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ABFALL/008: Bangladesch - Schrottplatz für ausländische Gift-Schiffe, Gefahr für Mensch und Umwelt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Juni 2011

Bangladesch: Schrottplatz für ausländische Gift-Schiffe - Gefahr für Mensch und Umwelt

Von Naimul Haq


Dhaka, 17. Juni. (IPS) - Abwrackfirmen in Bangladesch verstoßen gegen ein zweijähriges Einfuhrverbot für stark giftbelastete, ausländische Schiffe. Auch widersetzen sie sich einem Gerichtsbeschluss, der ihnen vorschreibt, für die Sicherheit ihrer Arbeiter zu sorgen.

Eine Vereinigung von Rechtsanwälten in dem südasiatischen Staat macht die Ministerien für Umwelt und Arbeit dafür verantwortlich, dass kein ausreichender Schutz für die Ökosysteme der Küsten garantiert und die Kontrolle über die Verschrottungsunternehmen vernachlässigt wird.

"Wir beobachten immer noch, wie ausländische Schiffe an den Stränden von Shitakunda in Chittagong entgegen geltender Sicherheitsbestimmungen unsachgemäß zerlegt werden", sagt Syeda Rizwana Hasan vom Verbande der Umweltanwälte in Bangladesch (BELA). Ein solcher Umgang sei ein Verstoß gegen den Gerichtsbeschluss vom März 2009. Demnach müssen Schiffe bereits dekontaminiert sein, wenn sie in Bangladesch verschrottet werden sollen. Zudem sind die Abwrackunternehmen dazu verpflichtet, den Schrott und toxische Materialien sachgemäß zu lagern.


Weltbank warnt vor Folgen der Schiffsverschrottung

In einer 2010 veröffentlichten Studie erklärt die Weltbank zwar, dass das Abwracken von Schiffen der "ökologisch nachhaltigste Weg zum Umgang mit alten Schiffen" sei. Zugleich warnt die Bank aber davor, dass der beim Verschrotten entstehende Sondermüll und die Gesundheitsrisiken für die Arbeiter auf internationaler Ebene Sorge hervorriefen.

Bangladesch ist das Land, in dem weltweit die meisten Schiffe verschrottet werden, weit mehr als in Indien und Pakistan. Etwa 200 in dem Bereich tätige bangladeschische Firmen zahlen zusammen umgerechnet rund 100 Millionen US-Dollar Steuern im Jahr. Der Weltbank zufolge liefert das Schrottgeschäft rund 1,5 Millionen Tonnen der in dem Land insgesamt benötigten fünf Millionen Tonnen Stahl.

Die meisten Abwrackbetriebe befinden sich auf einem 20 Kilometer langen Strandabschnitt im Distrikt Chittagong am Golf von Bengalen im Südosten von Bangladesch. Etwa 18.000 ungelernte Arbeiter müssen dort ohne jeglichen Schutz mit giftigen Chemikalien hantieren. Das Risiko, dass diese Substanzen explodieren, ist ebenfalls hoch.

Zwischen 2005 und 2007 wurden auf diese Weise insgesamt 270 Hochseeschiffe in ihre Einzelteile zerlegt. Seit Beginn 2011 wurden bereits 70 Schiffe zum Verschrotten freigegeben. Die meisten durften aus Sicherheitsgründen jedoch nicht in die Werften gebracht werden.

Böden und Gewässer im Umkreis der Verschrottungsanlagen sind stark mit Giftstoffen belastet. Wie die Weltbank herausfand, werden Vorschriften für den Umgang mit Asbest, polychlorierten Biphenylen (PBC) und anderen ozonschichtschädigenden Substanzen rundweg missachtet.

Dem Bericht zufolge fanden sich in den Böden Kadmium, Chrom, Blei, Quecksilber und Erdöl. In den kommenden 20 Jahren werde die Belastung durch solche toxischen Stoffe, darunter auch Polyurethanschaum, weiter zunehmen, sollten nicht unverzüglich Gegenmaßnahmen umgesetzt werden.

Einer Untersuchung der Sprengstoffabteilung des bangladeschischen Energieministeriums, der Umweltorganisation Greenpeace, der Menschenrechtsbewegung FIDH und von BELA zufolge sind zwischen 1998 und diesem März 123 Arbeiter beim Abwracken von Schiffen an den Stränden von Chittagong ums Leben gekommen.


Hohe Dunkelziffer bei Arbeitsunfällen vermutet

Taslima Islam von BELA geht von einer weit höheren Dunkelziffer aus. "Wir wissen nicht, wie viele Leichen einfach ins Meer geworfen werden", sagt sie. Seit 1998 wurden zudem 72 starke Detonationen und Chemieunfälle in den Verschrottungsanlagen bekannt. Hunderte Arbeiter überlebten schwere Verbrennungen und behielten lebenslange körperliche Schäden zurück, für die sie nie eine angemessene Entschädigung erhielten.

Auch auf die Umwelt nehmen die Unternehmen keine Rücksicht. Mangrovenwälder wurden vernichtet, um Platz für die Zerlegung der Schiffe zu schaffen. Damit wurden wichtige Ökosysteme unwiederbringlich zerstört.

BELA wandte sich mit Erfolg an die Gerichte des Landes, um strengere Vorschriften für die Abwrackindustrie und Umweltauflagen durchzusetzen. Die Unternehmen wurden auch dazu angehalten, Sicherheitstrainings für die Arbeiter durchzuführen und Krankenstationen einzurichten. Dem Anwaltsverband zufolge haben die Kontrollen bisher aber nicht funktioniert.

Die Kritiker gehen davon aus, dass der einflussreiche Verband der Schiffsabwrackindustrie (BSBA), der einen Großteil des Stahlmarkts in dem Land kontrolliert, seine Hände mit im Spiel hat. BSBA-Präsident Hefazutur Rahman weist den Vorwurf jedoch kategorisch ab. Die Regierung habe strikte Regelungen erlassen, sagt er. "Es gibt keinen Grund, warum wir uns nicht daran halten sollten." Dennoch sind nach der Einführung der Auflagen im März 2009 26 Arbeiter bei Unfällen ums Leben gekommen. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.belabangla.org/
http://www.fidh.org/-english-
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2011