Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INDUSTRIE

ENERGIE/1345: Desertec - Dampfkraftwerke in der Wüste (Solarzeitalter)


Solarzeitalter 3/2009
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien

Dampfkraftwerke in der Wüste

Von Valentin Hollain


Solarthermische Kraftwerke sind im Grunde Dampfkraftwerke, die sich zur Dampferzeugung direkter Sonneneinstrahlung bedienen. Doch leider sind Einstrahlungswerte dort optimal, wo es an Wasser mangelt. Ohne Wasser funktioniert jedoch ein solarthermisches Kraftwerk nicht. Die Kraftwerksbetreiber haben die Wahl zwischen der zunächst kostengünstigen Nutzung zumeist fossilen Grundwassers oder der Reduzierung des Wasserverbrauchs und der Nutzung entsalzten Meerwassers, was beides mit entsprechenden Kosten verbunden ist.

Die Frage nach der Realisierbarkeit des Desertec-Konzepts ist eine Gleichung mit einer Vielzahl von Unbekannten. Neben der grundsätzlichen Frage, ob wir das zentralistische Energiesystem der Gegenwart ohne Notwendigkeit in die Zukunft übertragen möchten, bestehen zahlreiche andere Problemfelder, die eine zeitnahe Realisierung unwahrscheinlich machen.

Solarthermische Kraftwerke sind nur in Regionen mit hoher direkter Sonneneinstrahlung sinnvoll, bei diffusem Licht können sie im Gegensatz zur Photovoltaik keinen Strom erzeugen. Dies erzwingt eine Standortwahl in den ariden und semiariden Räumen der Erde in großer räumlicher Distanz zu den Stromabnehmern, denn nur hier finden sich ideale Bedingungen für die solarthermische Stromproduktion. Andererseits handelt es sich um klassische Dampfkraftwerke, bei denen Wasser verdampft wird, um Turbinen anzutreiben, was eine ausreichende Wasserversorgung voraussetzt und so ein Dilemma schafft. Denn es ist fraglich, wie in solchen Regionen auf nachhaltige Weise eine ausreichende Menge Wasser bereitgestellt werden kann.

Die Wasserfrage ist in der öffentlichen Diskussion leider bisher unzureichend betrachtet worden. Nur RWE-Innogy Chef Fritz Vahrenholt hat in einem Artikel für den Tagesspiegel explizit auch diesen Punkt angesprochen. So schreibt er "Denn wir sprechen über solarthermische Kraftwerke, die in der Regel Millionen Kubikmeter Kühlwasser brauchen. Das ist in der Wüste nicht ganz einfach zu bewerkstelligen." Es ist erstaunlich, dass diese Kernfrage von Seiten der Desertec-Befürworter nur sehr unzureichend beantwortet wird. So wird z. B. lapidar auf die Möglichkeiten der Meerwasserkühlung sowie der Nutzung von Luftkühlung verwiesen. Zum einen werden aber nicht alle Kraftwerke direkt an der Küste errichtet werden können, was auch so im jetzigen Desertec-Modell gar nicht vorgesehen ist, zum anderen ist die Nutzung einer Luftkühlung nicht unproblematisch. So heißt es in der für das das amerikanische Department of Energy erstellten Studie "Concentrating Solar Power Commercial Application Study: Reducing Water Consumption of Concentrating Solar Power Electricity Generation": ...Trockenkühlungssysteme sind teurer und aus ihnen resultiert eine geringere Effizienz des Kraftwerks, vor allem in heißen Klimaten und während heißer Tage, typischerweise dann und dort wo Spitzenlast am meisten benötigt wird...". Die Studie geht entsprechend von einer Kostensteigerung gegenüber wassergekühlten Kraftwerken von 7-9% aus. Gerade in den heißen Tagesstunden kommt es laut Studie bei Verwendung einer Luftkühlung zu einem Leistungsabfall von fast 18%, was gerade in Spitzenlastzeiten zu erheblichen finanziellen Einbußen führen kann. Dies wird sicherlich keiner der großen Investoren akzeptieren wollen.

