestäubung übernommen. Das Ökosystem war insgesamt sehr stabil." Da heute deutlich weniger Arten im selben Gebiet leben, sei das nicht mehr so stark der Fall und das System wäre insgesamt instabiler. Derzeit würde das noch zu keinen größeren Problemen führen. "Wenn Bienenbestände jedoch weiter abnehmen, droht uns hier ein Funktionsverlust des Ökosystems."

Feldforschung in der Schweiz

Mit dem Geld, das Knight von der Humboldt-Stiftung für die nächsten fünf Jahre erhält, knüpft sie an diese Vergleichs-Studie an. "Eine Einschränkung der Datensammlung von Robertson ist, dass sie nur auf eine relativ kleine Fläche begrenzt ist", so Knight. Mit dieser Studie könne man nur Aussagen über ein bestimmtes Gebiet treffen. Die Erforschung der Artenvielfalt sei aber an globale Fragestellungen geknüpft. Also suchte die Wissenschaftlerin nach weiteren historischen Datensätzen - und stieß dabei auf die Arbeiten des deutschen Biologen Hermann Müller. Auch er interessierte sich für die Verbindung zwischen Pflanzen und ihren Bestäubern. Während zahlreicher Expeditionen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Alpen (vorrangig in der Schweiz, Italien und Österreich) untersuchte er - wie Robertson in den USA - die Welt der Pflanzen und Bestäuber. "Das Tolle an der Arbeit ist, dass Müller viele verschiedene Gebiete beschreibt, die vom Tal bis in die Berge reichen", sagt Knight. Seine Arbeiten bieten also nicht nur mehr Informationen über viele Gebiete, sondern auch über Flächen auf verschiedenen Höhenniveaus. "Je höher die Gebiete liegen, desto mehr sind auch die klimatischen Bedingungen verändert", so Knight weiter.

Im Juni 2016 suchte die Forscherin exakt die Stellen im Kanton Graubünden auf, die Müller in den 1880er Jahren untersucht hatte. Ihr Ziel ist es, zu vergleichen, wie sich die Biodiversität seit dem verändert hat - welche und wie viele Arten von Bienen, Fliegen und Schmetterlingen heute auf den Pflanzenarten der verschiedenen Höhenstufen anzutreffen sind. Die Ergebnisse lassen Rückschlüsse auf die Auswirkungen von Klima- und Landnutzungswandel zu und werden mit Spannung erwartet. Begleitet wurde Tiffany Knight bei ihrer Forschungsreise durch die Schweiz unter anderem von einem Schmetterlingsexperten des UFZ, Dr. Reinart Feldmann, und vom Biologen Dr. Walter Durka, der sich am UFZ mit der Populationsgenetik von Pflanzen beschäftigt und dabei auch immer wieder historische Datensätze einbezieht. Innerhalb des Projekts "BIOFLOR", einer Datenbank zu den biologischen und ökologischen Merkmalen der Pflanzen Deutschlands, ist er unter anderem für die Bereiche Blütenbiologie und Befruchtungssysteme zuständig. In das Projekt von Tiffany Knight bringt der UFZ-Forscher etwa sein Wissen über die lokale Pflanzenwelt ein.

Hawaii, die Fidschi-Inseln und Kuba

In einem weiteren Projekt widmet sich Knight speziell den Bäumen auf Inseln. "Die Ökosysteme von Inseln sind besonders spannend, weil sich auf ihnen 25 Prozent aller Pflanzenarten weltweit befinden, Inseln aber global nur etwa fünf Prozent der Landmasse ausmachen." Während eines Forschungsaufenthalts auf Hawaii hat Knight die nativen und die eingeführten Baum- und Pflanzenarten miteinander verglichen. "Exotische Arten können bedrohlich für die ursprünglichen Pflanzen sein und dafür sorgen, dass sich die Ökosystemleistungen, von denen wir auch profitieren, im Laufe der Zeit stark verändern", erklärt Knight. Auf Hawaii gibt es aktuell hunderte exotischer Pflanzenarten - nur wenige davon seien tatsächlich problematisch für das Ökosystem. Was eine bestimmte Pflanzenart problematisch werden lässt, sei von der Wissenschaft noch nicht abschließend geklärt.

