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POLITIK/441: EEG - Die Konflikte um das Erfolgsmodell und seine Weiterführung (Solarzeitalter)


Solarzeitalter 1/2010
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien

EDITORIAL
EEG: Die Konflikte um das Erfolgsmodell und seine Weiterführung

Von Irm Pontenagel


Zehn-Jahres-Feiern zum "Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien" (Erneuerbare-Energien-Gesetz/EEG), das am 25. Februar 2000 vom Deutschen Bundestag beschlossen worden war, gab es in Berlin sowohl von der Bundestagsfraktion der SPD als auch von den Grünen. Diese beiden Fraktionen sowie die der PDS haben seinerzeit dem Gesetz zugestimmt. Bei der CDU/CSU war es allein Josef Göppel, der mit Ja stimmte, von der FDP allein Hans-Michael Goldmann. Enthaltungen gab es bei fünf Abgeordneten der CDU/CSU, darunter der heutige Verkehrs- und Bauminister Peter Ramsauer, was einer indirekten Zustimmung gleichkam. Damit war das EEG auf den Weg gebracht, das Erhard Eppler als das wichtigste gesetzgeberische Werk aus sieben Jahren rot/grüner Regierungsmehrheit bezeichnete.

Dieses Gesetz hat zwischen 2000 und 2009 einen stetig wachsenden Investitionsstrom zur Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien in Deutschland ausgelöst, insgesamt etwa 64 Mrd. EUR (siehe Tabelle).

2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2,986 Mrd.
4,309 Mrd.
4,925 Mrd.
4,907 Mrd.
6,721 Mrd.
7,762 Mrd.
8,542 Mrd.
8,459 Mrd.
8,104 Mrd.
7,033 Mrd.

Durchschnittlich 5,6 Mrd. EUR Investitionen waren bisher nötig, um den Anteil Erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch in Deutschland um 1% zu steigern. Insgesamt hat das Gesetz in weniger als zehn Jahren den Anteil Erneuerbarer Energien am Gesamtverbrauch von Strom um 11,5% gesteigert, auf insgesamt jetzt etwa 16%. Es hat damit bereits etwa zwei Drittel des Stromerzeugungsanteils der Atomenergie erreicht, für die direkte und indirekte staatliche Subventionen von über 100 Mrd. EUR zur Verfügung gestanden haben.

Das EEG allein hat über 220.000 Arbeitsplätze in Deutschland entstehen lassen. Es wurde so zum produktivsten Arbeitsförderprogramm, das es je gab. Es hat Deutschland in eine weltweite technologische Spitzenrolle für Erneuerbare Energien geführt und zum Leitmarkt für die Weltindustrie auf diesem Gebiet gemacht. Es hat den weltweit bisher wichtigsten Beitrag für die Produktivitätssteigerung vor allem der Wind- und Solarstromanlagen geleistet und damit den entscheidenden Anstoß für deren weltweite Industrialisierung und Kostensenkung gegeben: Eine indirekte Entwicklungshilfe beispielloser Art. Und es wurde zum Vorbild für Stromeinspeisegesetze für Erneuerbare Energien in nahezu 50 Ländern.

Dabei hätte der Einführungserfolg noch deutlich höher ausfallen können, wenn es nicht in einer Reihe von Bundesländern eine bis heute anhaltende gezielte Verweigerung von Standortgenehmigungen gegeben hätte. Insgesamt hat allein das EEG seit 2000 zu Stromerzeugungskapazitäten in Deutschland von nahezu 35.000 MW geführt, davon allein über 20.000 MW für die Windkraft.

