Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INDUSTRIE

POLITIK/487: KlimaKompakt 71 - Energiepolitik und CCS (GW)


Germanwatch e. V.

KlimaKompakt Nr. 71 / Mai 2011


EDITORIAL
Neuer Schwung für die Energiewende

Sechs Eckpfeiler für eine klima- und energiesichere Zukunft
Ein energiepolitisches Zukunftspaket

Entscheidung auf der Vertragsstaatenkonferenz in Cancún
CCS grundsätzlich für den CDM zugelassen

Gesetz zur Demonstration von CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) verabschiedet
Bundesländer entscheiden, wo Speicherung zulässig ist


*


Neuer Schwung für die Energiewende

Das Desaster in Fukushima hat vielen die Augen nachdrücklich dafür geöffnet, welche Risiken die Nutzung der Atomkraft in sich birgt. Eine große Mehrheit der Deutschen ist nicht mehr bereit, diese zu tragen. In Reaktion darauf entwirft die Politik eine neue Energiezukunft mit einem beschleunigten Ausstieg aus der Kernenergienutzung.

Doch die Risiken kommen nicht nur von der Atomenergie, auch das Klima ist stark gefährdet. Der Umbau des Energiesystems muss beides berücksichtigen. Über hundert Organisationen in Deutschland unterstützen entsprechende Forderungen für ein überzeugendes energiepolitisches Zukunftspaket.

Darin haben mittelfristig weder Atom- noch Kohlekraftwerke Platz. Selbst wenn sie mit CO2-Abscheidung ausgestattet sind - was das Mitte April im Bundeskabinett verabschiedete CCS-Gesetz ermöglicht (sobald es in Kraft getreten ist). Denn fossile Grundlastkraftwerke vertragen sich nicht mit dem Umbau des Stromsystems zu 100 Prozent Erneuerbaren Energien.

Anders als etwa in China hat CCS bei uns eher seinen Platz bei industriellen Prozessen (wie Zementherstellung oder Stahlproduktion), welche hohe CO2-Mengen freisetzen, die sonst - mit noch größeren Risiken - in der Atmosphäre deponiert werden.

Manfred Treber


*


Sechs Eckpfeiler für eine klima- und energiesichere Zukunft

Ein energiepolitisches Zukunftspaket

Brot für die Welt, Germanwatch, Greenpeace, Oxfam und WWF machten in der Folge der Reaktorhavarie in Fukushima einen Aufruf zu einer Wende in der Energiepolitik, dem sich bis zum 11. April 101 Organisationen angeschlossen haben.

Germanwatch dokumentiert in gekürzter Form die Forderungen der Verbände.

"Die Katastrophe von Fukushima erfordert jetzt den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomtechnologie in Deutschland und Europa. Hierüber zeichnet sich in Deutschland ein breiter gesellschaftlicher Konsens ab. Aber auch angesichts der zunehmenden Bedrohung durch den Klimawandel müssen die Weichen in der Energiepolitik neu gestellt werden und der Klimaschutz ein elementarer Teil der neuen Energiestrategie werden. (...)

Ein breites gesellschaftliches Bündnis fordert mit diesem Appell ein energiepolitisches Zukunftspaket ohne klimaschädliche und hochriskante Energietechnologien. Die sechs Eckpfeiler für eine klima- und energiesichere Zukunft sind:

1. Ausstieg aus der Atomenergie.
Es müssen acht der 17 deutschen Kernreaktoren sofort und dauerhaft vom Netz genommen werden. Sechs weitere Kernkraftwerke sollten und können bis 2013 vom Netz gehen. Die restlichen drei sollten wenige Jahre später folgen. (...)

2. Keine neuen Kohlekraftwerke.
Der Neubau von Kohlekraftwerken muss ausgeschlossen werden. Neue klimaschädliche Kohlekraftwerke mit langer Lebensdauer würden hohe CO2-Emissionen für Jahrzehnte zementieren. Dies ist nicht vereinbar mit den mittel- und langfristigen Erfordernissen zur Emissionsminderung. (...)

3. Beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien.
Die erneuerbaren Energien müssen schneller als bisher ausgebaut werden. Dazu sind ein robustes Fördersystem und umfassende Maßnahmen zur Schaffung der notwendigen Infrastruktur, wie neue Stromtrassen, intelligente Netze und Speicher notwendig. Der gesamte Ausbau muss strikten Nachhaltigkeitskriterien genügen.

