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VERBRAUCHER/059: Geplanter Verschleiß - Gigantische Verschwendung (BUNDmagazin)


BUNDmagazin - 4/2013
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

Geplanter Verschleiß
Gigantische Verschwendung

Gespräch von Axel Mayer mit Ökonom Christian Kreiß



Axel Mayer ist BUND-Regionalgeschäftsführer in Freiburg und seit 40 Jahren im Umweltschutz aktiv. Schon sein Großvater wusste: Wir haben nicht genug Geld, um uns billige Dinge leisten zu können.

Vorsicht beim Einkauf scheint heute mehr denn je geboten. Manche Hersteller versuchen die Lebensdauer ihrer Produkte absichtlich zu verkürzen. Axel Mayer sprach mit Christian Kreiß, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Aalen, über ein (nicht ganz) neuartiges Phänomen.


Herr Kreiß, für Bündnis 90/Die Grünen haben Sie kürzlich eine Studie über »geplanten Verschleiß« erstellt. Was verbirgt sich dahinter?

Darunter versteht man, dass die Lebensdauer von Produkten, die eigentlich länger halten könnten, bewusst verkürzt wird. Ingenieure können die gewollte Gebrauchsdauer einzelner Bauteile genau festlegen und fast beliebig verkürzen oder verlängern. Manche Hersteller streben offenkundig eine kurze Gebrauchsdauer ihrer Produkte an, um Kunden zu einem rascheren Neukauf zu nötigen.

Konnten Sie konkrete Fälle nachweisen?

Der Klassiker ist das Glühbirnen-Kartell: 1924 taten sich die größten Hersteller zusammen, um die Lebensdauer ihrer Glühbirnen von zweieinhalb- auf eintausend Stunden zu senken. Wessen Birnen länger brannten, musste intern Strafe zahlen. Ein aktuelles Beispiel sind iPhones und iPads, deren Akkus etwa 18 Monate halten und nicht ausgewechselt werden können; danach muss man die Geräte im Prinzip wegschmeißen.

Es gibt viele weitere Beispiele: Hosen werden aus kurzfaseriger Baumwolle genäht und verschleißen so schneller, Reißverschlüsse werden schlechter als nötig produziert. Am stärksten unter Verdacht stehen aber Elektrogeräte. So wurden bei Druckern Zähler nachgewiesen, die sich nach fünfzehntausend Vorgängen abschalten; baut man einen solchen Zähler aus und stellt ihn zurück auf Null, druckt er noch einmal so viel.

Eine neue Studie der Stiftung Warentest scheint die Hersteller eher in Schutz zu nehmen. Wie erklären Sie sich den Widerspruch zu Ihrer Studie?

Warentest führt etwa 20 Beispiele auf, wie Hersteller an verschiedenen Stellen versuchen, die Gebrauchsdauer ihrer Produkte gezielt zu verkürzen: durch Schraubverschlüsse, die nicht zu öffnen sind, durch nicht lieferbare Ersatzteile etc. Und dann steht da dieser Satz: Ein Nachweis, dass dies bewusst geplant ist, kann bisher nicht erbracht werden ... Im Prinzip ein vollkommener Widerspruch innerhalb der Studie!

Nach wirklicher Entlastung klingt das nicht ...

Nein. Warentest führt lediglich an, dass eine kürzere Lebensdauer von Waschmaschinen und Staubsaugern in den letzten zehn Jahren nicht erkannt werden konnte. Dieser Teilbefund dominierte dann die Berichterstattung der Medien - kein Wunder, wenn deren größte Anzeigenkunden aus der Industrie kommen.

Ist denn der geplante Verschleiß in erster Linie ein Verbraucherthema?

Überhaupt nicht. Wenn wir nämlich Hosen oder Elektrogeräte doppelt so oft kaufen müssen wie nötig, verbrauchen wir auch doppelt so viel Arbeit und Ressourcen bei der Herstellung und haben später doppelt so viel Müll. Da findet eine gigantische Verschwendung statt, in Zeiten knapper werdender Rohstoffe ist das ein echtes Unding. Wir könnten sofort 10 bis 15 Großkraftwerke und jede zehnte Müllverbrennungsanlage schließen, wenn wir diesen Unfug sein ließen.