Die Verweigerung von Standortgenehmigungen trifft besonders die Windkraft und die Kleinwasserkraft. Während Bundesländer wie SchleswigHolstein, Niedersachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt bereits einen Anteil der Windkraft von über 30% ihres Stromverbrauchs haben und Rheinland-Pfalz gerade zügig aufholt, kam der Ausbau in Nordrhein-Westfalen nach dem dortigen Regierungswechsel im Jahr 2005 weitgehend zum Erliegen. In den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern (unter 1%) und Hessen (unter 2%) hat der Ausbau noch nicht einmal richtig begonnen. Hätten vor allem letztere eine gleiche Genehmigungspraxis - statt der gezielten Verhinderungsplanung -, so wäre der Gesamtanteil der Erneuerbaren Energien unter dem Dach des EEG sicher schon bei über 20% der Stromversorgung.

Allein dieses Beispiel zeigt, dass der Erfolg des EEG bisher nur suboptimal ist und dass die breite Einführung nicht nur von der Bundespolitik abhängt. Der Marktvorrang für Strom aus Erneuerbaren Energien, den das EEG vorschreibt, ist nur eine Seite der Medaille. Die andere wäre ein gesetzlich festgelegter Vorrang für Erneuerbare Energien in der Bauleitplanung, die in die Zuständigkeit der Bundesländer fällt. Der einzige politische Gesetzgebungsentwurf, der diesen Vorrang konsequent verfolgte, war bisher derjenige, der der Werkstatt von EUROSOLAR entstammte und 2008 von der hessischen SPD-Landtagsfraktion unter Führung von Andrea Ypsilanti übernommen wurde - jedoch dort nicht zur gesetzgeberischen Umsetzung kam, da eine dies ermöglichende Regierungsbildung im November 2008 scheiterte, u.a. wegen massiver Widerstände gegen diese offensiv angelegte neue Energiekonzeption.

Die sich in Genehmigungsverweigerungen ausdrückenden Widerstände gegen Erneuerbare Energien sind zu anhaltenden Begleiterscheinungen des EEG geworden. Dies war von Anfang an der Fall. Im Spektrum der Befürworter Erneuerbarer Energien erhoffte man sich zwar, dass die Erfolge des EEG zunehmend für sich sprechen und Kritiker verstummen lassen würden. Leider muss man aber feststellen: je mehr Erneuerbare Energien zur Alternative von atomarer und fossiler Stromerzeugung werden und diese in großen Mengen ersetzen, je mehr Marktanteile sie damit den Betreibern atomarer und fossiler Großkraftwerke nehmen, desto mehr nehmen die Widerstände zu. Darauf hat EUROSOLAR immer wieder aufmerksam gemacht und gewarnt, sich auf den Erfolgen auszuruhen und zu hoffen, die Erneuerbaren Energien seien zum Selbstläufer geworden. Der Erfolgsweg des EEG ist so von der EUROSOLAR-Arbeit nicht zu trennen. Ein entscheidender Faktor ist dabei der Kampf um die öffentliche Meinung, zum Gewinnen von Mehrheiten nicht nur bei Wahlen, sondern ebenso innerhalb der Parteien und Fraktionen, was letztlich im Parlament ausschlaggebend ist. Der zweite entscheidende Faktor ist eine konsistente Gesetzgebung, die vor Gerichten Bestand hat. Kein Gesetz ist allein durch seine Beschlussfassung unter Dach und Fach. Die Versuche, den Vollzug zu umgehen oder zu unterminieren, nehmen in dem Maße zu, wie ein Gesetz lückenhaft und widersprüchlich ist - mit dem Ergebnis, dass Auslegungen durch Gerichte maßgeblicher werden als der Gesetzestext selbst.


