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ATOM/977: Südkorea baut Atomreaktoren in den Emiraten mit deutscher Hilfe (BI Hamm)


Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm e. V. - Sonntag, 10. Januar 2010

Zentrum für erneuerbare Energien (IRENA) in den Vereinigten Arabischen Emiraten und gleichzeitig AKW-Großauftrag

Emirate ölen Atomkraft - Hilfe kommt aus der BRD und Südkorea

Von Horst Blume


Als am 28.12.2009 in zahlreichen Medien die spektakuläre Meldung verbreitet wurde, dass ein südkoreanisches Firmenkonsortium mit dem Bau von vier 1.400-Megawatt-Atomreaktoren in den Vereinigten Arabischen Emiraten beauftragt wird, richtete sich das Augenmerk schwerpunktmäßig auf die Blamage des unterlegenen Bieterkandidaten aus Frankreich. Die speziellen Situationen und Begleitumstände in Südkorea und den Vereinigten Emiraten sowie die Rolle der BRD wurden bezeichnenderweise nicht hinterfragt.

Lediglich einige Zeitungen äusserten eine gewisse Verwunderung, dass das drittgrößte Erdölförderland der Welt mit zusätzlich vielen Möglichkeiten der Solarenergieförderung ausgerechnet Atomenergie als Energieoption wählt. Dass hinter dieser strategischen Ausrichtung letztendlich auch der Wunsch nach dem Besitz von Atomwaffen stehen könnte, wurde nicht auf breiter Ebene problematisiert.


Südkoreas Konzerne strahlen: Großauftrag für Atomreaktorbau

Der Auftrag für den Bau von vier APR 1400 MW Reaktoren der Generation III hat einen Wert von 20 Milliarden Euro. Anschlussaufträge über 14 Milliarden Euro stehen in Aussicht. Der erste Advanced Power Reactor soll angeblich 2017 ans Netz gehen, weitere sollen bis 2020 folgen. "Zu dem südkoreanischen Bieterkonsortium um KEPCO (Korea Electric Power Corporation) gehören Hyundai Engineering and Construction, Samsung C&T und Doosan Heavy Industries sowie das in den USA beheimatete Unternehmen Westinghouse Electric, das zur japanischen Toshiba gehört. Industriekreisen zufolge lag das südkoreanische Angebot um rund 16 Mrd. Dollar niedriger als das der französischen Konkurrenz" (1).

In Südkorea sind zur Zeit 20 Atomkraftwerke in Betrieb und fünf im Bau. Damit hat dieses Land zusammen mit Japan und Taiwan mit die höchste AKW-Dichte der Welt gemessen an der Bevölkerungszahl. Von den APR-1400-Reaktoren waren allerdings im Juli 2009 erst Einer im Bau und drei standen "vor Baubeginn" (2). Südkorea verfügt also bei diesem Reaktortyp bisher über keinerlei Betriebserfahrungen und die vollmundige Behauptungen der Emire über die hervorradenden Sicherheitseigenschaften dieser eingekauften Reaktoren müssen erst noch in der Praxis bewiesen werden. Südkorea hat es jedoch in der Vergangenheit weder mit der Sicherheit noch mit der Wahrheit in Sachen Atomkraft allzugenau genommen:


Südkorea ignorierte weltweite Sicherheitsbestimmungen

"In einem Bericht von Mitte November hat der Generaldirektor der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA), al-Baradei, auch die Situation in Südkorea zusammengefasst. Er stellt darin fest, dass das Land zwischen 1982 und 2000 verschiedene Experimente und Aktivitäten durchführte, die es der IAEA nicht, wie es aufgrund der Safeguard-Abkommen verpflichtet gewesen wäre, meldete. Dazu gehören die Konversion von Uran und dessen Anreicherung ebenso wie die Abtrennung von Plutonium.

Auch in den letzten Jahren waren die Inspektoren in Wien offensichtlich noch mit Falschinformationen abgespeist worden. So wollte die Atombehörde Ende 2002 und im April 2003 im koreanischen Atomenergie-Forschungsinstitut Kaeri in Daejeon das Zentrum für Laserforschung besuchen, erhielt aber keine Erlaubnis dazu. Im März dieses Jahres wurden die Inspektoren zwar zugelassen, durften aber keine Proben nehmen. Es wurde erklärt, das Forschungsprogramm umfasse keine nuklearen Materialien. Am 23. August erfolgte dann aber die Erklärung, dass hier tatsächlich Uran abgetrennt worden war." (3) Die internationale Atomenergieorganisation (IAEA) sprach gegenüber Südkorea einen förmlichen Tadel aus.