Humboldt-Stiftung stellt fünf Millionen Euro zur Verfügung

Im Mai 2015 waren das UFZ und die Universität Halle-Wittenberg mit der gemeinsamen Nominierung der US-Biologin für eine Alexander von Humboldt-Professur erfolgreich. Sie ist Deutschlands höchstdotierter internationaler Forschungspreis. Die Alexander von Humboldt-Stiftung stellt für die Etablierung der Professur von Tiffany Knight für fünf Jahre fünf Millionen Euro zur Verfügung. Mit der Förderung sollen international führende Forscher aller Fächer aus dem Ausland dazu motiviert werden, an eine deutsche Hochschule zu wechseln.

Mit den Geldern der Humboldt-Stiftung will Knight nun weitere Inseln besuchen. Im April war sie bereits auf den Fidschi-Inseln und trat dort mit ortsansässigen Forschern und weiteren Akteuren in Kontakt. "In den großen weltweiten Datenbanken fehlen vielmals Daten zu Baumgemeinschaften auf Inseln. Daher beabsichtige ich, mit den Forschern der Inseln zu netzwerken, sie beim Capacity Building für die Analyse der vorhandenen Daten von Waldgemeinschaften und bei der Verknüpfung dieser Datensammlungen mit globalen Datenbanken zu unterstützen."

Wenn Knight über die vielen Pläne für ihre Feldforschung und Reisen erzählt, strahlen ihre Augen. "Die Arbeit im Feld macht mir Spaß und hier kommen mir die besten Ideen", sagt sie. Aber auch die Arbeit am Schreibtisch, etwa das Erstellen großer Datenbanken oder das Schreiben von wissenschaftlichen Aufsätzen, wären spannende Bereiche ihrer Arbeit.

Forschung und Familie an einem Ort

Obwohl Knight offiziell erst seit Februar in Deutschland arbeitet, ist ihr der mitteldeutsche Raum mit seinem Fokus auf die Biodiversitätsforschung schon seit einiger Zeit bekannt: Im Oktober 2014 wurde ihr Mann Prof. Dr. Jonathan Chase ans Institut für Informatik der Universität Halle und das iDiv berufen - seit August 2014 lebt Knight mit ihm und ihren zwei Kindern in der Leipziger Innenstadt. "Die Lage ist perfekt", erzählt Knight. "Unsere Wohnung liegt nicht weit entfernt vom iDiv und einer S-Bahn-Haltestelle. So bin ich auch schnell an der Universität Halle oder am UFZ." Ihr sechsjähriger Sohn und ihre dreijährige Tochter besuchen in Leipzig einen deutschsprachigen Kindergarten. "Für unsere Kinder war der Wechsel nach Deutschland überhaupt kein Problem. Die beiden sprechen mittlerweile fließend Deutsch." Auch wenn es ihr selbst nicht so leicht falle, Deutsch zu lernen, will die US-Amerikanerin innerhalb von fünf Jahren "zumindest ganz passabel" Deutsch sprechen können.

Derzeit lebt sich Knight noch in ihre neue Rolle als Humboldt-Professorin ein. In den letzten Monaten hat sie zahlreiche Interviews mit Journalisten geführt, Foto-Termine bestritten und organisatorische Fragen geklärt. "So viel Aufmerksamkeit bin ich als Wissenschaftlerin sonst gar nicht gewöhnt", gibt sich Knight bescheiden.



UFZ-Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. Tiffany Knight
UFZ-Dept. Biozönoseforschung
e-mail: tiffany.knight@ufz.de

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Quelle:
UFZ-Newsletter Oktober 2016, Seite 6 - 7
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Dezember 2016

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