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ABFALL/004: Giftstoffbeseitigung unterfinanziert, Globaler Fonds gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. November 2010

Umwelt: Giftstoffbeseitigung unterfinanziert - Globaler Fonds gefordert

Von Stephen Leahy


Uxbridge, Kanada, 12. November (IPS) - Giftstoffe zählen zu den größten Gefahren der Menschheit. Doch die finanziellen Mittel für die Beseitigung von Blei, Quecksilber und Co sind viel zu gering, wie eine neue Studie moniert. Sie plädiert für die Einrichtung eines globalen Entseuchungsfonds.

Die Zahl der Menschen, die giftigen Schadstoffe ausgesetzt sind, wird auf über 100 Millionen geschätzt: Die meisten kommen mit Blei (18 Millionen bis 22 Millionen), Quecksilber (15 Millionen bis 19 Millionen) und Chrom (13 Millionen bis 17 Millionen) in Berührung. Zudem häufen sich Arsen-, Pestizid- und Radionuklid-Vergiftungen. Insgesamt geht man von 15 Millionen bis 25 Millionen Fällen aus.

Es sei zwar richtig, dass sich die meisten Regierungen mit dem Problem eine Weile befasst hätten, räumte Stephan Robinson von der Umweltorganisation 'Green Cross Switzerland', dem Ko-Autor des neuen 'World's Worst Pollution Problems Report 2010' ein. Doch bisher hätten sich Gegenmaßnahmen auf kostengünstige und technisch simple Lösungen beschränkt. Dazu gehöre etwa der Austausch von Sand auf Kinderspielplätzen.

Die Ergebnisse der Studie basieren auf rund 1.000 Gefahrenanalysen, die das 'Blacksmith Institute' in den vergangenen zwei Jahren an verschiedenen verseuchten Orten der Welt durchgeführt hatte. "Diese Gebiete wurden weniger von großen multinationalen Konzernen als von lokalen Unternehmen, ehemaligen Staatsbetrieben oder informellen Kleinindustrien wie dem Abbau von Gold oder dem Recycling von Batterien verursacht", sagte Richard Fuller, der Leiter der US-Umweltorganisation.

Eine besonders schockierende Entdeckung machten Mitarbeiter der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in diesem Jahr bei einem Besuch des nordwestnigerianischen Bundesstaates Zamfara. In etlichen Dörfern gab es kaum Kinder. Mehr als 400 waren an den Folgen einer aktuen Bleivergiftung gestorben. Die übrigen 2.500 waren so stark kontaminiert, dass sie mit Chelaten notbehandelt werden mussten. Die Substanz wird bei Schwermetallvergiftungen verabreicht. Bei einigen der verseuchten Kinder wurden die bisher weltweit höchste Bleikonzentration festgestellt.

Blei ist ein aggressives Neurotoxin, das bei Kindern Gehirn- und neurologische Schäden verursacht. "Bei jedem Anstieg der Bleikonzentration im Blut um fünf Punkt sinkt der IQ-Wert um vier Punkte", berichtete Bret Ericson vom Blacksmith-Inventarprojekt GIP, das die verseuchten Plätze untersucht hatte. Ursache der Kontamination ist der lokale Goldbergbau. Die Dorfbewohner wussten nicht, dass die goldhaltigen Gesteinsbrocken, die sie zur weiteren Bearbeitung in die Dörfer brachten, extrem bleihaltig waren.

Blacksmith kooperiert mit den lokalen Behörden und einem US-Unternehmen, um die Dörfer und Böden der Region zu entseuchen. Unterstützung kommt zudem von der Weltgesundheitsorganisation WHO, dem US-Seuchenkontrollzentrum CDC, den Ärzten ohne Grenzen und anderen Partnern. Insgesamt werden sich die Sanierungskosten auf drei Millionen US-Dollar belaufen.

Ericson koordiniert mehr als 160 Experten, die in den letzten beiden Jahren nach verseuchten Gebieten Ausschau hielten. Diese sahen sich etwa in alten Industriestädten der ehemaligen Sowjetunion um und stießen dort auf Menschen, die in den Ruinen verzweifelt nach Materialien suchen, um damit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. "Solche Berichte bekommen wir laufend", so Ericson.

In vielen Ländern fehlt es im Umgang mit den verseuchten Gebieten an technischem Know-how und an den finanziellen Mitteln. Oftmals reichen schon verhältnismäßig kleine Beträge - 100.000 bis 300.000 Dollar - für die Sanierung aus. Blacksmith hat mit seinen Partnern bereits 20 Gebiete saniert. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 30 Millionen Dollar.

Blacksmith schwebt ein internationaler Fonds vor, in den Staaten und Geberorganisationen einzahlen. Eine Milliarde Dollar, so die Organisation, könnte Abermillionen Menschen helfen. (Ende/IPS/kb/2010)


Links:
http://www.worstpolluted.org/files/FileUpload/files/2010/WWPP-Report- 2010-Top-Six-Toxic-Threats-Web.pdf
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53532


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 12. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2010