Wie brisant und sicherheitsrelevant die Situation in Südkorea ist, gibt sogar das Zentralorgan der Atomwirtschaft "atw" in ihrer "Welt-Kernenergiechronik 2003" zu: "Die Errichtungstätigkeiten an den zwei Kernkraftwerksblöcken des KEDO-Pojektes werden für ein Jahr ausgesetzt. Grund sind die politischen Differenzen bezüglich des militärischen Nuklearprogramms des Landes." (4)


Radioaktives Material, Baupläne und Hilfe aus der BRD

Die BRD ist direkt in diese Vorgänge involviert. Denn am 11.4.1986 haben Genscher und Riesenhuber einen zehnjährigen und später verlängerten Kooperationsvertrag (5) mit Südkorea abgeschlossen: "... in Erkenntnis der zahlreichen Vorteile einer Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie ...". Diese Kooperation bei der Nutzung der Atomkraft umfasst einen Austausch von Wissenschaftlern und Forschungspersonal sowie die "Lieferung von Plänen, Zeichnungen und Spezifikationen". Besonders interessant: "Weitergabe von Material, Kernmaterial (!), Ausrüstung, Anlagen und Technologie zur Planung, zur Errichtung und zum Betrieb von Kernkraftwerken sowie sonstiger kerntechnischer Anlagen und Forschungseinrichtungen" (Seite 323). In dem Vertrag wird sogar die Weitergabe von "Kernmaterial" an Drittstaaten erlaubt, wenn die innerhalb der IAEO vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden (Seite 324).

Als im Jahre 2005 Bundesumweltminister Trittin innerhalb der rotgrünen Koalition eine Aufhebung bzw. eine nichtnukleare Anpassung des Kooperationsvertrages anmahnte, inszenierte der damalige Wirtschaftsminister Clement einen Kleinkrieg gegen den grünen Koalitionspartner. Er sah in einer Kündigung des Vertrages "ein falsches Signal für die Exportwirtschaft" (6). Im rot-grünen Koalitionsvertrag von 2002 hieß es jedoch: "Verträge mit anderen Staaten, die der Förderung der Kernenergie dienen, werden mit dem Ziel geprüft, ob sie aufzuheben oder anzupassen sind". Über solche Vertragsklauseln setzt sich Atomlobbyist Clement mit Vorliebe hinweg; über den Willen der Mehrheit der Bevölkerung für einen Atomausstieg sowieso.

Inzwischen sendet der ehemalige Juniorpartner Südkorea selbst seine ganz eigenen Exportsignale, nachdem er sich das entsprechende Know how und Material bei der BRD geholt hat. Die Verbreitung von atomwaffenfähigem Material in der ganzen Welt nimmt hierdurch zu.


Autoritäres Feudalregime greift zur adäquaten Energieform

Die Vereinigten Arabischen Emirate, flächenmäßig genauso groß wie Österreich, bestehen aus insgesamt sieben Emiraten, von denen zwei besonders wichtig sind. Dubai, das sich im Jahre 2009 an Immobilien verhoben hat und in Zahlungsschwierigkeiten steckt und das reiche Abu Dhabi, das die Atomkraftwerke bei Südkorea bestellt hat.

"Die Emirate müssen die Leistung ihres Kraftwerksparks nach eigener Einschätzung bis 2020 auf 40.000 Megawatt verdoppeln. Ursachen sind der Einstieg in energieintensive Industriebranchen wie Chemie und Aluminiumerzeugung sowie ein starkes Bevölkerungswachstum. Auch der aufwendige Lebensstil der wohlhabenden Einwohner, für die Klimaanlagen oder der eigene Pool selbstverständlich sind, trägt dazu bei. Bisher haben die Emirate den wachsenden Strombedarf überwiegend mit neuen Gaskraftwerken gedeckt. Doch der relativ emissionsarme Brennstoff lässt sich weitaus lukrativer im Ausland vermarkten, statt ihn zu subventionierten Preisen in heimischen Kraftwerken zu verbrennen. Den erneuerbaren Energien trauen die Araber nicht - trotz der bevorzugten geographischen Lage der Wüstenregion. Einzelne Vorzeigeprojekte wie die emissionsfreie Stadt Masdar, die derzeit nahe Dubai entsteht, ändern daran nichts" (7).

