Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2014
Wer die Netze hat, hat die Macht? Infrastrukturen und Nachhaltigkeit
UPOV für alle?
In Afrika wird Geistiges Eigentum auf Pflanzenzüchtungen verbreitet
Von Susanne Gura
Die weit überwiegende Mehrheit der Bauern und Bäuerinnen weltweit nutzt Saat- und Pflanzgut aus der eigenen Ernte, tauscht und verkauft es und entwickelt es weiter. Dadurch kann sich das Saatgut an den Druck von Schadorganismen oder Klimaveränderungen anpassen. So hat sich die Kulturpflanzenvielfalt als unsere Ernährungsgrundlage entwickelt. Nur so kann sie sinnvoll für künftige Generationen bestehen bleiben, von den als Notabsicherung geltenden Genbanken einmal abgesehen. Das soll sich jedoch ändern und Lizenzgebühren auch bald für die meisten Länder in Afrika gelten.
Eine kleine, bei der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) in Genf häuslich untergebrachte Organisation, der Internationale Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen, will seine Regeln nicht nur Industrieländern, sondern auch Entwicklungsländern überstülpen. Vor über 50 Jahren wurde die Organisation UPOV (Union pour la Protection des Obtentions Végétales, Internationaler Verband zum Schutz von Pflanzenzüchtungen) von Industrieländern für Industrieländer gegründet, nur dort fand Pflanzenzüchtung für die rasch wachsende industrielle Landwirtschaft statt. Meist unbeachtet von der Öffentlichkeit wurde den Züchtern zuerst für Zierpflanzen, dann aber auch Nahrungspflanzen, zugestanden, bis zu 30 Jahre lang Lizenzgebühren zu kassieren. Vor dem Hintergrund G8-geförderter, großer landwirtschaftlicher Projekte in Afrika, die sich auf Land Grabbing, Entwicklungshilfegelder und Integration der Kleinbauern in Wertschöpfungsketten für den Weltmarkt stützen, wollen Agrarkonzerne nun auch in Afrika Lizenzgebühren einnehmen. In der Regel sind es Sorten, für die sie bereits anderswo Schutzrechte innehaben.
Praktisch gleichzeitig mit den Geistigen Eigentumsrechten werden auch Vermarktungsregelungen eingeführt. Genau wie in der Europäischen Union (EU) sollen Sorten nur dann für den Markt zugelassen werden, wenn sie unterscheidbar, homogen und beständig (sogenannten DUS-Kriterien - distinct, uniform, stable) sind. Für Erhaltungssorten gibt es in der EU erst seit 2009 eine mit hohen bürokratischen Auflagen versehene Ausnahme.(1)
Bäuerliche Sorten sind aber nicht, weder in der EU noch in Entwicklungsländern, homogen und beständig. Genau das ist ihre Stärke, sie passen sich aufgrund ihrer breiten genetischen Ausstattung an unterschiedliche Gegebenheiten an. In der EU ist mit dem auf die DUS-Kriterien begründeten Sortenrecht die bäuerliche Sortenvielfalt weitgehend von den Feldern und aus den Gärten verschwunden. Gepaart mit der inzwischen hohen Konzentration auf dem globalen Saatgutmarkt und der Dominanz von Chemiekonzernen sehen dies viele als ökologische, wirtschaftliche und soziale Katastrophe. Die EU-Saatgutrechtsreform ist im EU-Parlament aus diesen Gründen vorerst gescheitert.
Für die Einführung der neuen Sortenschutz- und Saatgutvermarktungsgesetze in Entwicklungsländern werden oft Freihandelsabkommen, aber auch regionale Organisationen genutzt. In Afrika sind es derzeit neben der Southern African Development Community (SADC) und dem Common Market for Eastern and Southern Africa (COMESA) die beiden regionalen Organisationen für Geistiges Eigentum ARIPO (African Regional Intellectual Property Organisation, Sitz in Simbabwe) und OAPI (Organisation Africaine de la Propriété Intellectuelle, Sitz in Kamerun). ARIPO hat 19, OAPI 17 Mitglieder, zusammen 36 der 55 UN-anerkannten afrikanischen Staaten.
Ob es dabei um die Interessen afrikanischer Firmen geht, muss bezweifelt werden, denn mit je einer Handvoll Mitarbeitern sind ARIPO und OAPI kaum in der Lage, umfangreiche Neuanträge zu prüfen. Beim Sortenschutz ist keine Schwemme afrikanischer Neuzüchtungen zu erwarten. Kaum eines der am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries, LDC) hat heute noch nennenswerte Agrarforschungsetats, sie waren im Zuge der von der Weltbank geforderten Strukturanpassung in der 1990er Jahren gekürzt worden. Es gibt nur wenige unabhängige einheimische private Züchter. Es geht wohl eher darum, für ausländische Konzerne Rechte auf Lizenzeinnahmen zu schaffen.
OAPI ist im Juni 2014 dem UPOV beigetreten. Seit sieben Jahren waren die rechtlichen Voraussetzungen dazu geschaffen. Damit gilt UPOV-Recht in nunmehr in 15 afrikanischen LDCs (Tansania, Äquatorial Guinea, Benin, Burkina Faso, Guinea, Guinea Bissau, Komoren, Kongo, Mali, Mauritanien, Niger, São Tomé and Príncipe, Senegal, Togo, Tschad, Zentral Afrikanische Republik). Eine Umsetzung in nationales Recht ist für die OAPI-Mitglieder nicht nötig.
