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VERKEHR/1009: Elektromobilität - Lösung oder Luftnummer? (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 183 - Dezember 2014/Januar 2015
Die Berliner Umweltzeitung

Elektromobilität: Lösung oder Luftnummer?
Warum Elektroautos dem Klima nicht helfen

von Veit Ulrich



In der August/September-Ausgabe berichtete DER RABE RALF über die Auswirkungen der überzogenen und verfehlten Förderung von Elektroautos in Norwegen. Nicht nur im Norden ist die E-Mobilität im Kommen. Auch hierzulande stellt sie sich als klimafreundliche Alternative zu herkömmlichen Personenkraftwagen dar. Obwohl die Technik noch nicht ausgereift ist und die Infrastruktur fehlt (mit den kurzen Reichweiten der Akkus und mangelnden Aufladestationen sind Elektroautos hierzulande noch nicht massentauglich), könnten die mit Strom betriebenen Fahrzeuge dennoch die herkömmlichen Benzin- und Dieselautos ablösen. Und zwar ohne, dass die Menschen ihre individuellen Mobilitätsgewohnheiten ändern müssen. Oder vielleicht doch nicht? Nehmen wir die Elektromobilität einmal genauer unter die Lupe.

Massive Förderung der E-Mobilität uneffektiv

In Norwegen ist die Zahl der Elektroautos in den letzten Jahren dank einer offensiven Förderung stark gestiegen. Besitzer dieser Gefährte bekommen dort Steuererleichterungen, sie dürfen die Busspuren benutzen, zahlen keine Parkgebühren auf öffentlichen Parkplätzen und können fast überall kostenlos ihre Autobatterie aufladen. Nach dem norwegischen Modell wird der Käufer eines Elektroautos bei einer Lebensdauer des Autos von zehn Jahren mit 6.200 Euro pro Jahr subventioniert. Laut einer Studie von Anders Skonhoft, Volkswirtschaftsprofessor an der Universität Trondheim, reduziert ein Elektroauto die CO2-Belastung aber nur um 0,6 Tonnen pro Jahr gegenüber einem konventionellen PKW. Damit zahlt der norwegische Staat also 6.200 Euro, um 0,6 Tonnen CO2 einzusparen. Mit dieser Summe könnte die CO2-Belastung der Atmosphäre viel effektiver eingedämmt werden.

Da die Reichweite eines Elektroautos begrenzt ist, hat die überwältigende Mehrheit der Käufer_innen dieser Fahrzeuge zusätzlich noch einen benzin- oder dieselbetriebenen PKW in der Garage stehen, der für längere Fahrten verwendet wird. Das Elektroauto ist also in der Praxis ein Zweitfahrzeug, welches vor allem in städtischen Regionen und für Touren genutzt wird, für die man auch das Fahrrad oder den ÖPNV benutzen könnte. Die Studie von Skonhoft zeigte sogar, dass Menschen, die sich ein Elektroauto gekauft haben, mehr mit dem Auto und weniger mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren als vorher. Langfristig könnte sich das aber ändern. Wenn die Elektroautos weiterentwickelt werden, die Batterien für längere Entfernungen reichen und sich irgendwann an jeder Ecke eine Aufladestation befindet, könnte der Strom tatsächlich Benzin und Diesel ablösen.

Elektroautos verringern CO2-Ausstoß kaum

Doch ist der elektrische Antrieb überhaupt umweltfreundlicher? Mit Strom betriebene Autos emittieren nicht so viel weniger Schadstoffe als konventionelle PKW, da moderne Benzinmotoren auch schon einen relativ geringen Schadstoffausstoß haben. Ein anderes Argument, welches für die Elektromobilität sprechen soll, ist die geringere Lärmbelastung. Tatsächlich ist es so, dass bei allen Automobilen die Reifen bei einer Geschwindigkeit über 50 Kilometer pro Stunde lauter sind als der Motor. Elektroautos sind also lediglich im langsamen Stadtverkehr leiser als konventionelle, die Lärmbelastung durch Autobahnen können sie aber nicht verringern.