Die geostrategische Lage der Vereinigten Emirate ist ausserordentlich brisant. An der Schifffahrtsroute am Golf von Oman gelegen, gibt es Streitigkeiten mit dem mächtigen Iran wegen einiger kleinerer Inseln. Wenn im Nahen Osten mit den Krisengebieten Irak , Israel/Palästina und Iran eine Atommacht hinzukommt, hat dies weitreichende Folgen.


Dubai: Stützpunkt des Khan-Netzwerkes für Atomwaffenzubehör

Hinzu kommt, dass das Emirat Dubai schon jahrzehntelang eine äußerst zweifelhafte Rolle als Drehscheibe für Atomwaffenkomponenten gespielt hat: " Die ,heißen Deals' werden laut Kölner Zollkriminalamt (ZHA) auch über die Vereinigten Emirate abgewickelt. Eine herausragende Rolle spiele dabei die ,Jebel Ali Freezone' in Dubai, wurde berichtet. Dort seien über 2000 Firmen ansässig, die alle an sie gelieferten Waren aus dem Bereich ,Dual-Use-Güter' an den Iran, aber auch an Libyen, Nordkorea, Pakistan und Syrien weiterleiten" (8).

Eine Freihandelszone (JAFZ), in der gleichzeitig militärisch und zivil nutzbare Nuklearkomponenten hin- und hergeschoben werden, in unmittelbarer Nachbarschaft von gigantischen neuen Atomkraftblöcken. Da kommt Einiges zusammen. Der "Vater der pakistanischen Atombombe" Abdul Quadeer Khan (9) hatte immer einige Geschäftspartner seines Netzwerkes in Dubai stationiert. In den Vereinigten Emiraten, in der die Bevölkerung zu fast 80 (!) Prozent aus (größtenteils ausgebeuteten und rechtlosen) Indern, Pakistanern, Bangladeschern, Iranern usw. besteht, fiel das nicht weiter auf.

Auch die amerikanische Firma Meridium, deren Zweigwerk in Walldorf (BRD) versucht hat, die südafrikanischen Bauvorbereitungen für den PBMR mit ihrer Software zu optimieren, hat selbstverständlich eine Niederlassung in Dubai.

Bei den Vereinigten Emiraten handelt es sich um eine konstitutionelle Monarchie, in der die alten Herrscherhäuser der Emire das Sagen haben. Und die halten von Pressefreiheit und demokratischer Kontrolle gar nichts: "Auf der Rangliste der Pressefreiheit stehen die Vereinigten Arabischen Emirate nur auf Platz 69. Nun zeigt das monarchische Land erneut, was es von Meinungsfreiheit hält: Die bekannteste Zeitung des Landes darf drei Wochen lang nicht erscheinen - wegen Beleidigung der Herrscherfamilie" (10).

Ohne demokratische Kontrollmöglichkeiten (so beschränkt die auch sind) und bei einer diktatorischen Regierung besteht ein verstärktes Risiko, dass in Nuklearanlagen bei Sicherheitsfragen geschlampt wird und atombombenfähiges Material in die Hände von Verbrechern gerät. All das, wovor jahrelang gewarnt wurde, tritt jetzt ein. Nicht mehr nur der exklusive Kreis der ursprünglichen Groß- und Mittelmächte setzt auf Atomkraft, sondern jetzt auch risikofreudige Kleinstaaten, Stammesfürsten und autoritäre Herrscherhäuser in Krisengebieten sowie aufstiegswillige Schwellenländer hantieren mit atombombenfähigem Material. Der Geist ist endgültig aus der Flasche!

Anmerkungen:
1. ntv vom 27.12.2009
2. "Faktenblatt" August 2009, Nuklearforum Schweiz
3. Neue Züricher Zeitung vom 26.11.2004
4. atw, Februar 2004, Seite 119
5. http://untreaty.un.org/unts/60001_120000/23/24/00045154.pdf
6. TAZ vom 16.3.2005
7. Finacial Times Deutschland vom 8.9.2009
8. Saar-Echo vom 26.8.2004
9. Siehe THTR-Rundbrief Nr. 111 und 118
10. Financial Times Deutschland vom 6.7.2009


Update:

Welch unglaubliche Verlogenheit und Dreistigkeit hinter der nuklearen Energieoption der Vereinigten Arabischen Emirate steckt, zeigt der Umstand, dass am 16. und 17. Januar 2010 die weltweit branchenführende Veranstaltung "World Future Energy Summit" (Weltgipfel für Energien der Zukunft) in Abu Dhabi stattfindet. Dazu ebenfalls vom 16. bis 23. Januar 2010 das "Young Future Energy Leaders Program" (Programm für führende Nachwuchskräfte im Bereich Energien der Zukunft), sowie die Verleihung des "Zayed Future Energy Prize" (Zayed-Preises für Energien der Zukunft) am 19. Januar 2010 und das Treffen der Beratungsgruppe zum Klimawandel des UN-Generalsekretärs am 22. und 23. Januar.