Der Beitritt von ARIPO zu UPOV steht kurz bevor. Im April 2014 genehmigte der UPOV-Rat das vorgelegte ARIPO Rahmengesetz. ARIPO will nun eine zwischenstaatliche Konferenz durchführen, um das Gesetz zu beschließen. Es tritt in Kraft, wenn nur vier Mitgliedsstaaten es ratifizieren, ist dann aber nicht in allen ARIPO-Staaten gültig. Genau das hat das internationale zivilgesellschaftliche Netzwerk APBREBES mit einem Rechtsgutachten aufgegriffen und einen Bruch des ansonsten immer sehr strikt ausgelegten UPOV-Übereinkommens festgestellt.(2) Dem UPOV-Rat ist das egal, Hauptsache, ARIPO tritt bei. Die ARIPO Mitglieder können direkt UPOV beitreten, wenn sie das ARIPO Rahmengesetz ratifizieren, auch wenn sie keine nationale Gesetzgebung haben. Auch dies wurde von APBREBES kritisiert. Betroffene Länder, die nun ratifizieren könnten, sind Botswana, Gambia, Ghana, Lesotho, Liberia, Malawi, Mozambique, Namibia, Rwanda, Sambia, Simbabwe, Sierra Leone, Somalia, Sudan, Swaziland, Uganda.
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Alternatives System
(Indien*) |
UPOV 78
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UPOV 91
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Patent
(in Europa) |
Verkauf von Saatgut
durch Bauern gestattet |
Ja
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Nein
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Nein
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Nein
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Tausch von Saatgut
gestattet |
Ja**
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Ja
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Nein
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Nein
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Nachbau von Saatgut
auf dem eigenen Hof gestattet |
Ja
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Ja
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Als Option in
beschränktem Maße möglich*** |
Als Option in
beschränktem Maße |
Freie Verwendung der
geschützten Pflanze für die Weiterzucht |
Ja
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Ja
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Im Prinzip ja -
mit gewissen Einschränkungen
****
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Nein
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Möglichkeit auch von
Bauern entwickelte Landsorten zu schützen |
Ja
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Nein
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Nein
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Nein
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Ein Vergleich der verschiedenen Schutzsysteme (Quelle: Erklärung von Bern und Pro Specie Rara (2014):
Saatgut - bedrohte Vielfalt im Spannungsfeld der Interessen.)
Der kenianische Vertreter lobte die Bedeutung dieses Schrittes für die Ernährungssicherheit in Afrika. Kenia ist selbst nicht dem UPOV-Abkommen von 1991 beigetreten, empfiehlt dies aber anderen Entwicklungsländern aufgrund seiner angeblich guten eigenen Erfahrungen. Tatsächlich ist Kenia jedoch Mitglied des Abkommens von 1978, das bäuerliche Rechte anerkennt - ein entscheidender Unterschied zu UPOV91. Auch Südafrika ist nicht Mitglied von UPOV91, sondern von UPOV78. Afrikanische Mitglieder von UPOV91 sind neben den genannten LDCs Marokko und Tunesien. In Ghana steht eine Parlamentsentscheidung aus, massive Proteste stehen dem entgegen.
Auch in anderen afrikanischen Ländern hat sich der Widerstand organisiert und in der Alliance for Food Sovereignty in Africa (AFSA) zusammengeschlossen.(3) AFSA verurteilt den UPOV-Beitritt von ARIPO und forderte vergeblich die UPOV-Mitgliedsstaaten dazu auf, das ARIPO-Rahmenabkommen abzuweisen. AFSA weist darauf hin, dass Kleinbauernorganisationen nicht konsultiert wurden, und fordert Saatgutregelungen, die die Erhaltung der Biodiversität und die Rechte der Bauern angemessen berücksichtigen.
Trotz dieser sinnvollen Alternativen unterstützen Geberländer sowie die WIPO den UPOV-Beitritt afrikanischer Länder mit technischer Hilfe.
Autorin Susanne Gura ist Koordinatorin des internationalen Netzwerks "Association for Plant Breeding for the Benefit of Society" (APBREBES, www.apbrebes.org), das als einzige zivilgesellschaftliche Organisation Beobachterstatus bei UPOV hat. Ehrenamtlich ist die Autorin Erste Vorsitzende des Vereins zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (www.nutzpflanzenvielfalt.de).
1) Siehe Forum Rundbrief 2012 Gen-Armut: EU-weit einheitliches Pflanz- und Saatgut.
2) http://www.apbrebes.org/press-release/upov-breaking-its-own-rules-tie-africancountries.
3) Die Alliance for Food Sovereignty in Africa ist eine gesamtafrikanische Plattform die Kleinbäuerliche Gemeinschaften, Hirtenvölker, Jäger und Sammler, Indigene, BürgerInnen sowie Umweltschützende aus Afrika repräsentiert. AFSA umfasst Netzwerke und Bauerorganisationen die in Afrika aktiv sind einschließlich African Biodiversity network (ABN), Coalition for the Protection of African Genetic Heritage (COPAGEN), Comparing and Supporting Endogenous Development (COMPAS) Africa, Friends of the Earth-Africa, Indigenous Peoples of Africa Coordinating Committee (IPACC), Participatory Ecological Land Use Management (PELUM) Association, Eastern and Southern African Small Scale Farmers Forum (ESAFF), La Via Campesina Africa, FAHAMU, World Neighbours, Network of Farmers' and Agricultural Producers' Organizations of West Africa (ROPPA), Community Knowledge Systems (CKS) and Plate forme Sous Régionale des Organisations Paysannes d'Afrique Centrale (PROPAC).
Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.
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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2014, Seite 36-38
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juli 2014