Des Weiteren kommen heute weltweit ungefähr zwei Drittel des Stroms, welcher die Batterien von Elektroautos füttert, aus fossilen Energiequellen. Genauer setzt sich der globale Strommix aus 40 Prozent Kohle, 25 Prozent Gas, fünf Prozent Öl und lediglich zu 19 Prozent aus erneuerbaren Energien zusammen. Der Rest wird in Atomkraftwerken generiert. Damit sind die CO2-Emissionen von Elektroautos heute nicht besser als bei benzin- oder dieselbetriebenen PKW. In China haben Elektroautos sogar einen höheren Kohlendioxidausstoß als konventionelle Vehikel, da dort der Strom zu 85 Prozent aus dem Klimakiller Kohle erzeugt wird. Sollen Elektroautos also zukünftig zur Reduktion des CO2-Ausstoßes beitragen, muss der Strom, der sie antreibt, auch zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien kommen. Selbst wenn wir jetzt annehmen, dass unser neues Elektroauto ausschließlich mit Ökostrom betrieben wird, relativieren sich die CO2-Einsparungen, welche dadurch erzielt werden. Denn der Herstellungsprozess eines Elektroautos hat natürlich einen ähnlichen ökologischen Fußabdruck wie die Produktion jedes anderen Autos auch. Außerdem bleibt das Manko, dass Elektroautos wegen ihrer kurzen Reichweiten einfach unpraktisch sind. Das Tesla Model S erreicht mit einer vollen Batterieladung bis zu 460 Kilometer, die meisten anderen Modelle liegen weit darunter.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die hohen Subventionen Norwegens für die Elektromobilität nicht zu rechtfertigen sind, da durch die Elektroautos kaum CO2 eingespart wird und sie dabei noch nicht einmal praktikabel sind. Statt Anreizen für den Kauf eines Elektroautos muss es teurer werden, das Klima zu belasten. Hierfür wäre die Verteuerung des Autoverkehrs eine Möglichkeit. Schließlich muss für den Autoverkehr eine kostspielige und komplexe Infrastruktur aufrechterhalten werden. Ein drastischerer Weg, den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid zu begrenzen wäre ein bestimmtes CO2-Limit, welches von Privatpersonen nicht überschritten werden darf. Jeder Mensch müsste dann seinen ökologischen Fußabdruck auf das für die Erde langfristig erträgliche Maß beschränken. Die vielen Millionen, mit denen die Käufer von Elektroautos momentan in Norwegen beschenkt werden, sollten außerdem lieber in die Forschung und die Entwicklung klimafreundlicher Technik gesteckt werden.

ÖPNV und Fahrrad sind Alternativen

Aus den vielen Nachteilen der Elektroautos ergibt sich die Konsequenz, dass es doch klimafreundlicher ist, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Der CO2-Ausstoß pro gefahrenen Personenkilometer ist auf der Schiene immer noch am geringsten, vor allem, wenn die Bahn mit Ökostrom angetrieben wird. Oftmals braucht man mit dem Zug jedoch viel länger als mit dem Auto, um von A nach B zu kommen. Um Bahnfahren attraktiver zu machen, muss das Schienennetz ausgebaut werden und auch ländliche Regionen müssen eine gute Anbindung an den Schienenverkehr bekommen (der derzeitige Trend verläuft leider umgekehrt).

Ein vermehrter Umstieg auf den öffentlichen Personenverkehr würde auch die Parkraumsituation in den Städten entspannen. Und im innerstädtischen Verkehr muss in Zukunft stärker auf das Fahrrad gesetzt werden. Hier ist Kopenhagen Vorreiter: In der dänischen Hauptstadt werden bereits 38 Prozent der Wege mit dem Drahtesel zurückgelegt. Der Grund dafür ist sicherlich die gute Fahrradinfrastruktur Kopenhagens. Hier sind nämlich alle Radwege durch einen Randstein vom restlichen Verkehr getrennt und auf Kreuzungen gibt es extra blau markierte Fahrradspuren. Das ist eigentlich ein simples Konzept, welches auch in Berlin oder Hamburg einfach umgesetzt werden könnte. Wir müssen weg von der autogerechten und wieder hin zu einer menschengerechten Stadt.


Norwegische Studie zur Elektromobilität (in englischer Sprache):
www.ntnu.edu/documents/140152/622066862/Skonhoft_2014.pdf

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Quelle:
DER RABE RALF
25. Jahrgang, Nr. 183 - Dezember 2014/Januar 2015, Seite 6
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
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Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Januar 2015


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