4. Ein ehrgeiziges deutsches Effizienzziel.
Deutschland muss sich das verbindliche Ziel setzen, die Energieeffizienz um mindestens 3 Prozent pro Jahr zu steigern. Zudem müssen umfassende Mittel für Energiesparmaßnahmen bereitgestellt und entsprechende ordnungsrechtliche Maßnahmen - insbesondere im Gebäude- und Verkehrsbereich - ergriffen werden. Für Energieeffizienz müssen jährlich mindestens 5 Mrd. Euro bereitgestellt werden.

5. Europa als Vorbild beim Klimaschutz.
Nur mit einem klaren politischen Rahmen und klaren Zielen kann Europa eine nachhaltige, zukunftsfähige und risikofreie Energieversorgung realisieren. Hierzu gehört an erster Stelle ein angemessenes Ziel bei der Reduktion von klimaschädlichen Treibhausgasen. Die Bundesregierung muss jetzt ohne Wenn und Aber ein EU-Klimaziel von mindestens 30 Prozent heimischen Reduktionen bis 2020 und 95 Prozent Reduktionen bis 2050 gegenüber 1990 unterstützen. (...)

6. Europa mit ehrgeizigem Effizienzziel.
Das europäische Ziel, den Energieverbrauch durch Effizienzsteigerungen um 20 Prozent bis 2020 zu senken, muss jetzt als verbindliches Ziel fest geschrieben werden. (...)"

Quelle: Forderungspapier "Für ein energiepolitisches Zukunftspaket, das menschengemachte Katastrophen heute und in Zukunft ausschließt. Sechs Eckpfeiler für eine klima- und energiesichere Zukunft.
http://www.germanwatch.org/presse/2011-04-14a.htm


Entscheidung auf der Vertragsstaatenkonferenz in Cancún

CCS grundsätzlich für den CDM zugelassen

Der Klimagipfel in Cancún im Dezember 2010 brachte nach drei Jahren Stillstand wieder Bewegung in die Frage der Nutzung der CCS-Technologie im Rahmen des Clean Development Mechanism (CDM). Die Kräfte (etwa aus Nichtregierungsorganisationen), die sich seit langem gegen die Aufnahme von CCS in den CDM aussprachen, konnten sich nicht durchsetzen.

Ziel ist nun, auf dem nächsten Gipfel im Dezember 2011 im südafrikanischen Durban eine Entscheidung über die genaue - möglicherweise sehr restriktive - Operationalisierung von CCS im CDM zu fällen.

Germanwatch übersetzt Auszüge aus der Entscheidung zu CCS im CDM in Cancún.

"Die Vertragsstaatenkonferenz (...) des Kyoto-Protokolls, (...)

1. Beschließt, dass Kohlendioxid-Abscheidung und -Speicherung in geologischen Formationen unter dem CDM (Clean Development Mechanism) eine förderungswürdige Projektaktivität ist. Vorausgesetzt, dass die Punkte, die in der Entscheidung 2/CMP.5, Paragraph 29 [dabei geht es um neun Kriterien wie Langzeitsicherheit oder Haftung] bestimmt sind, abgedeckt und in einer zufrieden stellenden Weise erfüllt werden;

2. Bittet das Nebenorgan SBSTA auf seiner 35. Sitzung die Modalitäten und Verfahren für den Einbezug von Kohlendioxid-Abscheidung und - Speicherung in geologischen Formationen als Projektaktivität unter dem CDM auszuarbeiten mit der Perspektive, der Vertragsstaatenkonferenz (...) für ihre 7. Arbeitssitzung [28.11. - 9.12.2011] eine Entscheidung vorzuschlagen;

3. Beschließt, dass die im obigen Paragraph 2 genannten Modalitäten und Verfahren folgende Punkte abdecken sollen:
(a) Die Auswahl von Speicherstätten für Kohlendioxid-Abscheidung und -Speicherung in geologischen Formationen soll auf stringenten und robusten Kriterien basieren, um die Sicherheit der Langzeit-Dauerhaftigkeit der Speicherung des Kohlendioxids sowie die Langzeit-Integrität der Speicherstätte anzustreben;
(b) Stringente Überwachungspläne sollen in Kraft gesetzt und während wie auch nach der Phase der Emissionsgutschrift durchgeführt werden, um das Risiko um die Umweltintegrität von Kohlendioxid-Abscheidung und -Speicherung in geologischen Formationen zu vermindern; (...)
(d) Die Kriterien zur Standortauswahl und die Überwachungspläne sollen von der Vertragsstaatenkonferenz (...) des Kyoto-Protokolls beschlossen werden und können auf relevanten Richtlinien von internationalen Organen (...) aufbauen;
(e) Die Grenzen von Speicherstätten für Kohlendioxid-Abscheidung und -Speicherung in geologischen Formationen sollen alle oberirdischen und unterirdischen Anlagen und Speicherstandorte einbeziehen. Ebenso wie potenzielle Austrittsquellen von Kohlendioxid, das in die Atmosphäre abgelassen werden kann, die mit der Abscheidung, der Behandlung, dem Transport, der Injektion und der Speicherung von Kohlendioxid in Verbindung stehen, wie auch jedwede denkbaren Ausweichpfade der Kohlendioxid-Fahne, inbegriffen der Pfade von der Auflösung von Kohlendioxid im unterirdischen Wasser; (...)
(g) Jegliche Freisetzung von Kohlendioxid über die im obigen Par. 3 (e) genannten Grenzen muss gemessen und in den Überwachungsplänen festgehalten werden. Der Druck des Speichers muss kontinuierlich gemessen werden, und diese Daten müssen unabhängig voneinander nachprüfbar sein. (...)
(i) Jegliche Emissionen des Projekts, die mit der Einrichtung von Kohlendioxid-Abscheidung und -Speicherung in geologischen Formationen verbunden sind, sollen als Projekt- oder Leckage-Emissionen verbucht werden. Sie - wie auch eine vorherige Abschätzung der Projektemissionen - sollen in die Überwachungsberichte einbezogen werden;
(j) Ein gründliches Risiko- und Sicherheitsmanagement, das die Methodologie anwendet, die in den Modalitäten und Verfahren festgeschrieben wird, wie auch eine umfassende sozio-ökologische Folgenabschätzung soll von unabhängigen Organisationen vor dem Einsatz von Kohlendioxid-Abscheidung und -Speicherung in geologischen Formationen durchgeführt werden;
(m) Kurz-, mittel- und langfristige Haftung bei potenziellen physikalischen Leckagen oder beim Durchsickern von gespeichertem Kohlendioxid; (...)
(o) Angemessene Umsetzung der Rekultivierung geschädigter Ökosysteme und volle Kompensation betroffener Gemeinden; (...)

4. Lädt die Vertragsstaaten und zugelassene Beobachter ein, dem Sekretariat ihre Sichtweisen, wie die Punkte in Par. 3 oben angegangen werden können, bis zum 21. Februar 2011 zuzusenden; (...)

6. Bittet das Sekretariat, zu den Modalitäten und Verfahren einen Entwurf zu verfassen, der auf den in Par. 4 genannten Eingaben und auf dem in Par. 5 erwähnten technischen Workshop beruht, damit sich SBSTA auf seiner 35. Sitzung damit befasst."

Quelle: Entscheidung der COP/MOP vom 10-11.12.10:
http://unfccc.int/resource/docs/2010/cmp6/eng/12a02.pdf#page=27


Gesetz zur Demonstration von CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) verabschiedet

Bundesländer entscheiden, wo Speicherung zulässig ist

Noch rechtzeitig, um die dazu erlassene Zeitvorgabe der EU einhalten zu können, hat der deutsche Entwurf zum CCS-Gesetz nach jahrelangem Stillstand und großem Streit im vergangenen Jahr das Bundeskabinett am 13. April passiert. Neu ist eine Klausel, nach der Bundesländer bestimmen können, dass die CO2-Speicherung in bestimmten Gebieten unzulässig ist.

Germanwatch dokumentiert Auszüge aus der Pressemitteilung des BMU zur Verabschiedung des CCS-Gesetzes im Kabinett.

"(...) Der Gesetzentwurf regelt im Bereich der CO2-Speicherung zunächst nur die Erprobung und Demonstration. (...) Das Gesetz soll im Jahr 2017 umfassend evaluiert werden. (...) Nur, wenn der Bericht positiv ausfällt, kann es mit CCS weitergehen. (...)

Wesentliche Inhalte des Gesetzentwurfes sind u.a.:

- Beschränkung der Speicherung auf Demonstration: Speicher dürfen nur zugelassen werden, wenn der Zulassungsantrag bis Ende 2016 gestellt ist und die jährliche Speichermenge pro Speicher nicht mehr als 3 Mio. t (Hinweis Germanwatch: entspricht den jährlichen Emissionen eines mittleren Kohlekraftwerks) und bundesweit pro Jahr nicht mehr als 8 Mio. t CO2 beträgt.

- Zulassung der Demonstrationsspeicher: Dies erfordert eine vorherige Untersuchung sowie eine Planfeststellung mit Umweltverträglichkeitsprüfung. Es gilt der höchste Vorsorgestandard: Gegen Beeinträchtigungen von Mensch und Umwelt muss Vorsorge nach dem Stand von Wissenschaft und Technik getroffen werden.

- Schutz anderer Nutzungsansprüche: Nutzungsmöglichkeiten des Untergrundes, z. B. Geothermie und Energiespeicher, werden adäquat geschützt. So ist sichergestellt, dass CCS nicht zu Lasten von anderen Nutzungen des Untergrundes geht.

- Übertragung der Verantwortung: Voraussetzung für die europarechtlich vorgeschriebene Übertragung ist u. a. der Nachweis der Langzeitsicherheit durch den Betreiber. So wird vermieden, dass der Staat unsichere Speicher mit ungeklärten Risiken übernehmen muss.

- Finanzielle Absicherung: Der gesamte Zyklus (von der Untersuchung bis zum Verantwortungsübergang) ist vom Betreiber durch eine Deckungsvorsorge finanziell abzusichern. Für die Zeit nach Verantwortungsübergang muss der Betreiber bereits von der ersten gespeicherten Tonne an einen Nachsorgebeitrag ansparen. Dadurch wird gewährleistet, dass auch nach Übertragung der Verantwortung genügend finanzielle Mittel vorhanden sind, um den Speicher weiterhin zu überwachen und etwaige Risiken zu beseitigen.

- Weitere Regelungen: Das Artikelgesetz regelt des weiteren die Errichtung und den Betrieb von Kohlendioxidleitungen am Vorbild des Energiewirtschaftsrechts und die Abscheidungsanlagen auf Grundlage des Bundesimmissionsschutzrechts. Außerdem werden alle CCS-Anlagen dem Emissionshandelsrecht unterstellt.

Der CCS-Gesetzentwurf wird für die Erprobung und Demonstration der Kohlendioxidspeicherung einen Rechtsrahmen bilden, der Planungs- und Investitionssicherheit gewährleistet. (...)"

Quelle:
http://www.bmu.de/pressemitteilungen/aktuelle_pressemitteilungen/pm/print/47268.php?


Impressum

Redaktion:
Manfred Treber (V.i.S.d.P.), Klaus Milke, Christoph Bals, Gerold Kier, Katrin Fillies

Herausgeber:
Germanwatch e.V.
Büro Bonn · Kaiserstr. 201 · D-53113 Bonn
Tel.: 0228/60 492-0, Fax -19
E-mail: info@germanwatch.org

Büro Berlin · Schiffbauerdamm 15 · D-10117 Berlin
Tel.: 030/28 88 356-0, Fax: -1
E-mail: info@germanwatch.org

Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft AG,
BLZ 100 205 00, Konto Nr. 32 123 00

KlimaKompakt-Download und E-Mail-Abo:
www.germanwatch.org/kliko


Dieses Projekt wird gefördert durch:

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Die Förderer übernehmen keine Gewähr für die Richtigkeit, die Genauigkeit und Vollständigkeit der Angaben sowie für die Beachtung privater Rechte Dritter. Die geäußerten Ansichten und Meinungen müssen nicht mit denen der Förderer übereinstimmen.


*


Quelle:
KlimaKompakt Nr. 71, 11. Mai 2011
Herausgeber:
Germanwatch e.V.
Dr. Werner-Schuster-Haus
Kaiserstr. 201
53113 Bonn
Tel.: 0228/60492-0, Fax: 0228/60492-19
E-mail: klimakompakt@germanwatch.org
Internet: http://www.germanwatch.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Mai 2011