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ARCHITEKTUR/110: So funktioniert die energetische Haussanierung (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 4/11
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Energetische Sanierung

Alles auf den Kopf gestellt
So funktioniert die energetische Haussanierung

von Jasmin Singgih


Die Sonne knallt auf die frisch eingebauten Röhrenkollektoren der zwei Mal drei Meter großen Solaranlage. Die Handwerker wischen sich den Schweiß von der Stirn und blicken zufrieden auf ihr Werk. Dass dies die letzten Handgriffe der ein Jahr andauernden Sanierungsarbeiten waren, kann Ingo Rühl noch nicht so recht glauben.

Der 25-jährige Malermeister lebt in der Gemeinde Fernwald bei Gießen. Das Fachwerkhaus aus dem 17. Jahrhundert, das neben dem Familienbetrieb steht, war bisher vermietet. Nun hat Rühl das denkmalgeschützte Gebäude saniert, um künftig selbst darin zu wohnen. Die 150 Quadratmeter, vollgestopft mit Bausünden aus den 60er und 70er Jahren, stellten allerdings eine Herausforderung dar.


Ökologische Bauberatung

Bei einer energetischen Sanierung sollte ein Haus als Ganzes betrachtet werden, um Bauschäden zu vermeiden und um die Maßnahmen mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis zu identifizieren. Für Ingo Rühl war schnell klar, eine ökologische Bauberatung durch einen Architekten hinzuzuziehen.

Um seinen Traum vom Eigenheim zu verwirklichen, hat Rühl im wahrsten Sinne die "Bude auf den Kopf gestellt". Er hat die alten Kunststofffenster rausgerissen und durch neue ersetzt, die Innenfassaden und das Dach gedämmt. Zur Warmwasser- und Heizungsunterstützung wurde eine Solaranlage auf dem gegenüberliegenden Dach des Malerbetriebs installiert, da es zur Südseite ausgerichtet ist und dort mehr Sonnenenergie aufnimmt.

Überraschungen gab es während der Umrüstungen viele. Als Rühl mit den Handwerkern begann, das Haus zu entkernen, stand der Lehm bis unter die Fensterbänke. Versuche, den Baustoff weiter zu verwenden, scheiterten daran, dass der Lehm zu vermischt war mit anderen Materialien. Teils waren die Eichenbalken durchgefault. Um sie dennoch zu erhalten, und gleichzeitig eine gerade Fläche für die Dämmungsplatten zu schaffen, brauchte Rühl nicht ein paar Eimer Putz, sondern ganze 17 Tonnen.


Atmungsaktiv dank Silikat

Die Handwerker mussten beim Einbau vorsichtig sein, denn die biologisch vorteilhaften Kalziumsilikatplatten sind nicht nur leicht, sondern auch butterweich. Im Winter heizen sie sich schnell und stark auf, was dazu führt, dass auch die Innenwände sich aufwärmen und so weniger Heizenergie benötigt wird.

Das fertige Ergebnis kann sich sehen lassen: Die Räume hat Ingo Rühl komplett mit mineralischen Farben gestrichen. Zusammen mit den Silikatplatten sind die Wände nun atmungsaktiv. Der Dachboden hat eine Zwischensparrendämmung mit Mineralwolle und ist nun genau wie alle anderen Räume gut isoliert. Die Holzfasern des Bodens sind zur Fußwärme mit Kork belegt. Im alten Gewölbekeller stehen ein neu eingebauter Gasbrennwertkessel und ein 650 Liter fassender Kombispeicher. Sie arbeiten mit einem hydraulischen Abgleich, so dass jeder Heizkörper im Haus nur so viel Kilowatt bekommt, wie er braucht. Ein Holzpelletofen sorgt vor allem im Winter für zusätzliche Wärme.