Natürlich kann und sollte für eine Wasserkühlung Meereswasser an entsprechenden Standorten eingesetzt werden, aber als Speisewasser zur Dampferzeugung kann kein Salzwasser eingesetzt werden. Also muss es entweder aufwändig entsalzt werden, was natürlich wiederum mit Zusatzkosten verbunden ist, oder man bedient sich des fossilen Grundwassers vor Ort. Die Ausbeutung von begrenzten und oft fossilen Grundwasserressourcen in den Trockenregionen der Erde ist jedoch völlig inakzeptabel, da dies die Lebensgrundlagen der Menschen in diesen Regionen zerstört.

Dass ein solches Gedankenspiel nicht völlig abwegig und Teil des Kalküls der beteiligten Akteure ist, zeigt der Blick in eine Broschüre zum spanischen Andasol-Projekt. Dort heißt es: "Der Wasserbedarf wird im Wesentlichen aus dem Grundwasservorkommen über Brunnen am Standort gedeckt." Mit einem Vergleich möchte man alle Zweifel entkräften: "Der jährliche Wasserbedarf eines AndasolKraftwerks gleicht in etwa dem Bedarf, der beim Anbau von Kulturpflanzen, z.B. Weizen, auf der Kraftwerksfläche entstehen würde." Dies sind laut eigenen Angaben immerhin 870.000 m³ bei einer Leistung von knapp 50 MWp und entsprich t dem durchschnittlichen Jahreswasserverbrauch von fast 19.000 Bundesbürgern. Rechnet man dies auf eine Kraftwerkskapazität von 50.000 MWp hoch, so entspricht dies dem Wasserverbrauch von 19 Mio. Bundesbürgern, was für eine Region wie die Sahara eine erhebliche Wassermenge ist. Es müssten dementsprechend zahllose Tiefenbrunnen zu den fossilen Grundwasservorkommen angelegt werden, die diese Vorkommen innerhalb weniger Jahrzehnte erschöpfen würden, in küstennahen Standorten würde dann nach und nach salziges Wasser aus dem Meer in die entleerten Aquifere eindringen.

Ökologisch wäre also nur eine Nutzung kostspielig entsalzten Wassers vertretbar. In Anbetracht der hohen Investitionssummen und der beteiligen Akteure, die bisher wenig Wert auf Nachhaltigkeit gelegt haben, liegt der Verdacht nahe, dass man die Frage der Wasserressourcen nicht mit der gebotenen Umsicht angehen wird, sondern versuchen wird, den kurzfristigen Profit zu maximieren.

Vielleicht schafft aber schon vorher das libysche "Great-Man-Made-River-Projekt" unabänderliche Tatsachen. In Libyen werden momentan jeden Tag 6,5 Mio. Kubikmeter fossiles Grundwasser aus dem Boden entnommen, so dass vermutlich in 2030 Jahren der große fossile Grundwasserspeicher unter der Sahara geleert sein wird. Schon heute sinkt in manchen Regionen der Sahara der Grundwasserspiegel, ein zweites Großprojekt würde diesen Trend noch erheblich beschleunigen.

Der englische Geograf John Anthony Allan hat vor einigen Jahren den Begriff des virtuellen Wassers eingeführt, um die versteckte Wasserbilanz von Produkten aufzudecken und um zu verdeutlichen wie wir über unseren Konsum beständig die Wasservorräte anderer Weltregionen aufzehren. Schon heute ist Deutschland unter den zehn größten Importstaaten virtuellen Wassers. Sollten wir unseren Energiebedarf in Zukunft aus der Sahara decken, würden die Importmengen virtuellen Wassers noch einmal deutlich ansteigen, zu Lasten der Menschen vor Ort.

Valentin Hollain ist wissenschaftlicher Mitarbeiter von EUROSOLAR.


*


Quelle:
Solarzeitalter 3/2009, 21. Jahrgang, S. 15-16
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien
Redaktion: EUROSOLAR e.V.
Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien
Kaiser-Friedrich-Straße 11, 53113 Bonn
Tel. 0228/36 23 73 und 36 23 75, Fax 0228/36 12 79 und 36 12 13
E-Mail: info@eurosolar.org
Internet: www.eurosolar.org

Erscheinungsweise: vierteljährlich
Jahresabonnement: 20,- Euro zuzüglich Porto.
Für Mitglieder von EUROSOLAR im Beitrag enthalten


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2009