Ein Grund für diese Aktivitäten ist auf den Umstand zurückzuführen, dass Abu Dhabi seit 2009 Sitz der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien, der IRENA (International Renewable Energy Agency) ist. Das Emirat hatte sich letztes Jahr gegenüber Bonn als Mitbewerber durchgesetzt. Die staatliche "Germany Trade & Invest", Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, definiert die Aufgabe von IRENA folgendermaßen: "Hauptaufgabe der Irena wird sein, Industrie- und Entwicklungsländern bei den administrativen Rahmenbedingungen für die Stärkung erneuerbarer Energien und Entwicklung von Kompetenzen zu unterstützen." (1) - Um die Ernsthaftigkeit dieses Anliegens noch zu unterstreichen, bestellt das Gastgeberland Abu Dhabi nur wenige Monate nach der Installation dieser famosen Alternativenergie-Agentur gleich vier neue Atomkraftwerke und legt sich obendrein auf zusätzliche mittelfristige nukleare Folgeaufträge fest!

Wie gut die Alternativenergien bei den den Vereinigten Arabischen Emiraten aufgehoben sind, gibt die BRD-Wirtschaftsförderungsgesellschaft "Germany Trade & Invest" ganz offen zu:

"Dass sich die GCC-Staaten (2) zu einem Topmarkt für die erneuerbaren Energien entwickeln, ist allerdings unwahrscheinlich. Immerhin liegt es nicht im Interesse der Erdölproduzenten, sich den Ölpreis durch ein zu großes Engagement bei den erneuerbaren Energien zu verderben. In diesem Zusammenhang warnt die Organisation der arabischen Erdöl exportierenden Staaten (OAPEC) in einer Studie vor den Gefahren der Destabilisierung des Ölpreises bei einer zu starken Entwicklung von Biokraftstoffen, aber auch der erneuerbaren Energien."

Wie zum Hohn schrieb die "Emirates News Agency, WAM" zur absurden Theaterinszenierung der internationalen Alternativenergiekongresse im Nuklearwunderland: ".... und bestätigt so die solide Position des Emirats Abu Dhabi als aufstrebendes Zentrum für erneuerbare Energien" (3). Etwas anderes dürfen diese Lautsprecher der Emire auch nicht schreiben: In dem mittelalterlichen Feudalregime herrscht Pressezensur, einschließlich der Internetnutzung. Welch paradiesische Zustände für die Atomindustrie!

Ein paar Probleme wird in Zukunft die sich zuspitzende Lage im ein paar hundert Kilometer südlich gelegenen Jemen bereiten. "In seiner instabilen gesellschaftlichen und staatspolitischen Struktur ist der Jemen Afghanistan sehr ähnlich. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Kämpfer der al-Qaida nach schweren Rückschlägen in Pakistan und Saudi-Arabien hier ihre Basis aufgeschlagen haben. Der Jemen bietet den Al-Qaida-Kämpfern einen quasi natürlichen Standort auf der Arabischen Halbinsel. (...) Die USA reagieren auf diese reale Bedrohung mit der Aufrüstung der jemenitischen Zentralmacht und einer - noch eingeschränkten - direkten Beteiligung an der militärischen Bekämpfung der Islamisten. Dass diese Art des Kampfes im Jemen erfolgreicher sein wird als am Hindukusch, darf man zumindest in Zweifel ziehen." (4). Bei soviel Sprengstoff in der Region wird die Situation für die Atomindustrie vielleicht sogar im doppelten Sinn paradiesisch werden ...

Anmerkungen:
a. http://www.gtai.de/DE/Content/__SharedDocs/Links-Einzeldokumente- Datenbanken/fachdokument.html?fIdent=MKT200908258011
b. GCC-Staaten: Saudi-Arabien, Kuwait, Katar, Bahrain, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate
c. 23.12.2009: http://www.uaeinteract.com/german/
d. TAZ vom 4.1.2010

Weitere Infos: www.reaktorpleite.de


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Quelle:
Horst Blume, 10.01.2010
BI Umweltschutz Hamm e. V.
Postfach 1242, 59002 Hamm
E-Mail: h.blume@thtr-a.de (Horst Blume)
Internet: www.thtr-a.de, www.reaktorpleite.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2010