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AFRIKA/003: Freihandel mit Rohstoffen boomt - Entwicklung und Umwelt leiden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. Juli 2010

Afrika: Freihandel mit Rohstoffen boomt - Entwicklung und Umwelt leiden

Von Isolda Agazzi


Genf, 29. Juli (IPS) - Der Handel mit Fisch, Forsterzeugnissen, Treibstoffen und Bergbauprodukten macht laut einem neuen Bericht nahezu ein Viertel des globalen Warenaustausches aus. Um davon profitieren zu können, exportieren viele afrikanische Staaten im Rahmen von Freihandelsabkommen verstärkt natürliche Ressourcen. Kritiker warnen davor, dass diese Praxis die Entwicklung der Staaten langfristig zu schädigen droht.

Wie aus dem kürzlich von der Welthandelsorganisation (WTO) vorgestellten Bericht für 2008 hervorgeht, sind seit dem Jahr 2000 Treibstoffe auf dem Weltmarkt zunehmend gefragt. Derzeit machen sie drei Viertel aller international abgesetzten Rohstoffe aus.

Die wichtigsten Handelspartner der afrikanischen Produzenten sind Industrieländer. Der Warenaustausch zwischen den Staaten des Kontinents ist eher gering. Die Exporte Afrikas beliefen sich 2008 auf einen Wert von über 400 Milliarden Dollar, wobei 86 Prozent auf Brennstoffe wie Kohle und Öl entfielen.

Die meisten entwickelten Länder halten ihre Einfuhrzölle auf Rohstoffe niedrig. Höhere Abgaben werden auf weiterverarbeitete Erzeugnisse fällig. Die großen Exportnationen versuchten andererseits durch Quoten und Ausfuhrzölle den Handel zu steuern, sagte der für die WTO tätige Ökonom Michele Ruta.


Einfuhrzölle beim Rohstoffhandel unerheblich

"Im Mittelpunkt der WTO-Bestimmungen steht der Abbau von Einfuhrzöllen, aber das spielt im Bereich der natürlichen Rohstoffe kaum eine Rolle. Nur wenige Staaten erheben zum Beispiel Abgaben auf Ölimporte", erklärte der Genfer Rechtswissenschaftler Joost Pauwelyn.

"Nicht alle Produktionsauflagen, Ausfuhrzölle und Verbrauchssteuern laufen den WTO-Bestimmungen zuwider. Einige sind jedoch schädlich und ineffizient", sagte Pauwelyn weiter. "Eine Handelsorganisation wie die WTO sollte dagegen vorgehen. Im Zusammenhang mit Rohstoffen ist der Freihandel noch wichtiger als in anderen Bereichen."

Diese Einschätzung sei zwar richtig, beinhalte aber nicht die ganze Wahrheit, meinte Mark Halle, der Direktor des Internationalen Instituts für nachhaltige Entwicklung (IISD). "Manche Entwicklungsländer wurden in Handelsgesprächen gezwungen, ihre Einfuhrzölle zu senken und haben somit Staatseinnahmen verloren. Das müssen sie irgendwie ausgleichen, und Ausfuhrabgaben sind ein Weg."

Halle ging davon aus, dass solche Abgaben letztlich zu wirtschaftlicher Ineffizienz führten. "Die Antwort kann aber nicht sein, noch mehr Rohstoffe zu exportieren, um die Einnahmeverluste auszugleichen. Denn das führt wiederum zu Umweltproblemen. Wir müssen uns fragen, was wir wollen - eine gesündere Entwicklung in Afrika oder eine maximale Effizienz des Handels", gab Halle zu bedenken.


Subventionen kontraproduktiv

Dem Welthandelbericht zufolge werden in den Exportstaaten in großem Umfang Verbrauchssteuern, technische Auflagen und Subventionen als Steuerinstrumente eingesetzt. Subventionen sollten dabei nach Auffassung Halles separat betrachtet werden, da sie zumeist den Handel nicht berührten und ein rein binnenwirtschaftliches Instrument seien.

Man müsse sich fragen, ob öffentliche Mittel auf diese Weise effizient eingesetzt würden, sagte der IISD-Direktor. Viele afrikanische Regierungen bezuschussten etwa fossile Brennstoffe, indem sie die Verbraucherpreise künstlich niedrig hielten.

"Und was machen die Regierungen da? In den meisten Fällen versuchen sie wiedergewählt zu werden. Wenn man durch Benzinsubventionen Mobilität fördern will, sollte man aber in den öffentlichen Nahverkehr investieren, um den Ärmsten zu helfen", forderte Halle. "Die haben nämlich gar keine Autos. In den meisten Fällen profitiert die Mittelklasse von Subventionen."

Anstatt das Gesundheits- und Erziehungswesen zu verbessern, werde das Verbrennen fossiler Brennstoffe durch die Mittelklasse angekurbelt. Das sei kein typisch afrikanisches Problem - die Europäische Union und die Vereinigten Staaten täten das gleiche. Subventionen seien fast immer politisch motiviert, erklärte Halle.


Chinesische Lösung

Ein Punkt, den der Welthandelsbericht ebenfalls hervorhebt, ist die große Preisfluktuation bei natürlichen Rohstoffen. Claudine Sigam von der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) wies in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung von Einnahmeschwankungen hin.

Sie bezog sich auf die so genannte "Holländische Krankheit", eine zu große Abhängigkeit von Bodenschätzen: In den 1970er Jahren spülten Einnahmen aus dem Gasgeschäft schnell viel Geld in die niederländische Staatskasse, der Kurs des Guldens schoss in die Höhe. Dadurch verschlechterten sich die Exportchancen und die produzierende Industrie brach ein.

Ein wichtiger Faktor der Holländischen Krankheit ist nach Ansicht von Sigam, dass zwischen der Entdeckung von Bodenschatzvorkommen und den ersten Einkünfte daraus teils fünf bis sieben Jahre vergehen. China hingegen habe bei der Ausbeutung von Bodenschätzen in der Demokratischen Republik Kongo einen neuen Ansatz gewählt, um das zu vermeiden.

Die chinesischen Geldgeber nutzen die Bodenschätze und bauten zugleich die Infrastruktur aus. Sigam sieht dies als "kompletten Paradigmenwechsel, der das Problem der Zeitverzögerung ausschaltet." (Ende/IPS/sv/2010)


Links:
http://www.wto.org/english/res_e/publications_e/wtr10_e.htm
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52292

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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2010