Der EUROSOLAR-Kampf für das EEG

Vor allem auf diese beiden Faktoren hat sich die EUROSOLAR-Arbeit für das EEG konzentriert, um immer wieder neu aufkommenden Widerständen begegnen zu können. Die ganzseitigen Textanzeigen von EUROSOLAR, die in den großen überregionalen Zeitungen - den "Leitmedien" - geschaltet worden sind, unterschrieben und mitfinanziert von zahlreichen Bürgern, haben diesen Prozess begleitet. Sie sind eine Chronologie der wiederkehrenden Versuche, das EEG zu Fall zu bringen. Im Bundestagswahlkampf 2002, nach breiten Angriffen auf das noch junge EEG, waren es zwei Textanzeigenkampagnen von EUROSOLAR: "Weg vom Öl: Friedenssicherung, Umweltschutz und neue Wirtschaftsstabilität durch Erneuerbare Energien" und "Modell Deutschland: Für die Weiterführung und den Ausbau der Politik für Erneuerbare Energien." 2003, als der damalige Wirtschaftsminister Clement die Initiative der Stromkonzerne unterstützte, das EEG durch ein Quotensystem zu beerdigen, konterte EUROSOLAR mit der Anzeigenkampagne "Deutschland ist erneuerbar: Zukunftsfähigkeit statt Reformverweigerung in der Energieversorgung."

Als 2004 die Laufzeitverlängerung der Atomenergie versucht und gleichzeitig gefordert wurde, dass EEG durch den Emissionshandel zu ersetzen, antworteten wir mit der Kampagne "Erneuerbare Energien statt Atomenergie: Der konsequente Ausbau Erneuerbarer Energien macht Atomenergie überflüssig." Im Bundestagswahlkampf 2005, als der nächste Stoß gegen das EEG eingeleitet wurde - sowohl durch die damalige Opposition aus Unionsparteien und FDP als auch den Stromkonzernen, sekundiert von BDI und von Wirtschaftsinstituten - hieß die EUROSOLAR-Anzeigenkampagne "Deutschland bleibt erneuerbar: Das EEG sichert ökologische und ökonomische Zukunftsfähigkeit." 2008 lautete im Zusammenhang mit der strittigen EEG-Novelle unsere Kampagne "Deutschland muss erneuerbar bleiben". Die aktuelle Kampagne "Mit der Kraft der Sonne" richtet sich gegen die Gefahr eines Einbruchs der Photovoltaik durch eine abrupte EEG-Änderung.

Ebenso wichtig war und ist bei unseren Aktionen die kompetente juristische Unterstützung. Ohne diese wäre das EEG im Frühjahr 2000 noch kurz vor der Beschlussfassung gescheitert. Sechzehn Tage vor der Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag forderte Bundeswirtschaftsminister Müller mit Zustimmung des Bundeskabinetts am 9. Februar die Regierungsfraktionen schriftlich auf, die Beschlussfassung über das Gesetz aufzuschieben, solange der EU- Wettbewerbskommissar nicht seine beihilferechtliche Unbedenklichkeit erklärt habe. Der Gesetzentwurf zum EEG, der in der Bundestagsfraktion von SPD und Grünen - konkret: von Hermann Scheer, Dietmar Schütz sowie von Michaele Hustedt und Hans-Josef Fell - erstellt worden war, sollte erst dem EU-Kommissar vorgelegt werden! Dass dieser dem nicht zustimmen würde, war aber nicht schwer zu erraten. Es war klar, dass das EEG beim Europäischen Gerichtshof landen würde - und dort nur Bestand bei einer europarechtlichen Absicherung haben würde. Darauf hatte sich aber der EUROSOLARArbeitskreis Energierecht vorbereitet, der personenidentisch mit dem Herausgeberkreis der "Zeitschrift für Neues Energierecht" (ZNER) war. Aus diesem Arbeitszusammenhang entstand die entscheidende Formulierung, wie der Mehrkostenausgleich des EEG und die vom Europarecht ausgehende Gesetzesbegründung zu regeln sei. In dieser wurde klar herausgearbeitet, warum das EEG keine Subvention darstellt und deshalb von der EU-Kommission auch nicht genehmigt werden muss. Mehrere rechtswissenschaftliche Artikel wurden dazu in der ZNER veröffentlicht, in der Erwartung, dass der politische Kampf um das EEG vor dem Europäischen Gerichtshof weitergehen werde. Die ZNER ist über die Jahre hinweg auch zu dem rechtswissenschaftlichen Organ geworden, das dazu beitrug, dass hunderte von gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Betreibern von Erneuerbarer-Energie-Anlagen und Stromkonzernen bei der Auslegung des EEG zugunsten der Betreiber entschieden wurden.