Wohnkomfort und Energieeffizienz

Insgesamt gab Rühl 300.000 Euro für die Sanierung aus - wegen der speziellen Bausubstanz und vieler Details eine stolze Summe. Die energetischen Maßnahmen alleine haben nur rund 40.000 gekostet. Die Deutsche Energie-Agentur hat am Beispiel eines 150 Quadratmeter großen Einfamilienhauses des Baujahrs 1970 mit einem vier Personen-Haushalt und einem Energiepreis von sieben Cent pro Kilowattstunde errechnet, dass für alle energetischen Maßnahmen, die Ingo Rühl ergriffen hat, etwa 2500 Euro Energiekosten jährlich eingespart werden.


Das fertige Schmuckkästchen

Der Malermeister ist jedenfalls zufrieden, denn er hat seinen Traum verwirklicht: die Verschmelzung von Wohnkomfort und Energieeffizienz in stilechter historischer Bausubstanz. Dazu hat er mit diesen Maßnahmen einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz geleistet. In Deutschland zählt er damit immer noch zu der Minderheit. Nach Schätzungen dürften mehrere Millionen Häuser in der Bundesrepublik echte Klimasünder sein. Immerhin entfallen 40 Prozent unseres Energieverbrauchs auf Gebäude. In den unsanierten Altbauwohnungen und Häusern verpufft die Energie durch undichte Fenster und schlecht isolierte Wände.


Kredite und Zuschüsse

Deshalb gibt es für Haus- und Wohnungseigentümer Förderprogramme "Energieeffizient Sanieren" mit zinsgünstigen Krediten und Zuschüssen bei der Finanzierung durch die KfW-Bankengruppe, mit denen die Sanierungsmaßnahmen unterstützt werden können. Zukünftig soll auch auf dem Immobilienmarkt mehr Transparenz herrschen. Der Energieausweis für bestehende Gebäude soll dazu beitragen, im Falle eines geplanten Verkaufs oder einer Vermietung die potenziellen Käufer oder Mieter zu informieren, wie viel Energie zum Heizen und für Warmwasser im Wohnobjekt benötigt wird.

Ingo Rühl kann sich erst mal für die nächsten Jahre in seinem neuen Zuhause zurücklehnen. Wenn er mal Kinder haben sollte, werden auch die noch von der energetischen Sanierung profitieren.


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Im Dialog

Mit dem Dialogforum "Klima- und Ressourcenschutz im Gebäudebestand" hat der NABU einen Kreis wesentlicher Akteure aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft ins Leben gerufen. Gemeinsam mit Partnern wie dem Heiztechnik-Hersteller Viessmann diskutiert der NABU regelmäßig über die Gestaltung der Rahmenbedingungen für mehr Klima- und Ressourcenschutz, um so die politische Debatte mitzubestimmen. Dabei berät der NABU die Firma Viessmann auch in den Themen Klimaschutz und Biomasse, etwa zu Anbaumethoden von Energieholz, Umweltaspekten und aktuellen politischen Prozessen sowie bei der Erweiterung ihres Umwelt- und Nachhaltigkeitsengagements.

Um die Fachdiskussion weiter voranzutreiben, hat der NABU zuletzt eine Studie "Anforderungen an einen Sanierungsfahrplan" erstellt, mit der der Weg zu einem klimaneutralen Gebäudebestand bis zum Jahr 2050 aufgezeigt wird. Die Studie kann unter der Artikelnummer 5308 gegen Versandkostenübernahme beim NABU-Natur-Shop bezogen werden.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Die energetischen Maßnahmen haben rund 40.000 Euro gekostet. Nach der Sanierung des Hauses werden die Ausgaben für Heizung und Warmwasser um jährlich 2.500 Euro sinken.


http://www.nabu.de/nabu/nh/2011/4/14247.html


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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 4/11, s. 36-37
(Text in der Internet-Fassung)
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
Tel.: 030/284984-1500, Fax: 030/284984-2500
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Internet: www.naturschutz-heute.de
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Internet: www.NABU.de

"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
und erscheint vierteljährlich. Für Mitglieder
ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2012