Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → INDUSTRIE


CHEMIE/397: EU-Kommission untergräbt Schutz vor hormonell wirksamen Schadstoffen (Umweltinstitut München)


Umweltinstitut München e. V. - 11. August 2016

EU-Kommission untergräbt Schutz vor hormonell wirksamen Schadstoffen


München, 11. August 2016 - Das Umweltinstitut München wirft der Europäischen Kommission vor, mit ihrem Vorschlag zur Identifizierung endokriner Disruptoren den Schutz vor hormonell wirksamen Schadstoffen zu torpedieren. Der Vorschlag lege die Messlatte so hoch, dass kaum ein Stoff entsprechend eingestuft und verboten werden dürfte. Die Kommission untergrabe damit ein Verbot von hormonell schädlichen Substanzen als Wirkstoff in Pestiziden und Bioziden, das bereits vor einigen Jahren vom Europäischen Parlament beschlossen wurde.

Im September sollen die von der Kommission vorgeschlagenen "Kriterien zur Identifizierung endokriner Disruptoren" von einem Fachausschuss aus VertreterInnen der EU-Staaten verabschiedet werden. In einem gemeinsamen Appell mit weiteren Organisationen forderte das Umweltinstitut jetzt Agrarminister Christian Schmidt (CSU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) auf, für ein Deutsches "Nein" im Ausschuss zu sorgen. Seit Freitag erhielt die Online-Petition mit dieser Forderung bereits mehr als 50.000 Unterschriften.

"Hormonell wirksame Schadstoffe werden mit unzähligen Krankheiten in Verbindung gebracht. Doch statt uns besser davor zu schützen, will die EU-Kommission ein Verbot praktisch unmöglich machen. Deshalb muss die Bundesregierung in Brüssel gegen den Entwurf der Kommission stimmen", erklärte dazu Christine Vogt, Referentin des Umweltinstituts.

Die EU-Kommission erhielt nach dem Verbot von hormonell wirksamen Substanzen als Wirkstoff in Pestiziden und Bioziden den Auftrag, Kriterien zu entwickeln, anhand derer die Stoffe identifiziert werden können. Nach dem nun von der Kommission vorgelegten Kriterienkatalog würden aber nur Chemikalien unter die Definition fallen, bei denen klar belegt ist, dass sie beim Menschen auf Grund ihrer hormonellen Wirkung Gesundheitsschäden verursachen. Das widerspricht der Pestizid- und Biozidgesetzgebung, die vorsieht, dass auch potentiell schädliche Stoffe aus dem Verkehr gezogen werden. Eigentlich sollten also auch solche Chemikalien unter das Verbot fallen, für deren schädliche Wirkung zwar Belege aus Tierstudien vorliegen, letzte Beweise für die schädliche Wirkung auf den Menschen aber noch ausstehen.

"Die Kommission will erst handeln, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Das Gesetz baut aber auf dem Vorsorgeprinzip auf, es soll Menschen vor Gesundheitsgefahren schützen. Diesen guten Ansatz stellt die Kommission mit ihrem Vorschlag komplett auf den Kopf. Die Kommission setzt sich damit über die Beschlüsse des Europäischen Rats und des EU-Parlaments hinweg" kritisierte Vogt. Das Umweltinstitut fordert die Kommission deshalb dazu auf, ihren Kriterienkatalog noch einmal grundlegend zu überarbeiten.

Hintergrund:

Hormonelle Schadstoffe, auch "endokrine Disruptoren" genannt, sind Substanzen, die ähnlich wie körpereigene Hormone wirken und so in den empfindlichen Hormonhaushalt von Menschen und Tieren eingreifen. Sie wirken schon in geringsten Mengen. Unter anderem werden hormonbedingte Krebsarten, Diabetes, Immunschwäche, Fruchtbarkeitsstörungen und Fettleibigkeit mit hormonellen Schadstoffen in Verbindung gebracht. Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnet sie deshalb als "globale Bedrohung". Gefährdet sind besonders Embryonen, Kinder und Jugendliche, da das Hormonsystem für ihre Entwicklung eine wichtige Steuerungsfunktion übernimmt. Rund 800 Stoffe gelten als potentielle endokrine Disruptoren. Sie finden nicht nur Verwendung in Pestiziden und Bioziden, sondern auch in Baustoffen und Alltagsprodukten wie Kosmetika, Lebensmittelverpackungen und Textilien.

Zur Unterzeichnung des Online-Appells rufen neben dem Umweltinstitut auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), SumOfUs Deutschland, Women in Europe for a Common Future (WECF), das Pestizid-Aktions-Netzwerk Deutschland (PAN Germany) sowie HEJSupport (Health and Environment Justice Support) auf.

*

Quelle:
Pressemitteilung, 11.08.2016
Herausgeber:
Umweltinstitut München e.V.
Landwehrstraße 64a, 80336 München
Tel.: 0 89 / 30 77 49 - 0
E-Mail: info@umweltinstitut.org
Internet: www.umweltinstitut.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang