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TECHNIK/092: Moorburg - Vattenfall rettet sich mit Kühlturm über die Runden (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 955 vom 2. Oktober 2010 - 29. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Moorburg: Vattenfall rettet sich mit Kühlturm über die Runden


Die Hamburger GRÜNEN waren einstmals angetreten, das Kohlekraftwerk des Vattenfall-Konzerns in Hamburg Moorburg zu verhindern. Nach dem Eintritt in die schwarz-grüne Koalition blieb der grünen Umweltsenatorin ANJA HAJDUK aber nicht viel anderes übrig, als das Kraftwerk zu genehmigen. Allerdings rühmte sich die grüne Umweltsenatorin mit einer vergleichsweise scharfen wasserrechtlichen Erlaubnis alles juristisch Mögliche für den Schutz der Elbeökologie herausgeholt zu haben. In der wasserrechtlichen Erlaubnis von 2008 waren Schwellen der Wassertemperatur, des Sauerstoffgehalts und des Wasserabflusses in der Elbe definiert, ab denen das Kraftwerk Moorburg gedrosselt und sogar abgeschaltet hätte werden müssen: Bei einem Absinken der Sauerstoffkonzentration im Elbewasser unter 3 mg/l hätte Vattenfall sein Kohlekraft von Volllast auf Null herunterfahren müssen. Die Kühlwasserentnahmen von 64 cbm/s aus der Elbe hätten eingestellt werden müssen. Statistisch gesehen hätte Vattenfall an 262 Tagen im Jahr (bezogen auf das Mittel der letzten dreißig Jahre) die Entnahme von Kühlwasser drosseln oder ganz einstellen müssen. Mit diesen Bestimmungen war für Vattenfall ein wirtschaftlicher Betrieb des Kraftwerkes nicht mehr darstellbar gewesen. Vattenfall war deshalb vor das Verwaltungsgericht gezogen, um der wasserrechtlichen Erlaubnis die Zähne ziehen zu lassen. Am 17.09.2010 verkündete die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU), sie habe sich mit der Firma Vattenfall Europe Generation AG (Vattenfall) gütlich geeinigt, die wasserrechtliche Erlaubnis zur Kühlwasserentnahme aus dem Jahr 2008 so zu ändern, dass Vattenfall einen Kühlturm baue, die Klage gegen die ursprüngliche Erlaubnis zurückziehe, und zugleich eine bessere Nutzung des Kraftwerks ermöglicht werde. Die Details des vor dem Oberverwaltungsgericht protokollierten Vergleichs wurden nicht veröffentlicht . gleichwohl gelangte der Vergleich dann doch in die Öffentlichkeit. Daraufhin begann der Kampf um die Deutungshoheit des Vergleichs. Während die Umweltsenatorin den Vergleich als tragbaren Kompromiss einstufte, reagierten die Hamburger Umweltverbände erzürnt. Um den Ärger der Umweltverbände zu verstehen, ist es erforderlich, sich in die Details des Vergleichs vertiefen. Danach muss bei einem Absinken der Sauerstoffkonzentration unter 6 mg/l das Kraftwerk nicht mehr gedrosselt werden. Einer der beiden Kraftwerksblöcke wird dann über den neu zu bauenden Kühlturm mit einer Wasserentnahme von 0,5 Kubikmeter pro Sekunde (cbm/s) gekühlt, der andere kühlt weiterhin auf Durchlauf mit 32 cbm/s. Fällt die Sauerstoffkonzentration auf 4,5 mg/l, muss auch der zweite Block im Kreislauf mit ebenfalls 0,5 cbm/s über den Kühlturm gekühlt werden. Beide Blöcke können also im Gegensatz zur ursprünglichen wasserrechtlichen Erlaubnis auch bei kritischen Elbewassertemperaturen und bei niedrigen Sauerstoffgehalten mit Volllast Strom erzeugen! Ferner wurde in dem Vergleich dem Vattenfall-Konzern zugestanden, dass Kühlwasser auch bei Niedrigwasser in der Elbe entnommen werden darf. War in der ursprünglichen Erlaubnis das Limit auf 849 cbm/s festgesetzt worden, darf jetzt . dank des Kühlturmbetriebs - bis zu einem Elbeabfluss von 405 cbm/s Kühlwasser entnommen und eingeleitet werden. Ein Drosseln oder gar ein Abschalten des Kraftwerkes ist somit nicht mehr an 262 Tagen im Jahr, sondern nur noch an 98 Tagen erforderlich. Die Elbeschutzorganisation "Rettet die Elbe" fordert demgegenüber, den Kühlturm an 365 Tagen im Jahr zu betreiben und dauerhaft auf eine Durchlauf-Kühlung zu verzichten: "Die in jeder Hinsicht gewässerschonendere Methode muss immer den Vorzug erhalten." GREENPEACE kritisiert ebenfalls: "Der Kühlturm stellt keineswegs eine Entlastung für die Elbe dar, sondern soll es Vattenfall ermöglichen, den Betrieb des Klimakillers noch auszuweiten - das führt zu noch mehr CO2-Ausstoß und Energieverschwendung."

Sauer ist "Rettet die Elbe" auch deswegen, weil sich in der Vergleichsvereinbarung die BSU verpflichtet hat, unverzüglich eine neue wasserrechtliche Erlaubnis zu Vattenfalls Gunsten zu erteilen. Damit werde "das Recht des Bürgers, an einer derart wichtigen Entscheidung mitzuwirken, von der BSU abgeschnitten", kritisiert die Elbeschutzorganisation. "Frau Hajduk ist das geworden, wogegen die Grünen einstmals angetreten sind: Obrigkeit, die es mit den Herren hält", giftet "Rettet die Elbe". Weitere Kritiker des Vergleichs monieren, dass durch die Kühlwasserentnahmen "Unmengen an Gewässerorganismen" - vor allem Fischlarven und Jungfischen vernichtet würden. Die Vergleichsvereinbarung müsse vor dem Hintergrund bewertet werden, dass die Tideelbe seit dem Jahr 2000 wieder deutliche ökologische Verschlechterungen aufweise. Insbesondere bei der Entwicklung der Wanderfische lasse sich kein positiver Trend mehr feststellen - siehe: http://www.salmonidenfreund.de/pages/beispielhaftes/die-elbe-bei-hamburg.php

Weitere Infos zur Bewertung des Moorburg-Kompromisses
aus der Sicht der Umweltverbände:
Förderkreis Rettet die Elbe e.V.
Herrn Klaus Baumgardt
E-Mail: foerderkreis@rettet-die-elbe.de
Internet: http://www.rettet-die-elbe.de


Vattenfall drückt aufs Tempo

In der Vergleichsvereinbarung hat sich Vattenfall ausgedungen, dass die neue wasserrechtliche Erlaubnis mit Kühlturmbetrieb unverzüglich erteilt wird. Vattenfall will nämlich schon im Jahr 2010 mit Bau des 80 m hohen Hybridkühlturms beginnen. Dann könnte nämlich das 200 Mio. Euro teure Bauwerk schon im Jahr 2013 fertig gestellt werden. Somit könnte der neue Kühlturm zeitgleich mit dem neuen Kraftwerk in Betrieb gehen.


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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 955/2010
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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Internet: http://www.akwasser.de

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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2010