Dazu auch von mir ein schönes Beispiel: Unser BUND-Regionalverband druckt relativ viele Flugblätter und Broschüren. Die Kartons, in denen sie geliefert werden, haben wir immer der Druckerei zurückgebracht. Nun kam ausgerechnet unser neuer Flyer über »Geplanten Verschleiß« erstmalig in einem Karton mit eingebauten Schwachstellen, der nur einmal zu benutzen war.

Das ist bezeichnend! Eines ist klar: Bei diesem Thema gibt es viele Verlierer: alle Verbraucher, die Umwelt ... Um gegen gewollt kurzlebige Produkte vorzugehen, müssen wir aber die Gewinner ins Visier nehmen. Wenn Unternehmen eine solche Strategie verfolgen, profitieren sie doppelt. Die schlechte Qualität senkt ihre Kosten, dazu steigert die kurze Gebrauchsdauer den Umsatz. Gewinner ist das Unternehmenskapital, das sich in Deutschland wie den USA im Wesentlichen bei etwa einem Prozent der Menschen konzentriert. Der geplante Verschleiß ist demnach eine Art Steuer auf die Umwelt und die vielen Verbraucher, zugunsten ganz weniger Unternehmenseigentümer.

Was kann der BUND gegen die Verschleuderung von Ressourcen tun, was sollten wir von der Politik fordern?

Zum einen sind wir als Verbraucher gefragt: Billige Wegwerfware ist eben in Wirklichkeit oft teurer als langlebige Qualitätsprodukte. Achten wir also mehr auf Qualität! Noch tiefer geht die Frage: Wo kann ich auf Unnötiges verzichten? Was benötige ich wirklich? Wir alle verbrauchen eigentlich zu viel. Jeder deutsche Haushalt umfasst durchschnittlich 10.000 Artikel.

Da gilt das alte BUND-Motto: Gut leben statt viel haben.

Vollkommen richtig. Das Problem ist natürlich: Die Industrie trickst. Sie überschüttet uns mit Werbung, hält uns Informationen vor, kennzeichnet nicht, wie lange die Dinge halten, und tut alles, um den angeblich transparenten Markt undurchsichtig zu machen.

Aber Appelle an uns VerbraucherInnen werden nicht genügen. Was müsste politisch passieren?

In unserer Studie plädieren wir dafür, die Gewährleistungsfrist zu verlängern. Derzeit haftet der Verkäufer noch zwei Jahre für Mängel seiner Ware, wir schlagen drei bis fünf Jahre vor. Auch sollten für die erwartete Lebensdauer eines Gegenstandes Ersatzteile garantiert sein. Aber das Problem liegt natürlich tiefer.(*)

Sinnvoll wäre es, wenn auch der Garantiezettel zumindest die Laufzeit der Garantie überdauerte. Ich habe bei Produkten mit langjähriger Garantie schon mehrfach erlebt, dass die auf Thermopapier gedruckten Zettel nach einiger Zeit nicht mehr zu entziffern waren ­...

Sie sehen, da wird an allen Ecken und Enden getrickst! Es lohnt sich sicher, an diesem Thema dranzubleiben - für die Wissenschaft ebenso wie für die Umwelt- und Verbraucherverbände.

Der BUND wird das bestimmt nicht aus den Augen verlieren. Vielen Dank für das Gespräch!


Mehr zum Thema unter:
http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/geplante-obsoleszenz.html und www.murks-nein-danke.de


(*) Christian Kreiß: Profitwahn - Warum sich eine menschengerechtere Wirtschaft lohnt, 2013. 232 Seiten, 17,95 €, Tecum

*

Quelle:
BUNDmagazin 4/2013, Seite 20 - 21
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Dezember 2013