In dieser Ausgabe des "Solarzeitalter" dokumentieren wir die heiße Phase des Kampfes um das EEG unmittelbar vor der Beschlussfassung. Die Intervention des Wirtschaftsministers der rot/grünen Koalition hatte unter Zustimmung des Bundeskabinetts zu einer brisanten Situation geführt. Wären die beiden Regierungsfraktionen dieser Aufforderung gefolgt, wäre das EEG kurz vor dem Finale gestorben - so wie es schon vielen anderen Gesetzesinitiativen erging. Dass dieser Verhinderungsversuch mit der EU-Kommission abgestimmt war, zeigte sich spätestens daran, dass EU-Wettbewerbskommissar Monti bereits am 7. April 2000, sieben Tage nach dem Inkrafttreten des EEG, ein Vertragsverletzungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof einleitete. Erst am 13. März 2001, als der Gerichtshof in seinem Urteil die Prinzipien des Gesetzes akzeptierte, war das EEG wirklich gesichert.


Anhaltende Konflikte

Die in diesem Konflikt zum Ausdruck kommenden Gegensätze begleiten das EEG weiter, in immer neuen Variationen. Umso wichtiger ist es, die grundlegende Gesetzesphilosophie, die diesem Gesetz zum Durchbruch verhalf, nicht aus dem Auge zu verlieren. Denn die nächsten Anläufe gegen Teile des EEG oder gegen dieses insgesamt sind schon wieder akut. Der aktuelle Konflikt um die Vergütungsdegression der Photovoltaik, die vielen noch nicht weit genug geht, ist nur ein Beispiel dafür. Heute die Photovoltaik, morgen die Windkraft, übermorgen die Bioenergie? Die Gefahr besteht, dass aus dem EEG ein Steinbruch wird. Weitere Konflikte, die längst virulent sind, sind Verweigerungen oder Verzögerungen von Netzanschlüssen sowie Einspeiseverweigerungen aus vermeintlichen Netzüberlastungsgründen. Auch weitere Angriffe auf das EEG werden deutlich. Zum Beispiel die Verunsicherung der Öffentlichkeit durch Horrormeldungen über unzumutbare Kosten für die Bürger, die auf die Abschaffung des EEG zugunsten des Emissionshandels zielen. Der Kampf um die öffentliche Meinung geht also weiter.

Ein normales "business" werden die Erneuerbaren Energien nicht. Denn sie stehen im Systemkonflikt mit den Strukturen des überkommenen Energiesystems, der sich mit dem weiteren erfolgreichen Ausbau Erneuerbarer Energien zwangsläufig zuspitzt. Deshalb bleibt auch der Einsatz von EUROSOLAR für den Erhalt und die konstruktive Weiterentwicklung des EEG unverzichtbar. Dieser Einsatz erfolgt im gesellschaftlichen Interesse mit einer umfassenden Bürgerbeteiligung und mit leistungsfähigen Unternehmen. Als Energiewende zur Energieautonomie!


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Quelle:
Solarzeitalter 1/2010, 22. Jahrgang, Seite 1-4
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien
Redaktion: EUROSOLAR e.V.
Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien
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Tel. 0228/36 23 73 und 36 23 75, Fax 0228/36 12 79 und 36 12 13
E-Mail: info@eurosolar.org
Internet: www.eurosolar.org

Erscheinungsweise: vierteljährlich
Jahresabonnement: 20,- Euro zuzüglich Porto.
Für Mitglieder von EUROSOLAR im Beitrag enthalten


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Mai 2010